Samstag, September 28

Der Logistiker Planzer hat sich viel aufgeladen. Sechs Jahre nach dem Start ist das Paketgeschäft noch nicht rentabel – und die neu erworbene Briefzustellung wird es vielleicht nie sein.

Für jemanden, der sich als konservativer Unternehmer bezeichnet, ist Nils Planzer sehr entschlussfreudig. Innerhalb von nur fünf Tagen traf der Chef und Hauptaktionär der Logistikfirma Planzer einen überraschenden und schwerwiegenden Entscheid: Planzer, der grösste private Schweizer Konkurrent der Post, übernahm Anfang Jahr unerwartet die glücklosen Wettbewerber Quickpac und Quickmail.

Noch kurz zuvor wollte Nils Planzer von dieser Akquisition nichts wissen – zu sehr verstiess sie gegen seine Prinzipien. Dabei gibt es auf den ersten Blick nur gute Nachrichten: Rund 4000 Mitarbeiter von Quickpac und Quickmail behielten ihren Job, und der ohnehin übermächtigen Schweizerischen Post blieb private Konkurrenz erhalten. Doch was eindeutig aussieht, war es nicht. «Wir haben uns eine Herkulesaufgabe auferlegt», sagt der 52-Jährige beim Gespräch in Planzers Umschlaglager in Zürich Altstetten.

Die Branche ist knallhart

Um Nils Planzers Konflikt nachzuvollziehen, muss man verstehen, wie hart der Wettbewerb in der Logistik ist. Jeder unternehmerische Schritt will gut überlegt sein, der Spielraum für Fehler ist klein. Eine Marge beim Betriebsgewinn (Ebit) von 5 Prozent gilt bereits als sehr gut.

Dabei erweckt auch in Altstetten alles den Anschein, als würde die Übernahme klar Sinn ergeben. Mit Güterwaggons wird in der Nacht eine Frachtflut in die riesige Halle geliefert: viele Paletten voll Waren, aber auch sehr viele Pakete. Sie rutschen über ein weitverzweigtes Geäst von Förderbändern, werden sortiert und den Lastwagen und Transportern zugeteilt. Auch einige Quickpac-Lieferwagen rollen umher. Bald werden sie auf Planzer-Paket-Design umlackiert.

Die Firma Planzer existiert seit 1936. Aber erst seit 2018 trägt sie auch Pakete aus, um von dem wachsenden Markt zu profitieren. Rentabel ist das noch nicht. «Bei Planzer Paket haben wir noch nicht bewiesen, dass wir wirtschaftlich erfolgreich sein können», sagt der CEO. Das war sein Vorbehalt gegen eine Quickpac-Übernahme: «Wir wollten erst etwas kaufen, wenn wir das Geschäft können.»

Dennoch sprang Nils Planzer über den eigenen Schatten. Hierzulande dominiert die Post die Zustellung von Paketen und Briefen. Ursprünglich wollte sie auch Quickpac und Quickmail vom Eigentümer Verium kaufen, einer Private-Equity-Gesellschaft, die für diese Unternehmen keine Zukunft mehr sah. Das Geschäft war schon vereinbart. Dann verbot überraschend die Wettbewerbskommission (Weko) den Kauf, weil die Post ihre marktbeherrschende Stellung ausgebaut hätte.

Damit wurde es auf einmal möglich, dass theoretisch ein grosser ausländischer Konkurrent Quickpac und Quickmail kauft. Die Deutsche Post und die französische Post sind in der Schweizer Paketzustellung mit ihren Ablegern DHL und DPD unterwegs. Auch GLS, dem Paketdienst der britischen Royal Mail, werden Ambitionen nachgesagt.

Schneller sein als die Konkurrenz

Dieses Risiko wollte das Familienunternehmen Planzer nicht eingehen – und griff kurzentschlossen zu. Auch die Firma Quickpac, die eher kleinere Pakete in den Zentren der Deutschschweiz ausliefert, macht derzeit Verlust. «Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass Planzer Paket und Quickpac zusammen schneller kostendeckend sein werden als getrennt», sagt Nils Planzer.

Der Firmenchef ist beim Paketgeschäft grundsätzlich optimistisch – weiss aber, dass es einen langen Atem braucht. Planzer liefert schweizweit, die Grundkosten sind hoch. Nur ausreichende Transportmengen und ein dichtes Transportnetz versprechen langfristig Gewinn. «Es ist unser Ziel, dass wir bei den Paketen übernächstes Jahr kein Geld mehr verlieren», so der CEO.

Pakete machen bis jetzt noch weniger als 10 Prozent von Planzers Umsatz aus. Rund die Hälfte wird mit dem Transport von Stückgut auf der Strasse und der Schiene innerhalb der Schweiz erwirtschaftet, meist für kleinere Unternehmenskunden. Aber es gibt auch grosse Klienten: Im Dezember gründete Planzer ein Joint Venture mit dem marktbeherrschenden Medikamentenhändler Galenica für den Arzneimitteltransport.

Planzer hatte vor der Übernahme von Quickpac und Quickmail einen Umsatz von 1,1 Milliarden Franken sowie 5900 Mitarbeiter. Rund 1500 von ihnen waren im dritten Standbein der Firma tätig: der Lagerlogistik. Sie steuert 25 Prozent zum Erlös bei. Planzer betreibt Lagerhäuser für Unternehmen – und weil auch immer mehr kleinere Firmen ihre Lagerhaltung komplett auslagern, sieht der Chef hier grosses Potenzial.

Der Zufall legte den Grundstein zum Erfolg

Ausserdem sortiert Planzer Güter und verpackt sie um. Dazu gehört zum Beispiel, für einen Lebensmittelkonzern Pappaufsteller zu falten und mit Packungen von Saucenpulver zu befüllen. Die Aufsteller werden dann in den Supermärkten aufgeklappt. Vieles an diesem Co-Packing ist schon automatisiert, aber vieles bleibt Handarbeit.

Nils Planzer hat ein Erbe zu bewahren: Er führt das Familienunternehmen in der dritten Generation und leitet auch den Verwaltungsrat. Der Zufall war es, der den Grossvater Max Planzer senior im Jahr 1928 aus dem Urnerland nach Dietikon nahe Zürich geführt hatte. Noch heute ist dort die Firmenzentrale. Dietikon war für das Fuhrunternehmen perfekt gelegen: mitten auf der Mittellandachse, wo die Wirtschaft immer lauter brummte.

In der zweiten Generation profitierten Vater und Onkel von der guten Lage. Planzers Lastwagen fuhren seltener leer als jene der Konkurrenz, die erst aus dem Umland herankommen mussten. Die Branche war stark fragmentiert, und durch Übernahmen wuchs Planzer schnell. 1971, relativ früh, kaufte man eine Firma in Genf. Die Filiale ganz im Westen machte es möglich, dass die Wagen wieder voll beladen in die Deutschschweiz zurückfuhren.

Nach einer weiteren Konsolidierungswelle bildet Planzer heute mit Galliker Transport aus der Zentralschweiz und Camion Transport aus der Ostschweiz das private Logistik-Gegengewicht zur Schweizerischen Post.

Ein Schlüssel zum Erfolg: das Lokale betonen. Nach all den Übernahmen operiert das Unternehmen heute unter mehr als einem Dutzend Marken – angefangen bei Gebr. Kuoni Transport im Bündnerland bis Marti Logistik im Seeland. Eine Vereinheitlichung auf «Planzer» oder selbst der Zusatz «Tochter von Planzer» sind ausgeschlossen. «Der Schweizer mag das Kleinteilige, das Persönliche», erklärt der Chef. Planzer bietet seine Website in fünf Sprachen an: Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch – und Schweizerdeutsch.

An anderer Stelle betritt der CEO sehr wohl Neuland. Neben Quickpac hat Planzer auch die erwähnte Firma Quickmail übernommen. Deren Austräger, die diesen Job oft nur wenige Stunden in der Woche machen, bringen Werbesendungen, Kataloge und Zeitschriften sowie Briefe von mehr als 50 Gramm Gewicht in die Schweizer Haushalte. Unterhalb dieser Grenze greift das Briefmonopol der Schweizerischen Post. Dessen Abschaffung würde Quickmail sehr helfen.

Für Planzer ist die Briefzustellung ein ganz neues Geschäft. Eingelassen hat man sich darauf freiwillig – Quickmail hätte auch einfach in Konkurs gehen können. «Es braucht sicher ein bis zwei Jahre, bis wir das Geschäft verstehen», räumt der Firmenchef ein. Früher habe Quickmail schon einmal Geld verdient, sei dann aber wegen der generell sinkenden Briefmengen in den roten Bereich gerutscht.

Ein günstiger Gelegenheitskauf

Immerhin war die Expansion günstig zu haben. Planzer hat für Quickmail und Quickpac nicht viel bezahlt. Der genaue Kaufpreis bleibt geheim. Doch weil die Zeit drängte, hat Planzer nur einen Preis für die Vermögenswerte der Firmen entrichtet – und davon gab es nicht viele. Aufgrund der Synergien durch die Zusammenführung wird die Zahl der 4000 Mitarbeiter von Quickmail und Quickpac, die angesichts der vielen Teilzeitpensen nur 680 Vollzeitstellen entsprechen, künftig wahrscheinlich sinken. Aber das wird laut dem CEO durch die natürliche Fluktuation erfolgen, die in der Branche eher hoch sei.

Expansion kann aber auch Probleme bringen: In den vergangenen zwei Jahren kritisierten Chauffeure von Planzer Paket ihren Arbeitgeber, weil die Arbeitsbedingungen schlecht und die Zustände bei Beladung und Auslieferung chaotisch seien. Der Firmenchef gibt zu, dass das Management damals mit dem schnellen Wachstum überfordert gewesen sei – aber es seien nie systematische oder kriminelle Fehler gemacht worden.

In den etablierten Bereichen wie der Lagerlogistik und dem Stückguttransport sei das Unternehmen immer sehr korrekt gewesen. Als geiziger und unfairer Arbeitgeber schiesse man sich ins eigene Knie, argumentiert der CEO. «Wir gewinnen nur, wenn die Fahrer stolz sind, bei uns zu arbeiten», sagt Nils Planzer. Und fügt in seiner direkten Art hinzu: «Es verleidet ja auch den Restaurantbesuch, wenn die Serviertochter eine Scheisslaune hat.»

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