Truong My Lan kam in kurzer Zeit zu einem riesigen Vermögen. Alles nur durch Korruption, lautet der Richterspruch. Das Verhängen der Todesstrafe zeigt, wie ernst es der regierenden Partei ist, den «Wildwest-Kapitalismus» zu beseitigen.

Vietnams Machthaber werden ihre Antikorruptionskampagne ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Folgen weiterführen. Das ist die Botschaft des Todesurteils gegen die Magnatin Truong My Lan, das ein Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt in der vergangenen Woche verhängt hat. Die 67-Jährige, die ihr Vermögen mit Immobilien und einem Finanzinstitut angehäuft hatte, war wegen Bestechung, Veruntreuung sowie Verstosses gegen Bankgesetze verurteilt worden.

Todesurteile werden in Vietnam vor allem wegen Mordes und Terrorismus verhängt, weshalb das harsche Verdikt die Dimension des Falles zeigt. Auch die Staatsmedien berichteten ausführlich über den fünfwöchigen Prozess, was ungewöhnlich ist. Neben Lan standen in dem Prozess 84 weitere Personen vor Gericht, unter ihnen ihr Mann, ein Geschäftsmann aus Hongkong, sowie eine Nichte.

Seit 2013 läuft die Antikorruptionskampagne

An der Spitze der Antikorruptionskampagne, die 2013 begonnen hat und 2018 auf die Privatwirtschaft ausgedehnt wurde, steht mit Nguyen Phu Trong der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams. «Der beispiellose Schauprozess gegen Lan belegt, dass die Kampagne weitergehen wird, um den in Teilen vorherrschenden Wildwest-Kapitalismus zu beseitigen. Trong geht es um die Wiederherstellung des Primats der Kommunistischen Partei», sagt Florian Feyerabend. Er leitet in Hanoi das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Der 80-jährige Trong macht bei dieser Kampagne auch vor Vertrauten nicht halt. Vor rund drei Wochen musste nach gerade einmal einem Jahr im Amt Staatspräsident Vo Van Thuong zurücktreten, weil er gegen parteiinterne Regeln verstossen hatte, also korrupt war. Er galt als Verbündeter des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei und war als dessen Nachfolger im Gespräch. Der gesundheitlich angeschlagene Generalsekretär scheidet spätestens beim nächsten Parteikongress 2026 aus dem Amt.

Die zum Tode verurteilte Lan hatte als junge Frau in ihrer Heimatstadt Ho-Chi-Minh-Stadt zunächst der Mutter beim Verkauf von Kosmetikartikeln geholfen. Später startete sie eine Karriere als Immobilienentwicklerin. 1992 gründete sie die Van Thinh Phat Group, die auf den Bau luxuriöser Wohngebäude, Büros, Einkaufszentren und Hotels spezialisiert war.

Lan muss über exzellente Beziehungen zur Kommunistischen Partei verfügt haben, sonst wäre sie nicht an die Grundstücke gekommen, die in Vietnam dem Staat gehören. Einige von den 156 Bauplätzen befinden sich in den besten Vierteln des einstigen Saigon. Es müssen Bestechungsgelder geflossen sein. Über die Hintergründe ist nichts bekannt.

2012 stieg Lan durch die Saigon Joint Stock Commercial Bank (SCB) in die Finanzbranche ein. Obwohl es in Vietnam Grenzen für Beteiligungen an Banken gibt, gelang es Lan, über 27 Bevollmächtigte mehr als 90 Prozent der Anteile an dem Finanzinstitut zu halten; es war gemessen an den Vermögenswerten bis zu ihrer Verhaftung im Oktober 2022 die viertgrösste Bank Vietnams.

Zum Verhängnis wurde Lan zweierlei: Erstens gab ihr Immobilienunternehmen zwischen 2018 und 2020 durch die Bank 25 Anleihen für umgerechnet 1,24 Milliarden Dollar aus, die inzwischen beinahe wertlos sind. In einem separaten Prozess sollen die Fälle von 42 000 Investoren behandelt werden. Manche haben ihre gesamten Ersparnisse verloren.

Zweitens hat Lan die Bank um 12,5 Milliarden Dollar betrogen, die 93 Prozent ihrer Kredite an das Immobilienunternehmen der Magnatin ohne Sicherheiten, Rückzahlungspläne oder Due-Diligence-Prüfungen vergeben hatte. Die SCB geriet in Schieflage und steht nun unter Aufsicht der Zentralbank. Beim Prozess erklärte die Staatsanwaltschaft, dass sich der durch den Betrug verursachte Gesamtschaden auf 27 Milliarden Dollar beläuft.

Beamte haben Angst

Um die schlechte finanzielle Lage des Kreditgebers zu verschleiern, bestach Lan verschiedene staatliche Rechnungsprüfer und Inspektoren. So erhielt eine hochrangige Inspektorin bei der Zentralbank umgerechnet 5,2 Millionen Dollar. Eine solch schamlose Bereicherung bringt die Kommunistische Partei in die Bredouille. Deshalb treibt Trong die Kampagne voran, auch wenn sie Vietnams Wirtschaft lähmt.

Die Folgen sind zu spüren: Beamte sind nicht bereit, Entscheide zu treffen, weil sie sich vor möglichen Konsequenzen ängstigen. Das Todesurteil gegen Lan wird sie in ihren Vorbehalten bestärken und weiter lähmen. Der harsche Spruch könnte denn auch kontraproduktiv sein. Und ausländische Investoren, die bei ihrer Suche nach alternativen Produktionsstandorten zu China Vietnam favorisieren, müssen erkennen, dass es mit der vielgerühmten politischen Stabilität zunächst einmal vorbei ist.

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