Freitag, Januar 10

Daniel Cole / Reuters

Gleich fünf Brände wüten in der Metropolregion Los Angeles, sechs Menschen sind gestorben, Tausende Häuser wurden zerstört, es dürfte das teuerste Feuer der amerikanischen Geschichte werden. Der Wetterbericht macht auch für die kommenden Tage wenig Hoffnung.

Es sind Bilder wie aus dem Drehbuch eines Thrillers zur Apokalypse: Mitten in Los Angeles brennen Tausende Häuser lichterloh, das Riesenrad und der Pier im Stadtteil Santa Monica sind in dichten Rauch gehüllt. Selbst die Lampen, die das legendäre Hollywood-Schild in den Hügeln anstrahlen, haben die Flammen schon verschlungen.

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Los Angeles wurde am Donnerstag den dritten Tag in Folge von schweren Bränden heimgesucht. Gleich fünf Feuer setzen dem County zurzeit zu. Drei davon waren am Donnerstagmorgen (Ortszeit) noch überhaupt nicht eingedämmt, die anderen beiden gerade einmal zu 10 beziehungsweise 40 Prozent. Am Donnerstagabend (Ortszeit) kam ausserdem ein neuer Brand hinzu: Westlich von Los Angeles breitete sich das «Kenneth Fire» aus. Das Los Angeles County ist das bevölkerungsreichste in den Vereinigten Staaten, gut 10 Millionen Menschen leben auf einer Fläche von 10 500 Quadratkilometern, was etwa einem Viertel der Schweiz entspricht. Manche Stadtteile sähen aus, als habe jemand «eine Bombe fallen lassen», so beschrieb es der Sheriff Robert Luna.

Sechs Personen sind bisher ums Leben gekommen, rund 10 000 Gebäude sind abgebrannt, und 180 000 Menschen wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Die Feuer werden zusammengenommen wahrscheinlich auch die teuersten in der amerikanischen Geschichte werden: Die zerstörten Gebäude, darunter auch teure Villen, dürften einen Versicherungsschaden von 20 Milliarden Dollar ergeben, berichtete das «Wall Street Journal». Der gesamte wirtschaftliche Schaden wird sich wohl gar auf mehr als 50 Milliarden Dollar belaufen. Der Gouverneur Gavin Newsom beorderte alle zur Verfügung stehenden Ressourcen nach Südkalifornien: Mehr als 7500 Feuerwehrleute sind dort zurzeit im Einsatz, unterstützt von 31 Löschhelikoptern und 6 Löschflugzeugen.

Eine positive Entwicklung hatte die Feuerwehr am Donnerstag jedoch zu vermelden: Das «Sunset Fire» im Stadtteil Hollywood und den angrenzenden Hollywood Hills, das sich noch am Mittwochabend rasend schnell ausgebreitet hatte, war so weit eingedämmt, dass die Evakuierungsanordnungen aufgehoben wurden. Berichte in den sozialen Netzwerken, dass das legendäre Hollywood-Schild selbst in Flammen stehe, erwiesen sich als Fake News.

Der Schaden an den zerstörten Gebäuden dürfte sich laut einem Bericht auf über 20 Millionen Dollar belaufen.

Doch die Wetteraussichten für die nächsten Tage bleiben düster: Für Donnerstagabend (Ortszeit) sind erneut Windböen von bis zu 100 Kilometern pro Stunde angesagt, die die Flammen voranpeitschen werden. Auch für die kommenden Tage sagt der Wetterbericht für Südkalifornien keinen Regen, dafür aber starke Winde voraus. Die Feuerwarnungen wurden gar auf die Region San Diego ganz im Süden des Gliedstaats ausgeweitet.

Das Ergebnis einer teuflischen Mischung

Die schweren Brände sind das Ergebnis einer aussergewöhnlichen Mischung von Ereignissen: Seit acht Monaten hat es in Südkalifornien praktisch nicht geregnet. Das ist ungewöhnlich – eigentlich ist die Zeit zwischen Dezember und April Regensaison. In den zwei Jahren zuvor wiederum gab es viel Niederschlag, die Vegetation war dadurch stark gewachsen – und bot nun zusätzliches Brennmaterial.

Gleichzeitig waren die Santa-Ana-Winde, die im Winter in der Region typisch sind, jüngst besonders stark – so stark, dass sich ein weiteres Wetterphänomen bildete: «mountain waves», zu Deutsch Leewellen. Dabei stürzen heftige Windböen wie Wellen von den Bergen der San Gabriel Mountains herab und gewinnen an Stärke, wenn sie auf eine flache Landschaft treffen. Das könne zu «kurzen Ausbrüchen sehr starker, gefährlicher Winde» führen, hatte der Meteorologe Rich Thompson des National Weather Service Anfang der Woche zu bedenken gegeben. Genau so kam es: Windböen von bis zu 160 Kilometern pro Stunde wurden am frühen Mittwochmorgen in der Stadt Altadena gemessen.

Seit acht Monaten hat es im Süden von Kalifornien praktisch nicht geregnet – unter anderem eine Ursache für die schweren Brände.

All das waren ideale Voraussetzungen dafür, dass sich bereits herrschende lokale Kleinbrände rasend schnell ausbreiteten. Es war, als würde man ein Streichholz in einen riesigen Haufen mit Brennholz werfen und heftig Luft dazuwedeln.

Das teuflische Gemisch führte auch dazu, dass die Winde die glühende Asche bisweilen vier oder fünf Kilometer in andere Stadtteile bliesen, die von Bränden üblicherweise verschont bleiben und entsprechend schlecht vorbereitet waren.

Insbesondere das «Palisades Fire», das entlang des wohlhabenden Küstenviertels Pacific Palisades tobt, breite sich komplett erratisch aus, erklärte Erik Scott, ein Sprecher des Los Angeles Fire Department, gegenüber der «Los Angeles Times». «In zwanzig Jahren bei der Feuerwehr habe ich so etwas noch nie gesehen», sagt Scott. Einzig im Jahr 2018, als schwere Brände unter anderem die Küstenstadt Malibu verwüstet hatten, habe er schon einmal annähernd so starke Winde erlebt. Damals wurden 1500 Häuser zerstört, unter anderem auch das des deutschen Entertainers Thomas Gottschalk.

Stars verfolgen im Fernsehen, wie ihre Villen abbrennen

Auch diesmal haben Tausende Menschen in nur 72 Stunden ihre Häuser verloren, unter ihnen zahlreiche Stars. Die Hotel-Erbin Paris Hilton schrieb auf Instagram, sie habe mit ihrer Familie live im Fernsehen verfolgt, wie ihr Haus in Malibu abgebrannt sei. Auch der Schauspieler Billy Crystal beklagte in einem Fernsehinterview den Verlust seines Hauses, in dem er mit seiner Frau seit 1979 gelebt und in dem er seine Kinder und Enkelkinder grossgezogen habe.

Besonders bizarr mutet an, wie scheinbar willkürlich die Flammen einzelne Häuser zerstört und andere verschont haben. Fernsehbilder zeigen, wie von manchen Anwesen nur noch der Kamin aus Backsteinen steht, manche angrenzende Nachbarhäuser blieben hingegen völlig unversehrt. Das erklärt sich einerseits mit den Santa-Ana-Winden, die sehr lokal ausfallen können. Andererseits aber auch mit Brandschutzmassnahmen, die Hausbesitzer unterschiedlich umsetzen: So kann man Häuser etwa mit schwer entflammbarer Farbe anstreichen oder auch das Gestrüpp zu den Nachbarhäusern stark zurückschneiden.

In manchen Regionen Kaliforniens sind solche Massnahmen vorgeschrieben, und die Einhaltung wird von Behörden streng kontrolliert. Doch in der Metropolregion Los Angeles scheint man die Feuergefahr als weniger bedrohlich erachtet zu haben.

Tausende von Bewohnern mussten ihre Häuser verlassen – weitere halten sich auf eine mögliche Evakuierung bereit.

Trump nutzt die Brände für eine Schelte gegen den kalifornischen Gouverneur

Die Brände in Los Angeles werden zunehmend auch zum Politikum. So wurde etwa die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, unter anderem heftig dafür kritisiert, dass sie von einer Dienstreise nach Ghana nicht umgehend zurückgekehrt war. Auch Donald Trump, der in wenigen Tagen seine zweite Amtszeit als Präsident antritt, nutzte die Gelegenheit, um seine Fehde gegen Kalifornien und insbesondere den Gouverneur Gavin Newsom aufleben zu lassen. Er warf ihm eine fehlgeleitete Politik vor, welche zu der Katastrophe geführt habe. Der amtierende Präsident Joe Biden hingegen sicherte Kalifornien jegliche Unterstützung aus Washington zu, darunter zusätzliche Einsatzkräfte des US Forest Service.

Biden kündigte an, dass die Regierung die kompletten Kosten für die Wiederherstellung für einen Zeitraum von 180 Tagen übernehmen werde. Dies umfasse unter anderem die Beseitigung von Trümmern, die Entfernung von Gefahren sowie Massnahmen zum Schutz von Leben und Eigentum. Der US-Präsident sagte ausserdem, er werde den Kongress um Unterstützung bei der Bewältigung der Brände bitten. Laut Biden wurden seit Ausbruch der Feuer 360 000 Personen in Sicherheit gebracht.

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