Donnerstag, Juli 4

Die EU will koordinierter gegen Drogenhandel vorgehen und intensiviert den Kampf gegen die kriminellen Netzwerke. Neu gibt es dafür auch die EU-Drogenagentur.

Die Tatsache, dass illegale Drogen in Europa überall und fast zu jeder Zeit erhältlich sind, egal ob in der Grossstadt oder in der Provinz, zeigt den durchschlagenden Erfolg der kriminellen Netzwerke auf dem Markt. Würde es sich um Substanzen handeln, die eine Firma legal produziert und vertreibt, wäre das eine Erfolgsgeschichte.

Europol schätzt, dass kriminelle Netzwerke jährlich mindestens 30 Milliarden Euro mit illegalen Drogen umsetzen. Es ist für diese die wichtigste Einnahmequelle. Dabei sind die Kriminellen nicht einmal auf hohe Preise angewiesen, um diesen Umsatz zu erzielen. Die Preise für Cannabis und Kokain haben in den letzten Jahren auf verhältnismässig tiefem Niveau stagniert, dafür sind die Qualität und die Reinheit gestiegen. Eine Linie Kokain kostet inzwischen weniger als eine Stange Bier. Ein Gramm Kokain ist in gewissen europäischen Städten laut der EU-Drogenbeobachtungsstelle für weit unter 100 Franken erhältlich.

Cannabis ist die meistkonsumierte illegale Substanz in Europa, vor Kokain, das seit einigen Jahren ein Comeback erlebt. Wie die EU-Drogenbeobachtungsstelle Mitte Juni meldete, zählt Kokain zudem zu den gefährlichsten Drogen in Europa. 2022 wurde Kokain bei einem Fünftel der Todesfälle durch Drogenkonsum nachgewiesen.

323 Tonnen Kokain beschlagnahmt

Seit Jahren steigt die beschlagnahmte Menge an Kokain in Europa. Zum sechsten Mal in Folge waren es gar Rekordmengen: Für 2022 wurden 323 Tonnen gemeldet, die Polizei und Zoll hauptsächlich in europäischen Häfen sicherstellten. Im letzten Jahr wurden 180 Tonnen Kokain alleine in den Niederlanden und Belgien beschlagnahmt und vernichtet. Trotzdem scheint das Angebot noch so gross, dass sich die Preise kaum verändern.

Kokain gelangt vorwiegend in Frachtcontainern aus Südamerika nach Europa, transportiert auf Handelsschiffen, die Tausende dieser Container an Bord haben. Kontrollen erfolgen höchstens stichprobenartig. Wie die Drogenbeobachtungsstelle der EU in ihrem aktuellsten Bericht schreibt, steigen in Ländern mit grossen Containerhäfen die Drogenkriminalität, die Korruption entlang der Drogenlieferketten sowie Einschüchterung und Gewalt. Im Gross- und Einzelhandel spielt zudem der Wettbewerb.

Bei legalen Gütern ist Wettbewerb erwünscht. Das senkt in der Regel den Preis und erhöht die Qualität der Güter. Anders ist das bei illegalen Substanzen: Hier hat der Wettbewerb tödliche Folgen. Der Handel von Kokain bedroht die öffentliche Sicherheit.

Mindestens 821 Netzwerke handeln mit Drogen in Europa

Die europäische Polizeibehörde Europol hat in den letzten Jahren die Netzwerke des organisierten Verbrechens intensiv analysiert. Wie aus einem Bericht vom April hervorgeht, sind in Europa mindestens 821 schwerkriminelle Netzwerke aktiv. Laut dem Bericht haben diese Netzwerke mindestens 25 000 Mitglieder, die die Bürger und die Rechtsstaaten in Europa bedrohen. Sie agierten hochprofessionell, flexibel, zerstörerisch und skrupellos aus dem Untergrund.

Seit einiger Zeit intensiviert die EU den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Nicht nur wird Zeit und Geld investiert, um die Netzwerke zu analysieren. Seit 2020 betreibt Europol auch ein Kompetenzzentrum für Finanz- und Wirtschaftsverbrechen. Zudem wurde die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) aufgewertet: Seit dem 2. Juli hat sie den Status einer EU-Agentur und wird nun als Drogenagentur geführt. Dies bedeutet, dass die Behörde mit Sitz in Lissabon zukünftig über mehr finanzielle Mittel verfügt.

Der Schwerpunkt der Beobachtungsstelle waren bisher unter anderem Gesundheitsfragen. Nun soll die Behörde sich vermehrt auch mit dem Drogenangebot befassen und enger in die Verbrechensbekämpfung einbezogen werden. Die EU geht davon aus, dass mehr Daten in Bezug auf das Angebot helfen, Ansätze zu finden, um die Verfügbarkeit von Drogen innerhalb der Europäischen Union zu verringern und letztlich die Drogennachfrage einzudämmen – kein einfaches Unterfangen angesichts der Macht der kriminellen Netzwerke.

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