Erstmals hat Zürichs Stadtbibliothek die Beschaffung ihres Angebots öffentlich ausgeschrieben.
In der Zürcher Pestalozzi-Bibliothek (PBZ) hat sich dieser Tage ein Paradigmenwechsel vollzogen, welcher die Buchhandlungslandschaft in der Stadt verändern könnte. Ab Juni bezieht die Bibliothek mit 14 Standorten in Zürich ihre Bücher, elektronischen Medien, CD und Computerspiele nicht mehr primär bei lokalen Buchläden, sondern grösstenteils bei der Orell Füssli AG.
Es ist das erste Mal, dass die PBZ die Beschaffung ihrer Medien öffentlich ausgeschrieben hat. Bisher galten schriftliche und mündliche Abmachungen mit Buchläden, die sich in der Umgebung von PBZ-Standorten befinden. Aus finanziellen Gründen hat sich die PBZ im vergangenen Jahr dazu entschlossen, den Einkauf auszulagern.
Im November wurde das Submissionsverfahren europaweit auf der Plattform Simap ausgeschrieben. Das Auftragsvolumen umfasst 800 000 Franken pro Jahr über fünf Jahre hinweg. An einer öffentlichen Ausschreibung des Auftrags führe deshalb kein Weg vorbei, erklärte der PBZ-Direktor Felix Hüppi Anfang Woche gegenüber der NZZ. Mit öffentlichen Geldern gelte es schliesslich «fair und transparent» umzugehen. Die Bibliothek wird zu 90 Prozent von der Stadt subventioniert. Pro Jahr erhält sie 10,6 Millionen Franken.
«Diesen Verlust werden wir so schnell nicht kompensieren können»
Das ist für Ruth Schildknecht ein schwacher Trost. Sie führt die Buchhandlung Nievergelt in Oerlikon, welche bis anhin zu den Lieferanten der PBZ gehörte.
Sie sei enttäuscht, dass sie den Zuschlag nicht erhalten habe, sagt Schildknecht. Etwa 13 bis 15 Prozent des Umsatzes generiere die Buchhandlung mit den Aufträgen der PBZ. «Diesen Verlust werden wir so schnell nicht kompensieren können.» Die Situation im Einzelhandel sei ohnehin schwierig. Eine Einbusse dieser Grössenordnung treffe den Laden damit umso härter.
Dass Orell Füssli einen Grossteil der PBZ-Aufträge ergattern konnte, überrasche sie nicht, sagt die Buchhändlerin. «Kleine Läden wie der unsere können mit den Möglichkeiten eines Orell Füssli nicht mithalten.» Dieser könne grosse Mengen an Büchern zu besseren Konditionen einkaufen.
Immerhin, bis im Mai gelte die derzeitige Vereinbarung zwischen der Buchhandlung und der PBZ noch. «Das gibt uns Zeit zu überlegen, wie wir künftig vorgehen», sagt Schildknecht. Klar sei, dass es nun Kosten zu reduzieren gelte.
Petition mit über 4000 Unterschriften
Schildknecht ist nicht die Einzige, die sich über die neue Beschaffungsstrategie der PBZ ärgert. 14 unabhängige Buchhandlungen der Stadt Zürich – darunter die Buchhandlung Nievergelt, aber auch der Travel Book Shop, der die PBZ weiterhin beliefern darf – haben deshalb eine Online-Petition gestartet. Innerhalb von vier Tagen sind über 4000 Unterschriften eingegangen. Zu den Unterstützern gehören auch Prominente wie der Autor Franz Hohler oder der Publizist und ehemalige SRG-Generaldirektor Roger de Weck.
In der Politik stiess das Ansinnen der Buchhändlerinnen und Buchhändler nicht nur auf Zuspruch. Kritisiert wurde insbesondere, dass die Buchhandlungen durch die bisherige Handhabe der PBZ indirekt durch öffentliche Gelder mitfinanziert worden seien. So argumentierte der SVP-Parlamentarier Stefan Urech, es sei keine staatliche Aufgabe, Geschäfte mit Steuergeldern künstlich am Leben zu erhalten.
Anders sah es der grüne Kantonsrat Thomas Forrer, der die Petition der Buchhändler als einer der Ersten unterschrieb. Die kleinen Buchläden seien ein wichtiger Teil der Stadtkultur, und einer städtischen Bibliothek stehe es gut an, lokal einzukaufen.
Ganz so lokal wie bisher bezieht die PBZ ihr Angebot nun zwar nicht mehr. Den Zuschlag für Fachbereiche wie Reiseliteratur, Comics oder Bilderbücher und Kinderhörmedien haben der Travel Book Shop im Zürcher Niederdorf, die Stähli Interlingua AG mit Sitz in Ziegelbrücke und Knecht + Co. Comic-Mail aus dem aargauischen Schwaderloch erhalten.
Die im Vorfeld der Vergabe geäusserte Befürchtung, der Auftrag könnte an internationale Grössen wie Amazon gehen, hat sich nicht bewahrheitet.