Nike hat ein Imageproblem. Nun spannt das Unternehmen mit Kim Kardashian zusammen – um noch einmal Geschichte zu schreiben.
Es gab eine Zeit, da war Nike bieder und langweilig. Das Unternehmen stellte zwar einwandfreie Laufschuhe her und war bei Athleten entsprechend beliebt. Doch das war’s dann auch. Nike: Diese Marke assoziierten die Leute mit Sport, aber nicht mit Stil.
Dann kam der Junge aus North Carolina. Michael Jordan, 1 Meter 98 gross, ein perfekter Wurf. Nike zahlte ihm eine hübsche Summe, um gemeinsam einen Basketballschuh zu entwerfen: den Air Jordan 1.
Der Schuh war der Anfang der erfolgreichsten Zusammenarbeit in der Geschichte des Sportmarketings. Michael Jordan machte Nike zur wichtigsten Marke im Basketballsport. Vor allem macht er Nike: endlich cool.
Das alles ist lange her. Vierzig Jahre, um genau zu sein. Heute ist Nike der grösste Sportartikelhersteller der Welt. Aber die glorreichen Zeiten sind vorbei. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Oregon verliert an Umsatz und, schlimmer, an Bedeutung. Wer heute etwas auf sich hält, trägt andere Marken.
Was Nike braucht, ist ein neuer Jordan-Moment. Doch Basketballer lösen heute keine Hypes mehr aus. Also hat sich der Sportriese anderswo umgeschaut. Und spannt nun mit einer Ikone aus einem ganz anderen Bereich zusammen: Kim Kardashian.
Influencerinnen statt Athleten
Mit Kardashian will Nike noch einmal Geschichte schreiben. NikeSkims heisst das Label, das aus der Zusammenarbeit hervorgeht. Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Nike für eine neue Marke mit einem externen Partner zusammenarbeitet – dieses Privileg hatte bisher nur Michael Jordan.
Skims selbst ist kein Neuling. Kardashian, 44, ist seit fünf Jahren das Gesicht und die kreative Kraft hinter der Marke. Verkauft wird figurformende Kleidung, sogenannte Shapewear. Die Teile sollen bequem sein und trotzdem gut aussehen. Damit passen sie perfekt in eine Zeit, in der alles gleichzeitig Selfie- und Sofa-tauglich sein muss. Skims setzte im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde Dollar um.
NikeSkims soll nun sportlicher werden als das Original, doch demselben Prinzip von Funktionalität und Stil folgen. Kleider, Schuhe, Accessoires – laut Ankündigung ist alles dabei.
Cristina Fernández beobachtet Nike für die Telsey Advisory Group, eine auf Konsumfirmen spezialisierte Analysefirma aus New York. Und obwohl es derzeit weder Bilder noch Preise zur ersten Kollektion gibt, sagt sie: «Die Zusammenarbeit hat das Potenzial, das Image von Nike bei Frauen grundlegend zu verändern.»
Bei ihnen kommt die Marke mit dem Swoosh schon länger nicht mehr an. Im Geschäftsjahr 2024 trugen Frauen gerade einmal ein Fünftel zum Gesamtumsatz von Nike bei. Das Unternehmen hat erhebliche Marktanteile an Konkurrenten wie Lululemon oder Alo Yoga verloren. Marken, die zeigen: Funktionale Sportbekleidung kann auch gut aussehen.
Für Nike könnte Kardashian darum ein Glücksgriff sein. Frauen – und Männer – kaufen, was ihnen zuvor im Internet aufgefallen ist. Und dort ist Kardashian unschlagbar: 356 Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram. Das sind mehr, als die USA Einwohner haben.
Doch die Kooperation ist mehr als nur ein PR-Stunt mit einer Influencerin. Sie ist ein Signal, dass Nike die Spielregeln neu aufstellt. Bisher setzte das Unternehmen bei seinen Botschaftern auf Spitzensportler. Neben Jordan warben auch Roger Federer und Serena Williams für die Marke.
Kim Kardashian passt da auf den ersten Blick nicht ins Bild. Sie gewann weder Titel noch Trophäen, aber sie hat eine andere Art von Ausnahmekarriere hinter sich. Bekannt wurde sie mit der Reality-Show «Keeping up with the Kardashians», dem Sprungbrett der ganzen Familie. Doch nur Kim wurde zur globalen Marke. Sie ist eine Spitzenathletin in ihrer eigenen Disziplin, und die heisst Sichtbarkeit.
Sichtbarkeit, die Nike dringend benötigt.
Nike kämpft mit Trumps Zöllen
Das Unternehmen veröffentlichte im vergangenen Sommer Jahreszahlen und eine Prognose, die derart enttäuschend war, dass der Konzern innerhalb kurzer Zeit ein Fünftel seines Börsenwerts verlor. Nike fehlt es an einer klaren Vertriebsstrategie und einem Produkt, das sich nicht nur verkauft, sondern auch Fans hat. Nike fehlt es an einem Air Jordan.
Und die Probleme hören nicht auf. Nun macht auch noch Donald Trump mit seinen Strafzöllen Druck. Nike lässt 95 Prozent aller Produkte in Vietnam, Indonesien und China fertigen. Das ist bitter: Eigentlich sollte der Handelskrieg amerikanische Firmen stärken. Nike aber wird zum Verlierer.
Die Analystin Cristina Fernández sagt: «Für Nike wird es schwierig werden, die Zölle in Form von Preiserhöhungen weiterzugeben.» Das Unternehmen versuche zurzeit, mit Rabatten seine hohen Lagerbestände abzubauen. «Doch im unteren Preissegment reagieren die Kunden empfindlich auf Veränderungen.»
Kein Wunder also, dass Nike nun alles auf Kardashian setzt. Schon die Ankündigung der Zusammenarbeit reichte, um den Aktienkurs von Nike kurzzeitig steigen zu lassen. Ein kleiner Hype, ausgelöst durch ein grosses Versprechen.
Kanye West war top, Beyoncé ein Flop
Promis und Sportmarken: Das kann funktionieren, aber es kann auch schiefgehen. Das bekannteste Beispiel liefert Kardashians Ex-Mann Kanye West. Auch er war einst bei Nike unter Vertrag, wechselte dann aber zu Adidas, angeblich, weil er dort mehr kreative Freiheit hatte. Im Jahr 2015 lancierten West und Adidas die Yeezy-Linie.
Die Turnschuhe mit den klobigen Sohlen wurden schnell Kult. Dann kam der Absturz. Als West statt mit Musik mit antisemitischen Aussagen auf sich aufmerksam machte, trennte sich Adidas von ihm. Das kostete den Konzern laut eigenen Angaben 1,2 Milliarden Euro Umsatz – in nur einem Jahr.
Auch Beyoncé spannte einst mit Adidas für die Marke Ivy Park zusammen. Doch trotz der Berühmtheit der Sängerin und einer teuren Kampagne floppte die Kollektion.
Was entscheidet also über Erfolg und Misserfolg? Die Analystin Cristina Fernández sagt: «Am Ende zählen Qualität und Preis.» Nike habe heute mehr Konkurrenz als früher, auch durch jüngere Marken wie On und Hoka. «Doch der Name Nike hat noch immer Gewicht. Es ist wahrscheinlich, dass die Kunden bei neuen und überzeugenden Produkten zurückkehren.»
Mama Jordan handelte den Deal aus
Die erste Kollektion von NikeSkims soll noch diesen Frühling in den USA erscheinen. In anderen Ländern wird sie ab kommendem Jahr erhältlich sein. Dann wird sich zeigen, ob es reicht für einen weiteren Jordan-Moment.
Was der Deal für Kardashian kommerziell bedeutet, bleibt vorerst geheim. Man kann ihr wünschen, dass sie so gut verhandeln kann wie einst Michael Jordans Mutter.
Der Legende nach war es nämlich nicht der Basketballspieler selbst, sondern Mama Deloris, die bei Nike den entscheidenden Deal durchgesetzt hat. Sie soll erreicht haben, dass ihr Sohn neben einem einmaligen Honorar auch eine prozentuale Beteiligung an jedem verkauften Schuh erhielt, der seinen Namen trug.
Schätzungen gehen davon aus, dass Michael Jordan damit bis heute mehr als 1,5 Milliarden Dollar verdient hat. Und so hofft nicht nur Nike auf eine Wiederholung des Jordan-Moments, sondern auch Kim Kardashian.