An den Hahnenkammrennen im österreichischen Nobelort steigen Budget, Preisgeld und Wertschöpfung alljährlich. Aber nicht in allen Bereichen wollen die Organisatoren Wachstum.
Ein Schnapserl am Pistenrand, einen Kaffee mit Schuss zum Wärmen von innen, und ringsum tobt das Skifest. Was für das Publikum in Adelboden oder Wengen zum Standard gehört, könnte in Kitzbühel an diesem Wochenende in eine Busse von bis zu 2000 Euro münden. Die Polizei hatte in der Vergangenheit rund um die Hahnenkammrennen so viele Einsätze wegen betrunkener Fans, dass die Stadtgemeinde in diesem Jahr ein Konsum- und Verkaufsverbot für harten Alkohol im öffentlichen Raum erliess.
Kitzbühel soll weiter für Superlative im Skisport stehen – die Ausreisser in den negativen Kategorien will man aber nicht mehr tolerieren. Längst wurden auch die Zuschauerplätze beschränkt, für die Abfahrt am Samstag auf 45 000; insgesamt sind an den drei Tagen rund 85 000 Menschen im Zielraum zugegen. Im Rekordjahr 1999 waren es 15 000 mehr, das konnte die Stadt, konnte das Rennen nicht mehr bewältigen.
In Kitzbühel ist alles etwas teurer, etwas schillernder. Die Abfahrtsstrecke gilt als die gefährlichste der Welt, auch wenn einige Fahrer diesen Superlativ eher Bormio zuschreiben. Das Preisgeld beträgt mittlerweile eine Million Euro – insgesamt über alle drei Tage, wohlgemerkt, der Skisport bleibt halt der Skisport. Es ist deutlich mehr als anderswo: Die meisten Veranstalter entrichten das vom Weltverband festgelegte Minimum von 144 000 Schweizerfranken pro Rennen, in Kitzbühel sind es 333 500 Euro; jeder der drei Sieger bekommt 100 000 Euro.
Harti Weirather sitzt an einem Tisch im Hotel Rasmushof mit Blick auf die Streif. Die blaue Stunde lässt die roten Sicherheitsnetze leuchten, Scheinwerfer beleuchten die Traverse, den Zielsprung. «Wir hatten schon Leute hier, die noch nie Schnee gesehen haben. Geschweige denn ein Skirennen. Aber wenn die da hochschauen und sehen, wie der Fahrer als schwarzer Punkt über die Hausbergkante kommt und sich dem Ziel nähert, dann verstehen sie den Sport und die Faszination.»
Die spektakuläre Strecke hat das Rennen zum Mythos gemacht. Dank Harti Weirather und seiner Vermarktungsagentur WWP wurde es auch zum Treffpunkt der Reichen und Mächtigen. 1982 hat er hier gewonnen, zehn Jahre lang gehörte ihm der Streckenrekord. Doch in dem Skifahrer steckte schon immer ein Unternehmer, als 13-Jähriger handelte er sich mit Kneissl frech einen Vertrag über fünf Paar Ski und 20 000 Schilling aus. Später setzte er sich erfolgreich dafür ein, dass die Athleten die Sponsorenfläche auf ihrer Stirn selber vermarkten dürfen.
Kitzbühel entdeckt die Influencer
Unmittelbar hinter der Tribüne im Zielgelände steht das VIP-Zelt, eine mittlerweile riesige Konstruktion, die in 16 Tagen in einem logistischen Sondereffort aufgebaut wird und in der pro Tag 1400 Gäste Platz finden. 7200 Euro kostet das Drei-Tages-Package, nochmals 2400 der Eintritt zur schicken Kitz Race Party am Samstagabend, wo die Sieger der Abfahrt gefeiert werden. Dafür plaudert man mit etwas Glück an der Bar im Skipulli mit dem CEO, bei dem man seit einem Jahr einen Termin zu bekommen versucht.
Dieser Treffpunkt war die ursprüngliche Vision von Harti Weirather und seiner Frau Hanni Wenzel, der Doppelolympiasiegerin, als sie die Vermarktung der Hahnenkammrennen mit WWP vor 26 Jahren übernommen hatten. Von Bernie Ecclestone oft zu Formel-1-Rennen eingeladen, sah Weirather dort all die Wirtschaftsgrössen versammelt, doch es fehlte ein Meeting-Point. Die Wirtschaftsmacht ist auch in Kitzbühel dabei, etliche haben im Nobelort zwei Stunden ausserhalb Münchens einen Feriensitz. Für sie wollte Weirather «die beste Sport-Hospitality der Welt» schaffen.
Verliefen die ersten zehn Jahre harzig, ist das VIP-Zelt heute immer ausgebucht, Prominente wie Arnold Schwarzenegger garantieren Glanz und Aufmerksamkeit. Seit neustem dabei: Influencer mit einem Millionenpublikum, um das Rennen für jüngere Skifans attraktiv zu machen.
Für die Jungen gibt es seit dem vergangenen Jahr im Zielraum auch einen Pop-up-Klub. Tagsüber mit Cocktailbar und einem Ski-Simulator, bei dem man mittels einer Virtual-Reality-Brille die Streif als Fahrer erleben kann. Abends als Klub mit DJ wie dem kürzlich zurückgetretenen Norweger Lucas Braathen.
Der grosse Trumpf, um ein derart heterogenes Publikum anzuziehen, ist der Bahnhof, der fast im Zielraum steht und den Leuten abends das Wegkommen ermöglicht. Die rund 9400 Gästebetten in Kitzbühel sind ausgebucht, wer spontan noch ein Restzimmer buchen möchte, blättert am Rennwochenende selbst in den Nachbardörfern mehrere hundert Euro pro Nacht hin. Eine Analyse zeigte, dass die Rennen der Region einen zusätzlichen Umsatz von 35 Millionen Euro ermöglichen.
Von der Anziehungskraft der Rennen profitieren viele. Während der ganzen Woche finden Veranstaltungen wie die Weisswurstparty oder die Kitz Legends Night statt, die nichts mit den Organisatoren oder den Vermarktern zu tun haben. Am Ende profitieren alle von allen.
So viel wie möglich fliesst ins Preisgeld
9,5 Millionen Euro beträgt das Veranstaltungsbudget, das stets leicht wächst, weil alles teurer wird. Es ist nicht viel mehr als ein Richtwert, der Aufwand kann je nach Witterung im Vorfeld und während der Rennen weit von der Planung abweichen. Die Einnahmen werden zu je einem Drittel durch die Eintritte, die Werberechte und die TV-Rechte generiert. Ausgegeben wird das Geld zu rund 30 Prozent für die Piste inklusive Absicherung. 50 Prozent fliessen in den Komfort der Zuschauer, in Toiletten etwa, die direkt an die Kanalisation angeschlossen sind. Der Rest wird für das Preisgeld ausgegeben – so viel wie möglich, dieses Credo hatte der organisierende Kitzbüheler Ski Club schon immer.
Grösser werden geht kaum mehr. «Die Qualität gibt das Limit vor», sagt Weirather. Potenzial erkennt er noch beim Freitagsprogramm, dort wechseln die Disziplinen immer wieder. Dieses Jahr findet eine Abfahrt statt.
Nächste Woche feiert Harti Weirather den 66. Geburtstag, bald wird er zum fünften Mal Grossvater, die frühere Skirennfahrerin Tina Weirather erwartet ihr erstes Kind. An den Hahnenkammrennen läuft immer noch viel über ihn, aus dem Tagesgeschäft aber zieht er sich mehr und mehr zurück. Die Agentur WWP ist im Sport längst ein globaler Player, im Portfolio hält sich der Skisport finanziell mit der Formel 1, dem MotoGP und dem Fussball ungefähr die Waage. «Emotional aber», sagt Weirather, «ist Kitzbühel immer noch das Wichtigste.»