Mittwoch, November 27

Marlene Engelhorn erbte als Nachfahrin des BASF-Gründers 25 Millionen Euro und fand das ungerecht. Sie wurde zur Aktivistin gegen Privilegien von Reichen. Nun haben 50 zufällig ausgewählte Personen die Erbschaft an diverse Organisationen verteilt.

Wie verschenkt man möglichst sinnvoll und gerecht 25 Millionen Euro? Über diese Frage haben seit Mitte März an insgesamt sechs Wochenenden fünfzig Personen aus ganz Österreich in einem Salzburger Hotel beraten. Vor zehn Tagen trafen sie eine Entscheidung, die am Dienstag bekanntgegeben wurde: Das Geld geht an insgesamt 77 Organisationen, darunter renommierte österreichische Hilfswerke wie die Caritas, die Diakonie, Frauenhäuser oder Reporter ohne Grenzen, aber auch an kleinere lokale Projekte wie Strassenzeitungen.

Der Prozess wurde von der Öffentlichkeit mit Interesse verfolgt, denn die Mittel wurden von Marlene Engelhorn zur Verfügung gestellt, einer 32-jährigen Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Die Industriellenfamilie kontrollierte auch die Firma Boehringer Mannheim, die 1997 an Roche verkauft wurde. Die 25 Millionen Euro erbte Engelhorn, als vor knapp zwei Jahren ihre Grossmutter starb.

Eine medial gefeierte Aktivistin

Das ist mittlerweile allgemein bekannt – denn die junge Wienerin freute sich nicht über das Geld, sondern ärgerte sich, wie sie Medien gegenüber oft erzählte. Sie fand es unfair. «Ich habe für dieses Geld keine Sekunde gearbeitet», erklärte Engelhorn. Seither kritisiert sie die ungerechte Verteilung von Vermögen und auch, dass Reiche nicht ausreichend besteuert würden. Sie habe dem Staat nicht einmal Erbschaftssteuer zahlen müssen, während viele mit Einkommen aus Arbeit nur knapp über die Runden kämen und trotzdem Steuern zahlen müssten. Sie sehe das als Versagen der Politik, kritisiert Engelhorn.

Über den Kontakt zu einem linken Wirtschaftsinstitut und zu anderen reichen Jungerben wird sie zur medial gefeierten Aktivistin, die sich unter anderem für eine stärkere Besteuerung von grossen Vermögen und weniger Einfluss von Superreichen einsetzt. Engelhorn beschloss auch, die eigene Erbschaft «rückzuverteilen» an die Gesellschaft, wo sie eigentlich hingehöre, wie sie sagt.

Die Entscheidung darüber, wie das geschehen soll, wollte sie aber nicht selbst treffen – sie hätte damit ihrer Ansicht nach jene Macht reicher Menschen ausgeübt, die sie kritisiert. Engelhorn setzte deshalb mit einigem Aufwand einen «Guten Rat für Rückverteilung» ein, der über die Verteilung der 25 Millionen Euro bestimmen sollte. Dafür wurden von einem sozialwissenschaftlichen Institut fünfzig Personen zufällig und möglichst repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ausgewählt, es sollte nach eigenen Angaben eine Art «Mini-Österreich» sein. Bei den Sitzungen ging es dem Rat nicht nur um die Verteilung von Engelhorns Erbschaft, es wurden auch Ideen für eine bessere Vermögensverteilung entwickelt.

Strukturell ändert Engelhorns Initiative nichts

Die Erbin selbst war nicht Teil des Prozesses. Am Dienstag äusserte sie sich erleichtert und dankbar für die Arbeit des «Guten Rates» – es sei die beste Entscheidung gewesen, der Gesellschaft selbst anzuvertrauen, was man mit Vermögen machen könne. Das Resultat kann nicht überraschen: Die ausgewählten Organisationen legen ihren Fokus auf Armutsbekämpfung, Integration und Demokratieförderung. Sie sind insgesamt eher links positioniert.

Engelhorn behält einen kleinen Teil des Vermögens, um nun den Übergang ins Berufsleben zu schaffen. Dass sie das erst mit 32 Jahren, nach guter Ausbildung und als zeitweilige Eigentümerin einer Wiener Dachwohnung angeht, ist ein Grund, warum Engelhorn enorm polarisiert und angefeindet wird. Allerdings betont sie ihre privilegierte Situation stets – auch nun nach Zuweisung ihrer Erbschaft. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Initiative an strukturellen Gründen für Ungleichheit nichts ändert.

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