Montag, November 25

Vor der Stadt Las Vegas ist eine riesige Schaumstoff-Statue eines anonymen Künstlerkollektivs aufgetaucht. Die Aktivisten verspotten damit den Präsidentschaftskandidaten.

Die Statue ist 13 Meter hoch und angeblich 2700 Kilogramm schwer. Sie baumelt wie eine Marionette an Seilen und zeigt Donald Trump – splitternackt. Zu sehen ist der Präsidentschaftskandidat als fettleibiger alter Mann mit schwabbeligem Bauch. Zwischen den dicken Oberschenkeln gut sichtbar auch das Geschlechtsteil. Das Ziel des Werks ist offenkundig. Die Figur soll den Dargestellten beschämen, kränken und demütigen. Seine Betrachter sollen sich angewidert fühlen oder darüber lachen.

So etwas ist möglich in einem freien Land wie den USA. In China wäre es völlig undenkbar. Dort darf der Staatspräsident Xi Jinping nicht einmal mit dem niedlichen Kinderbuch-Bären Winnie-the-Pooh, dem er ähneln soll, verglichen werden. Seit 2017 zensiert die chinesische Regierung Bilder des Teddybären, insbesondere Disneys Version der Figur.

Von Trump hingegen gab es bereits während seiner Präsidentschaft Abertausende von Verunglimpfungen in Gestalt von Karikaturen jeder erdenklichen Form und Ausführung. Selbst ein Kinderbuch verspottet Trump, der darin als orangefarbene Süsskartoffel mit vorgeschobenen Lippen und gelbem Haarschopf dargestellt wird. Allerdings ist das alles keine Kunst.

Anders im Fall der Riesenstatue. Die anonymen Urheber bezeichnen sich als Künstlergruppe und haben dem Werk den Titel «Crooked and Obscene» gegeben. Das bedeutet so viel wie krumm und obszön, wobei «crooked» ebenfalls korrupt und betrügerisch meinen kann. Obszön allerdings ist vor allem auch das Kunstwerk selber.

Keine Kunst

Die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut. Und sie geht Hand in Hand mit der Meinungsfreiheit. Daher verwundert es nicht, dass die Kunst – oder was darunter verstanden wird – immer wieder dafür herhalten muss, Meinungen, Haltungen und Ansichten zu transportieren.

Für solche Kunst gibt es eine eigene Kategorie: Protestkunst nennt sich das. Und immer mehr Kunst-Aktivisten bedienen sich ihrer. Leider kommt das oft schief heraus. Man erinnert sich an die geschmacklose Kunstaktion von Christoph Büchel vor fünf Jahren an der Biennale in Venedig.

Der Schweizer Künstler machte das Schiffswrack des Bootsunglücks von 2015 vor Lampedusa, bei dem zwischen 700 und 1100 Menschen ums Leben kamen, zum Kunstobjekt – und damit zum Selfie-Sujet für Kulturtouristen. Büchel ist weniger ein Künstler als ein Provokateur, und aufgerüttelt fühlte sich nicht die Kunstwelt, sondern vor allem die italienische Rechte, die in der Installation eine Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik sah.

Ein anderes Flüchtlingsboot als Protest-Kunstwerk ist das schwarze, 70 Meter lange Schlauchboot von Ai Weiwei, auf dem 250 überlebensgrosse, aufblasbare Figuren platziert sind. Damit wollte Ai vor ein paar Jahren ebenfalls auf die Flüchtlingskrise im Mittelmeer aufmerksam machen. Er gilt als bekanntester Vertreter von politisch-aktivistischer Kunst. Der chinesische Künstler wird in seiner Heimat verfolgt und lebt heute im Exil.

Im Westen wird Ai solcher Kunstwerke wegen gefeiert als der grösste lebende Künstler Chinas. Denn im Westen sind Kunst-Aktivisten hoch geachtet. Im Grunde aber ist vieles von dem, was Ai Weiwei macht, pathetischer Sozialkitsch. Er könnte sich auch einer Menschenrechtsorganisation anschliessen. Indessen bedient er sich mehr oder weniger gelungen den Mitteln der Kunst.

Bei der nackten Trump-Skulptur ist der Fall noch eindeutiger. Gelungen ist das nicht. Kunst kann man darin auch schwerlich erkennen. Dafür eine besonders geschmacklose Form von Body-Shaming. Darunter werden insbesondere in sozialen Netzwerken getätigte und bewusst abwertende Äusserungen über das Aussehen anderer verstanden.

Gute Kunst

Gute Protestkunst sieht anders aus. Und es gibt sie mindestens seit den Dadaisten. Mit bunten Collagen und experimenteller Performancekunst protestierten sie gegen den Ersten Weltkrieg. Diese künstlerische und literarische Bewegung war subversiv und lehnte konventionelle Kunstformen ab. Im Gegensatz zur plumpen Trump-Statue ritzte sie aber ästhetische Grundsätze auf weit kreativere Art.

Subversive Kunst kann ironisch und humorvoll, aber auch aufwühlend und verstörend sein. Nie aber ist sie bloss platt. Drastisch waren die Tabuverletzungen der Wiener Aktionisten in den sechziger Jahren. Mit ihren Aktionen, bei welchen Körperflüssigkeiten und Tierblut zum Einsatz kamen, galt es, die bürgerliche Gesellschaft zu schockieren. Zwecks Verletzung der Schamhaftigkeit und Erregung öffentlichen Ärgernisses nahmen sich die Künstler aber selber zum Mittel und zielten dabei nicht auf andere.

Ebenfalls politisch motiviert war Anselm Kiefers berühmte Foto-Aktion von 1969. An bedeutenden Schauplätzen Europas führte er den Hitlergruss aus. Damit wollte der deutsche Künstler das «Dritte Reich» wieder ins Gedächtnis rufen, mit dem sich damals niemand befassen wollte.

Kiefer selber musste sich den Vorwurf eines Faschisten gefallen lassen. Dagegen sind die Künstler im Fall der Trump-Statue weniger mutig. Sie exponieren sich mit ihrem Versuch politischer Kritik nicht selber, sondern hüllen sich lieber in Anonymität.

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