Bundestagsabgeordnete der CDU, der SPD, der Grünen und der Linken bemühen sich darum, dass ein Verbotsverfahren gegen die Rechtspartei initiiert wird. Eine neue Website wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Es ist ungewöhnlich, unter den «verantwortlichen Diensteanbietern» einer Website die Namen von fünf deutschen Bundestagsabgeordneten zu finden. Noch ungewöhnlicher wird es, wenn diese Abgeordneten verschiedenen Parteien angehören. Genau das ist der Fall, wenn man das Impressum der neuen Website AfD-Prüfen besucht.
Auf der Homepage prangt auf der rechten Seite der Bundesadler in Schwarz, links daneben heisst es: «Unsere Demokratie ist wehrhaft. Gegen Hass und Hetze – wir schützen die freiheitliche demokratische Grundordnung.» Darunter führt ein Button zu dem gemeinsamen Antrag der Befürworter von CDU, SPD, Grünen und Linken für ein Parteiverbotsverfahren.
Der Antrag soll demnächst im Deutschen Bundestag beraten werden. Nach der Beratung im Plenum kann er entweder direkt zur Abstimmung gestellt oder zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen werden.
Sind AfD-Mitglieder Verfassungsfeinde?
Initiiert hatte den Gruppenantrag der CDU-Politiker und ehemalige Ostbeauftragte Marco Wanderwitz. Bei den Parteien ist das Unterfangen allerdings umstritten. Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Vorstoss ab, stellt es aber Abgeordneten frei, ihrem Gewissen zu folgen.
In einer Stellungnahme der Parlamentarier heisst es, die AfD sei keine Partei, die «ein bisschen rechts» stehe, es seien «Verfassungsfeinde» und «Feinde unserer Demokratie». Deshalb forderten sie die Überprüfung der Verfassungswidrigkeit der AfD.
Parteiverbote unterliegen in Deutschland hohen Hürden. Bis heute sind lediglich zwei Parteien verboten worden: die nationalsozialistische Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Ein Verbot der AfD, die in Wahlumfragen auf Bundesebene bei 20 Prozent Zustimmung liegt, würde unter anderem bedeuten, dass die Partei keine Finanzierung mehr erhalten würde.
Verfassungsrechtler hält Verfahren für «unklug»
Bemerkenswert sind die FAQ mit häufig gestellten Fragen zum geplanten Verbotsverfahren. Auf die Frage, ob der Antrag eine Mehrheit im Bundestag erreichen könne, heisst es: «Selbstverständlich. Jeder Antrag, der in den Deutschen Bundestag eingebracht wird, hat die Chance auf eine Mehrheit.»
Das ist technisch korrekt, beantwortet jedoch nicht die Frage, ob die erforderliche Mehrheit realistischerweise zustande kommt. Sowohl Parlamentarier als auch Verfassungsrechtler sehen das Verfahren kritisch. So sagte der Verfassungsrechtler Boehme-Nessler, dass er ein Verfahren für «unklug» halte. Er bezweifelt, dass die Partei die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllen würde.
Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sagte dem «Tagesspiegel»: «Im Moment würden wir da gnadenlos am Bundesverfassungsgericht scheitern.» Der FDP-Bundestagsabgeordnete betonte ausserdem, dass man «bei allem Ernst und bei aller Abscheu gegen AfD-Parolen» derzeit nicht sagen könne, ob die Partei die Demokratie auf aggressiv-kämpferische Weise beseitigen wolle. Das wäre aber ein zwingendes Kriterium für ein Verbot.
Der Liberale fasste zusammen: «Das Schlimmste wäre, wenn eine Mehrheit im Deutschen Bundestag das erzwingt, und das Bundesverfassungsgericht weist es wegen Unbegründetheit ab.»
Eine Frage zur AfD bleibt offen
Derlei Einschätzungen begegnet man auf der Website der Gruppe um Wanderwitz nicht. Stattdessen heisst es, dass es «neben dem Urteil selbst» wichtig sei, dass eine «breite öffentliche Debatte» über die Ziele und Methoden der AfD stattfinde.
Auf die Frage in den FAQ, ob die Prüfung der Verfassungskonformität einer Partei nicht undemokratisch sei, lautet die Antwort: «Nein. Das Prüfverfahren (…) ist ein wichtiger Bestandteil der wehrhaften Demokratie.» Das sei eine Lehre aus der deutschen Geschichte, da die NSDAP gezeigt habe, dass demokratisch gewählte Parteien nicht immer demokratische Ziele verfolgten.
Auf die Frage, warum die anderen Parteien die AfD nicht politisch stellten, heisst es, dass die Auseinandersetzungen bereits stattfänden. Beispielsweise habe man parteiübergreifend das Grundgesetz geändert, um das Bundesverfassungsgericht «vor verfassungswidrigen Parteien» zu schützen. Ausserdem wurde das Waffenrecht verschärft, um «den Zugang von Rechtsextremen zu erschweren».
Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg würden jedoch zeigen, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichten. Warum sich Regierung und Opposition nicht intensiver mit den Themen befassen, mit denen die AfD ihre Anhänger überzeugt – insbesondere einer schärferen Migrationspolitik –, bleibt in den Fragen und Antworten allerdings aussen vor.