Die amerikanischen Medien von links bis rechts sind sich einig: Präsident Joe Biden machte einen denkbar schlechten Eindruck bei der Debatte vom Donnerstag. In der Demokratischen Partei herrscht höchste Nervosität.

«Panik» ist das Schlüsselwort, wenn die amerikanischen Medien nach der TV-Debatte vom Donnerstag die Stimmung unter den Demokraten beschreiben. Denn Präsident Joe Biden wirkte wirklich alt. Er war zerstreut, brach Sätze ab, suchte nach Wörtern, und manchmal verstand man schlichtweg nicht, was er ausdrücken wollte. Zwar hatte das, was er sagte, immer noch mehr Substanz als Trumps Schlagworte und häufige Lügen. Aber Trump wirkte vital und fokussiert, und die Wirkung ist bei solchen Debatten alles. Es kommt weniger auf das «Was» als auf das «Wie» an. Das galt vor allem für Biden. Es ging für ihn nicht darum, mit Detailwissen zu glänzen, sondern darum, dem Publikum mit etwas Lebendigkeit zu beweisen, dass er nicht senil ist.

«Eine vermasselte Performance»

Diesen Test bestand er nicht. Eine CNN-Umfrage nach der Sendung zeigte, dass 67 Prozent der Zuschauer Trump als Sieger betrachteten. Weil die Umfragewerte Bidens nach dem Fiasko vor Millionenpublikum voraussichtlich tief fallen werden, stellen sich die Demokraten nun in letzter Minute die Frage, die man schon viel früher hätte stellen müssen: Könnte man den Kandidaten Biden noch ersetzen und, wenn ja, mit wem?

«Eine vermasselte Performance und eine Partei in Panik», titelte die «New York Times», die den Demokraten gemeinhin wohlgesinnt ist. «Demokraten geraten in Panik über die Zukunft ihres Kandidaten», lautete die Schlagzeile der ähnlich positionierten «Washington Post». «Holperige Vorstellung löst Aufruhr bei den Demokraten aus», hiess es beim konservativen «Wall Street Journal». Einen Schritt weiter ging «Politico»: «Demokraten in Panik beginnen nach einem anderen Kandidaten Ausschau zu halten».

Biden selbst versuchte nach seinem misslungenen Auftritt abzuwiegeln. Er habe an einer Erkältung gelitten, und überhaupt: Es sei schwer, mit einem Lügner zu diskutieren. Andere Demokraten verteidigten ihn, indem sie die Moderatoren kritisierten. Sie hätten – mit einer Art Live-Fact-Checking – darauf hinweisen sollen, wenn Trump offensichtliche Unwahrheiten verbreitet habe. Vizepräsidentin Kamala Harris relativierte Bidens peinliches Abschneiden, indem sie von «anfänglichen Schwierigkeiten» sprach, die er später wettgemacht habe.

Trump schickte gleich nach der Debatte eine triumphale Nachricht an seine Anhänger: «Ich hatte mit allem recht! Biden vernichtet. Ich habe gewonnen!»

Die meisten Demokraten äussern sich nur anonym

Fast alle grossen Blätter zitieren Berater, Spender und andere einflussreiche Demokraten, die eine Auswechslung Bidens ins Spiel bringen. Offenbar gibt es allerorts Diskussionen darüber, wie man Biden zum Rückzug bewegen könnte. «Biden steht vor einem Crescendo von Rücktrittsforderungen», sagte ein demokratischer Stratege gegenüber der «New York Times». Auffällig ist allerdings, dass sich die meisten von ihnen nur anonym äussern.

Noch scheint es riskant zu sein, sich mit solchen Äusserungen zu exponieren. Aber man kann annehmen, dass sich schon bald die ersten Strategen der Partei aus der Deckung wagen werden und dann eine Lawine lostreten. Denn mit dem Auftritt ohne Teleprompter, ohne Ohrenstöpsel und ohne Berater in der Nähe wurde offensichtlich, wie geschwächt Biden – so ganz auf sich allein gestellt – ist. Vermutlich wussten das die meisten in seinem Umfeld schon länger, aber beschönigten und verdrängten die bittere Wahrheit. Wie es mehrere Kommentatoren auf den Punkt brachten: Biden ähnelt zunehmend der Karikatur des stammelnden, gebrechlichen Greises, die seine Gegner gerne von ihm verbreiten.

'I Really Don't Know What He Said At The End Of That Sentence': Trump Zings Biden During CNN Debate

Kindische Vorwürfe

Bereits werden unter der Hand die Namen von möglichen Ersatzkandidaten gehandelt. Die Stellvertreterin Kamala Harris wäre naheliegend, ist aber möglicherweise noch unpopulärer als Biden. Mehr Zuspruch bekommt der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Ebenfalls oft genannt werden J. B. Pritzker, Gouverneur von Illinois, Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan, sowie Sherrod Brown, Senator aus Ohio. Newsom und Pritzker bekundeten allerdings auch nach dem Debatten-Debakel ihre Unterstützung für Biden. Die Diskussionen über einen Rücktritt seien nicht hilfreich, sagte Newsom. «Wegen eines einzigen Auftritts wendet man sich nicht von jemandem ab. Welche Partei würde so etwas tun?»

Nach dem desaströsen Auftritt von Joe Biden wird über mögliche Ersatzkandidaten spekuliert.

Die Fragen der Moderatoren waren gezielt und deckten sämtliche Aspekte der Politik ab: Wirtschaft, Inflation, Arbeitslosigkeit, Steuern, Immigration, Opioide, Klima. Biden bemühte sich immerhin, sachliche Antworten zu geben, während Trumps Ausführungen oft nichts mit den Fragen zu tun hatten. Obsessiv kehrte er immer wieder zum Thema «illegale Immigranten» zurück. Aber die Frage, die wohl am meisten Zuhörer hellhörig werden liess, war jene nach dem Alter. «Dieser Typ ist nur drei Jahre jünger», sagte Biden, zu Trump gewandt, «aber bedeutend inkompetenter.» Das war nicht schlecht getroffen, aber so müde formuliert, dass es auch nicht wirklich überzeugte. Bei anderer Gelegenheit sagte Trump, zum vor sich hinmurmelnden Biden gewandt: «Ich weiss wirklich nicht, was er am Ende dieses Satzes sagte. Wahrscheinlich weiss er es selbst nicht.»

Manchmal wirkten die beiden Erzfeinde seltsam spiegelbildlich. Beide versuchten immer wieder, den Gegner als schlechtesten Präsidenten aller Zeiten hinzustellen. Einen absurden Tiefpunkt erreichte die Debatte gegen das Ende zu, als sich die beiden über ihr jeweiliges Golf-Handicap stritten. Als Trump endlich überraschend zur Vernunft aufrief und sagte: «Hören wir auf, uns wie Kinder zu benehmen», konnte es Biden, der sich gerne als Stimme der Vernunft ausgibt, nicht lassen, nachzudoppeln: «Du bist das Kind!» Und natürlich musste Biden auch Trumps «Sex mit einem Pornostar» erwähnen, worauf Trump erwiderte, er habe nie Sex mit einem Pornostar gehabt.

Eher beunruhigend war allerdings der Moment, als die Moderatoren von Trump wissen wollten, ob er dieses Mal das Wahlergebnis auch im Falle einer Niederlage anerkennen würde. «Wenn es eine faire, rechtmässige und gute Wahl ist: Ja», antwortete er. Man muss annehmen, dass die Wahl für ihn diese Kriterien nur erfüllt, wenn er gewinnt. Das ist im Moment allerdings gut möglich.

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