Dienstag, Dezember 24

Der slowakische Regierungschef ist erst der dritte eines EU-Landes, der Putin seit dem Grossangriff auf die Ukraine im Kreml besucht. Er begründete die Reise mit der Sicherung russischer Gaslieferungen – Moskau ist dafür aber der falsche Ansprechpartner.

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat am Sonntag überraschend den russischen Kremlherrn Wladimir Putin in Moskau besucht und damit für Empörung gesorgt. Die Reise sei eine Schande für die Slowakei und ein Verrat an den nationalen Interessen, sagte etwa der Oppositionsführer Michal Simecka, Chef der liberalen Partei Progressive Slowakei. Branislav Gröhling von der kleineren Freiheit und Solidarität nannte den Regierungschef gar einen Kollaborateur und teilte den Ausschnitt einer russischen TV-Talkshow, in der Putins Propagandisten auch über den Angriff Bratislavas phantasieren.

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Fico hatte seinen überraschenden Besuch in Moskau am Sonntagabend auf seinem Facebook-Kanal bekanntgemacht. Er ist erst der dritte Regierungschef eines EU-Landes, der seit dem russischen Grossangriff auf die Ukraine mit Putin zusammengetroffen ist. Im Frühling 2022 war der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer nach Moskau gereist und erst im Sommer der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban im Rahmen einer angeblichen «Friedensmission».

Fico laviert in seiner Ukraine-Politik

Dass Fico gerne in diese Reihe fällt, kann nicht erstaunen. Obwohl politisch eigentlich schon abgeschrieben, gewann er die Parlamentswahl vor gut einem Jahr – vor allem, weil er die starke Unterstützung der Vorgängerregierung für die Ukraine kritisierte. Die grosszügige Militärhilfe an Kiew stellte Fico nach seinem Amtsantritt sogleich ein, allerdings hatte die Slowakei ihre wichtigsten Waffensysteme ohnehin bereits übergeben. Verkäufe privater Rüstungsfirmen untersagte der Regierungschef nicht.

Seither ist die slowakische Ukraine-Politik vor allem durch Lavieren geprägt. Fico sieht sich wie Orban im Lager derjenigen, die für Frieden stünden, und er plädiert für Verhandlungen. Einen Nato-Beitritt der Ukraine lehnt die Regierung ab, für eine EU-Mitgliedschaft zeigt sie sich dagegen offen. Der Ministerpräsident verbreitet jeweils die russische Sichtweise auf den Konflikt und kritisiert den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski scharf – zuletzt lieferten sich die beiden am EU-Gipfel letzte Woche ein Wortgefecht. Anders als Ungarn blockierte oder verwässerte die Slowakei aber in den letzten Monaten keine Sanktionen gegen Russland.

Fico erklärte am Sonntagabend, die Slowakei mache eine souveräne Politik. Er habe die Spitzen der EU vorab über die Reise informiert, was der neue Ratspräsident Costa Antonio Costa auch bestätigte. Der Regierungschef begründete sie mit der Absicht, russische Gaslieferungen an sein Land zu sichern. Die Slowakei ist wie Ungarn nach wie vor in hohem Mass von Energie aus Russland abhängig und zeigt auch keine Bereitschaft, mittelfristig auszusteigen. Dazu haben sich die EU-Länder bis 2027 eigentlich verpflichtet.

Am Rand des EU-Gipfels von vergangener Woche erklärte Fico, die Slowakei könnte «ohne Probleme» Gas aus westlichen Quellen beziehen. Es sei aber viel teurer. Das Land erhält zudem bis zu 500 Millionen Euro an Transitgebühren, weil es durch die Ukraine fliessendes russisches Gas über seine Pipelines bis nach Österreich leitet. Allerdings läuft der zwischen dem ukrainischen Versorger Naftogaz und der russischen Gazprom abgeschlossene Vertrag Ende Dezember aus, und die Ukrainer wollen ihn nicht erneuern. Selenski bekräftigte dies letzte Woche in Brüssel erneut.

Kommt Gas aus Aserbaidschan statt aus Russland?

Putin versicherte, Russland wolle weiterhin Gas in die Slowakei und den Westen liefern, wie Fico als Ergebnis des Treffens verkündigte. Das hilft der Slowakei jedoch wenig, wenn die Ukraine nicht mehr zur Durchleitung bereit ist. Auch Kiew hat indes ein Interesse am Gas-Transit. Ein mögliches Szenario ist deshalb, dass sie über ihre Pipelines Gas aus Aserbaidschan transportiert. Baku selber würde dann wiederum russisches Gas importieren – aus europäischer Sicht ein Nullsummenspiel: Moskau profitierte weiterhin.

Russland ist aber der falsche Ansprechpartner, wenn es um diese Frage geht: Fico müsste sich dafür vielmehr an die Ukraine wenden, wie auch die slowakische Opposition anmerkte. Anzunehmen ist deshalb, dass die Reise des Ministerpräsidenten auch innenpolitisch motiviert war. Seine heterogene Koalition ist zerstritten, ein Konflikt mit dem Gesundheitspersonal setzte der Regierung zu, und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer hat ihrer Popularität geschadet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu vorzeitigen Wahlen kommen wird, und für diesen Fall will Fico sich wiederum die Stimmen des russlandfreundlichen Teils der Bevölkerung sichern.

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