Das Swiss National Orchestra will so etwas sein wie die Nationalmannschaft der Schweizer Klassikszene. Nun spielte es zum ersten Mal im Ausland – vor zweitausend Besuchern in der römischen Papstbasilika San Paolo fuori le mura.
Wie das wohl tönen würde, hier, in der riesigen Kirche? Angesagt waren Puccinis «Sinfonisches Präludium» und Bruckners 3. Sinfonie, gespielt vom Swiss National Orchestra (SNO) unter der Leitung von Ralf Weikert, dem früheren Musikdirektor der Oper Zürich.
Das SNO gibt es erst seit wenigen Jahren. 2016 fand sich eine Gruppe eingefleischter Musikliebhaber zusammen, um ein neues Orchester zu gründen. Es besteht ausschliesslich aus herausragenden Schweizer Musikerinnen und Musikern, die in renommierten Orchestern der Schweiz und in Europa tätig sind oder als Freischaffende auftreten. Das Debütkonzert des Orchesters fand am vergangenen 1. August im Casino Bern statt.
Teambuilding im Frecciarossa
Für das Konzert in Rom reisten sie nun aus allen Ecken an: Fast achtzig Musiker zusammen im Frecciarossa, dem Hochgeschwindigkeitszug, der die grossen italienischen Städte verbindet und der nun gleichsam zum Ort eines mobilen Teambuildings wurde. Es ist dem Orchester offensichtlich gut bekommen.
Der Ort ihres Auftritts an diesem Abend, die Papstbasilika San Paolo fuori le mura, liegt – wie der Name sagt – ausserhalb der aurelianischen Stadtmauer und damit einige Kilometer entfernt von den klassischen Sehenswürdigkeiten der Ewigen Stadt. Sie ist heute extraterritoriales vatikanisches Staatsgebiet und wurde auf Geheiss des Kaisers Konstantin an jener Stelle errichtet, wo der Apostel Paulus nach seiner Enthauptung angeblich beigesetzt wurde. 2006 gab der Vatikan bekannt, dass Archäologen unter dem Hauptaltar tatsächlich das Grab des Apostels «wiederentdeckt» hätten. Und drei Jahre später liess Papst Benedikt XVI. höchstselbst verlauten, dass es sich bei den darin gefundenen Knochenresten um die sterblichen Überreste von Paulus handle. Ein besonderer Rahmen also für das erste Auslandsspiel der selbsternannten Nationalmannschaft von Schweizer Musikerinnen und Musikern.
Zweitausend Besucher fanden sich nach Angaben der Veranstalter am Sonntagabend dort ein, am Ende erhoben sie sich zu Ovationen – ein berührender Moment. Offensichtlich war es den Musikern gelungen, die Seele des Publikums zu berühren. Selbst im musikverrückten Italien stellt sich Begeisterung nämlich nicht automatisch ein, sie muss verdient werden.
In einer Kirche von den Dimensionen von San Paolo ist das erst recht eine Herausforderung. Ein Sakralraum ist nun einmal kein Konzerthaus, die Töne verlieren sich in der Weite, der Hall klingt lange nach. Das war an dem SNO-Konzert nicht anders. Doch Konzertbesucher und Musiker waren voll des Lobs, wie Ralf Weikert insbesondere die epischen Dimensionen von Bruckners Sinfonie ausgestaltet und dem Orchester die nötige Zeit gelassen hat. Ungeachtet des Halls war die Musik auf diese Weise tatsächlich auch in der weiten Akustik der Basilika klar und verständlich.
Wiedersehen im Heiligen Jahr?
Nachher gab es denn auch zufriedene Gesichter allenthalben: bei den Veranstaltern, unter ihnen die diplomatischen Vertretungen der Schweiz in Italien und beim Heiligen Stuhl, weil der Anlass viel Publikum und einige wichtige Würdenträger aus Gesellschaft und Kirche angezogen hatte; bei den SNO-Verantwortlichen, weil der erste Auftritt im Ausland erfolgreich und mit schweizerischer Präzision über die Bühne gegangen war.
Bereits unmittelbar nach dem Schlussapplaus habe der Präsident der für die Konzertreihe im Vatikan zuständigen Fondazione Pro Musica e Arte Sacra das Orchester aufgefordert, nächstes Jahr wiederzukommen, berichtet Igor Longato, der Intendant des SNO. Es wird ein besonderes Jahr, ein Heiliges Jahr, das von Papst Franziskus bereits in einem guten Monat feierlich eröffnet wird. Die Pforte von San Paolo fuori le mura wird dann, wie diejenigen des Petersdoms und der anderen römischen Papstkirchen, eine besondere Rolle spielen. Denn wer dreimal durch diese Pforte schreite, so heisst es in einer alten Überlieferung zum Heiligen Jahr, dem würden Schuld und Sündenstrafen nachgelassen.
Das SNO hat sich in seiner jungen Geschichte gewiss noch nichts zuschulden kommen lassen. Aber vielleicht wirkt das Durchschreiten der Pforte ja auch präventiv. Das SNO sollte sich das Angebot jedenfalls nicht entgehen lassen. Es hat in Rom neue Freunde gefunden.