Montag, Oktober 7

Die verurteilte Betrügerin will unbedingt in der Schweiz bleiben. Doch für das Gericht ist klar, dass sie das Land verlassen muss.

«Es geht mir darum, dass ich mit meinen Kindern und meinem Ehemann hier leben kann», antwortet die 30-jährige beschuldigte Österreicherin auf die Frage der Oberrichter, was sie mit ihrer Berufung erreichen wolle. Die Vorinstanz hatte sie mit einem Landesverweis von sechs Jahren aus dem Gerichtssaal geschickt. Die Berufung richte sich nur gegen diesen Landesverweis.

Wegen gewerbsmässigen Betrugs war sie im Juli 2023 vom Bezirksgericht Zürich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt worden. Das Bezirksgericht war damit über den Antrag des Staatsanwaltes hinausgegangen, der zudem nur wegen mehrfachen Betrugs angeklagt hatte. Das ist ein gewichtiger Unterschied: Gewerbsmässiger Betrug ist eine sogenannte «Katalogtat» mit obligatorischem Landesverweis, mehrfacher Betrug nicht.

Die Frau ist einschlägig vorbestraft und war schon im September 2018 ein erstes Mal wegen Betrugs verurteilt worden, wegen genau derselben Masche. Die neuen Taten verübte sie in der Probezeit einer bedingt ausgefällten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 50 Franken.

Opfer in der Kirche und in der Migros angesprochen

Im Herbst 2019 und im Sommer 2020 betrog die Österreicherin, welche die Aufenthaltsbewilligung B in der Schweiz hat, zwei Personen. Von einer psychisch kranken Frau erbeutete sie 18 000 Franken, von einer zur Tatzeit 85-jährigen Rentnerin 33 000 Franken. Für weitere 17 000 Franken blieb es beim Versuch, weil eine aufmerksame Bankangestellte sich weigerte, dem Opfer noch mehr Geld auszubezahlen.

Im Oktober 2019 sprach die Beschuldigte vor einer Zürcher Migros-Filiale eine junge, psychisch angeschlagene Frau an, die seit ihrer Jugend an Panikattacken und Schizophrenie leidet. Laut Anklage hatte die Beschuldigte die Frau an unkontrollierten Zuckungen, einem starren Blick und grosser Zurückhaltung als leichtes Opfer erkannt.

Die Österreicherin erzählte, sie sei eine Heilerin, habe übersinnliche Kräfte und könne ihr helfen. Sie übergab der jungen Frau Heilkräuter zum Baden und versprach, regelmässig für sie zu beten. Wenige Tage später zündete sie in einem Park eine Kerze an und betete zu Gott, dass die Dämonen die junge Frau in Ruhe lassen. Sie wickelte ein rohes Ei in ein Tuch und presste es auf die Brust ihres Opfers, so dass es zerbrach. Die Treffen endeten jeweils an Bancomaten, wo die junge Frau Bargeld bezog und übergab.

Die Rentnerin wurde von der Täterin im Juli 2020 in der Stiftskirche St. Gallen angesprochen. Die Österreicherin erzählte, sie benötige Geld für eine Chemotherapie ihrer krebskranken Tochter. Die Kirchgängerin ging noch am gleichen Tag an einen Bankschalter und hob 10 000 Franken Bargeld ab. Es kam zu weiteren Treffen und Geldübergaben. Im November 2021 wurde die Beschuldigte aber festgenommen und sass 41 Tage in Haft.

«Österreich ist ja nicht auf dem Mond»

Bei ihrer Befragung vor Obergericht beteuert die Betrügerin, wie ihr alles leidtue. Seit August 2024 ist sie mit einem Schweizer verheiratet. Zwei schulpflichtige Kinder aus einer anderen Beziehung hat sie im Herbst 2022 in die Schweiz geholt, wo sie zur Schule gehen. Sie arbeitet zurzeit 100 Prozent in der Administration im Gastgewerbe.

Es wäre «unvorstellbar» für sie, nach Österreich zurückzukehren, klagt die in Wien geborene Frau. Sie sei hier gebunden und wolle mit ihrer Familie hier leben. «Aber Österreich ist ja nicht auf dem Mond», wendet der Gerichtsvorsitzende Christoph Spiess trocken ein. Sie habe aber auch Familie und Verwandtschaft, mehrere Cousins, Onkel und Tanten in der Schweiz. Der Kindsvater sei serbischer Staatsangehöriger und lebe in Serbien. Auch ihr jetziger Schweizer Ehemann sei in Serbien geboren. Die Kinder sprächen Serbisch und Deutsch.

Sie wisse, dass sie in der Vergangenheit Fehler gemacht habe, die sie bereue und rückgängig machen würde, wenn sie könnte. In den 41 Tagen Haft habe sie gelernt. Sie betont auch, dass sie den Opfern Wiedergutmachung geleistet und sämtliche ertrogenen Beträge zurückbezahlt habe. Das Geld habe sie gar nicht nötig gehabt und für Partys ausgegeben.

Warum sie nichts aus der Vorstrafe gelernt habe, will ein Richter wissen. «Ich weiss es nicht», ist die Antwort, «ich war in einer schwierigen, depressiven Phase.» Sie wolle ihre Vergangenheit hinter sich lassen und sehe jetzt nur noch die Zukunft in der Schweiz vor sich.

Erhebliches Interesse an Fernhaltung der Frau

Die angeklagten Taten gibt sie wie in den beiden vorangegangenen Gerichtsverhandlungen unumwunden zu. Ihr Verteidiger beantragt eine Verurteilung nur wegen mehrfachen Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und einen Verzicht auf den Landesverweis. Es handle sich nicht um gewerbsmässigen Betrug, behauptet er, die Frau sei gar nicht auf das Geld angewiesen und der Zeitaufwand für die Taten sei höchst überschaubar gewesen.

Die Oberrichter lassen sich aber nicht erweichen. Sie bestätigen die Vorinstanz; es gibt erneut einen Landesverweis von 6 Jahren. Die 21 Monate Freiheitsstrafe wegen gewerbsmässigen Betrugs werden bei einer Probezeit von 4 Jahren bedingt ausgesprochen. Gemäss der Bundesgerichtspraxis sei es ein eindeutiger Fall von Gewerbsmässigkeit, betont Richter Spiess. Dass die Beschuldigte das Geld gar nicht nötig gehabt habe, sei nicht relevant. Sie habe mit den Betrügen ein Zusatzeinkommen von mehreren tausend Franken monatlich erzielt.

Sie habe in relativ hoher Kadenz auf ihre Opfer eingewirkt und eine wirklich «fiese Masche» angewendet, und das nicht zum ersten Mal. Sie habe gezielt psychisch labile Frauen gesucht und sei dafür auch extra in eine Kirche gegangen, wo man solche Personen finde. Der Landesverweis sei obligatorisch. Und ein solcher sei der Frau zumutbar.

Letztlich gehe es um die Frage, ob ihr Ehemann mit ihr mitgehe oder nicht. Ein persönlicher Härtefall sei es klar nicht. Und das Interesse der Schweiz, die Frau fernzuhalten, sei erheblich. Es sei keine Bagatelle, sondern ein wirklich fieses Vorgehen gegen schwache Opfer gewesen. Bei Delikten, die sozial schädlich seien, bestehe ein erhebliches Interesse an der Fernhaltung.

Urteil SB230557 vom 4. 10. 2024, noch nicht rechtskräftig.

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