Sonntag, Februar 2

Die Dänen bezwingen im WM-Final Kroatien 32:26 und werden nach dem Olympiasieg auch noch Weltmeister. Handball ist in Dänemark besonders gross, er durchdringt den ganzen Alltag.

Gegen diese Dänen ist kein Kraut gewachsen. Das hat zuletzt Kroatien erfahren, im Final der Handball-WM in Oslo am Sonntagabend. Dänemark gewann 32:26 und ist zum vierten Mal in Folge Weltmeister; an Weltmeisterschaften sind die Dänen seit 37 Spielen ohne Niederlage. Es ist eine nie da gewesene Dominanz im Welthandball.

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Dänemark ist nicht nur Serienweltmeister, sondern hat es zudem an den vergangenen drei Olympiaturnieren stets in den Final geschafft; zweimal gewann es die Goldmedaille, 2016 in Rio de Janeiro und jüngst in Paris. Dänemark hat sechs Millionen Einwohner, davon spielen 100 000 Handball. Die Sportart hat die Gesellschaft durchdrungen, ist aus dem Alltag nicht wegzudenken. Acht von zehn der meistgesehenen TV-Sendungen im dänischen Fernsehen waren im vergangenen Jahr Handball-Matches. Dänemarks Weg zur Weltmacht begann jedoch nicht in den grossen Arenen, sondern in kleinen Hallen im ganzen Land.

Sören Skaastrup Frydendal ist Talentmanager beim dänischen Handballverband. Er begleitet die Karrieren junger Spieler, wenn sie mit 14 oder 15 Jahren erstmals ins System des Verbandes gelangen, und er ist verantwortlich für die U-21-Nationalmannschaft. Gerade veranstaltet er einen Zusammenzug von Talenten, der Verband lädt mehrmals pro Jahr die besten Nachwuchskräfte zum gemeinsamen Training ein. Frydendal sagt, die Hauptarbeit geschehe trotz diesem Angebot in den Klubs: «Wir haben eine starke Basis und lassen die Spieler so lange wie möglich in den Vereinen.»

Die Vereine haben nicht nur bei der Ausbildung von Junioren eine wichtige Rolle, auch ihre gesellschaftliche Bedeutung ist immens. Frydendal sagt: «Junge Leute lernen dort, wie sie sich in einer Gemeinschaft verhalten sollen. Vor allem im Winter ist Handball ein wichtiger Teil unseres Lebens.» Anders als in der Schweiz oder Deutschland sind in Dänemark die Sporthallen ständig geöffnet. Ist die Halle unbenutzt, dürfen Kinder und Jugendliche dort spielen.

Während der Trainings und Juniorenspiele sind die Hallen beliebte Treffpunkte. Die Kinder haben Training oder einen Match, die Eltern treffen sich in der Hallen-Beiz zu Kaffee und Kuchen. Die Dänen betreiben Hygge in den Handballhallen – Hygge ist eine dänische Tradition, wonach die Menschen mit Freunden und Familie in gemütlicher Atmosphäre zusammenkommen.

Handball ist im Schulsport fest verankert

Mit Hygge allein ist es nicht getan. Bereits im Kindergarten wird in Dänemark Handball gespielt, im Schulsport sowieso, manche Schulen bieten schon fürs Kindesalter Morgentrainings an. In den Sommerferien gibt es Handball-Camps, die auf grossen Zuspruch stossen. Trotz den grossen Ambitionen des Verbandes steht lange die Freude am (Team-)Sport im Vordergrund. «Wer es nicht bis in die höchste Liga schafft, wird in Zukunft vielleicht ein guter Trainer, Schiedsrichter oder Funktionär», sagt Frydendal.

Die Talentförderung in Dänemark gilt auch aus finanziellen Gründen als vorbildlich – der Verband hat Reserven angehäuft. Der Spielbetrieb des Frauen- und des Männer-Nationalteams wird mit TV-Geldern und Sponsoring finanziert. Hinzu kommen Einnahmen durch die Ausrichtung von Endrunden. An dieser Weltmeisterschaft war Dänemark Co-Gastgeber, im kommenden Jahr und 2028 findet die Europameisterschaft in Dänemark statt, 2031 erneut eine WM. An diesen Turnieren verdient der Verband mit – das Geld fliesst in die Förderung an der Basis.

Dazu haben die Dänen ein teures, aber erfolgreiches System ersonnen. Zwar fliesst kein Geld direkt an die Klubs, doch der Verband hat 20 hauptamtliche Vereinsberater angestellt. Diese unterstützen die Klubs bei der Trainerausbildung, geben Ratschläge in finanzieller Hinsicht oder bei der Infrastruktur. Frydendal sagt: «Im Verband streben wir eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Klubs an.»

Talente bekommen Zeit für die Entwicklung

Nach neun Schuljahren besteht in Dänemark die Möglichkeit, sich in der zehnten Klasse in einem Internat auf die Matura vorzubereiten. Neben dem Lernstoff gibt es an den sogenannten «Efter­skole» die Möglichkeit, eine Ausbildung in Musik, Theater oder eben Handball zu absolvieren. Die Spieler laufen aber weiterhin für ihren Stammverein auf – Schulmannschaften gibt es nicht. «Die Erfahrung zeigt, dass dieses zehnte Schuljahr für junge Spieler entscheidend sein kann», sagt Frydendal.

Die bekannteste Sportschule befindet sich im kleinen Dorf Oure mit 500 Einwohnern auf der Insel Fünen. Dort ist ein grosser Teil der Elite des dänischen Handballs zur Schule gegangen, der zurückgetretene dreifache Welthandballer Mikkel Hansen zum Beispiel oder der aktuelle Welthandballer und Star des dänischen Teams, Mathias Gidsel.

Das Ziel sei es, junge Spieler möglichst lange im System zu halten und zu fördern, sagt Frydendal. Der Verband habe akzeptiert, dass die Entwicklungen der Talente unterschiedlich verliefen. Frydendal zieht als Beispiel Simon Pytlick und Gidsel heran, die beiden Schlüsselspieler des Weltmeister-Teams: «Als die beiden 17 Jahre alt waren, stachen sie nicht aus der Masse der Talente heraus. Der grosse Entwicklungsschritt folgte erst später.»

Geht es also noch Jahre weiter mit der dänischen Dominanz? Frydendal sagt, die grösste Herausforderung sei das Geld, auch wenn der Verband finanziell gesund ist. «Wenn Länder wie Frankreich oder Deutschland mehr in den Handball investieren, wird es interessant.» Betrachte er jedoch die jungen Spieler, die er gerade im Trainingscamp betreue, dann sei er zuversichtlich. «Machen sie so weiter, dann werden wir noch einige Jahre Teil der Weltspitze sein.»

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