Donnerstag, Januar 30

In den prächtigen Räumen des Louvre werden auf rund 9000 Quadratmetern neu auch modische Kreationen von Cristóbal Balenciaga bis Iris van Herpen präsentiert. Wir haben die erste Modeausstellung des weltberühmten Museums besucht.

Er gilt als Olymp schlechthin unter den Kunstmuseen, der Louvre, das kolossale Kunstmuseum im Herzen der französischen Hauptstadt. Seit je ungebrochen ist die Strahlkraft der «Mona Lisa», aber auch das ganze Drumherum: Der prachtvolle Palast, einstiger Sitz französischer Könige, ist heute eine riesige Ausstellungsfläche von rund 72 000 Quadratmetern, verteilt in einem Labyrinth aus etlichen Sälen und Gängen.

Neben der «Joconde», wie da Vincis Porträt in Frankreich genannt wird, das vermutlich die Florentinerin Lisa del Giocondo zeigt, sind vor allem die Sammlungen griechischer und römischer Antiken und die Gemälde aus diversen Epochen zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert Publikumsmagnete.

Seit dem 24. Januar ist in den ehrwürdigen Räumen nun auch die erste Modeausstellung in der Geschichte des Louvre untergebracht.

Die Ausstellung «Louvre Couture. Objets d’art, objets de mode» ist auf rund 9000 Quadratmetern als eine Art Parcours durch die Sammlungen mit dekorativer Kunst angelegt. Zwischen Vitrinen mit Geschirr und Messinggeschmeiden oder in opulenten historischen Interieurs werden nun auch aufregende Textilkreationen präsentiert, die Designer von Cristóbal Balenciaga bis Iris van Herpen zwischen 1961 und heute entworfen haben.

45 der bedeutendsten Modehäuser und Designer kommen in dieser Schau mit rund 100 sehenswerten Leihgaben zusammen. Im szenografischen Zwiegespräch soll so jedes Stück die Geschichte der dekorativen Künste, von Stilrichtungen, Handwerksarten und Ornamentik neu beleuchten – und eben: die Verbindung zwischen Mode und Kunstgeschichte veranschaulichen.

Parcours auf rund 9000 Quadratmetern

Aber erst einmal muss man sich im Gewusel der Besuchenden im Empfangsbereich im Untergeschoss und inmitten der gigantischen und verwirrenden Architektur zurechtfinden. Untergebracht ist die Ausstellung im ersten Stock in den nördlichen «Richelieu»- und «Sully»-Flügeln an der Rue de Rivoli, also im gegenüberliegenden Museumstrakt, in dem die «Mona Lisa» hängt.

Der Start der Schau fällt unerwartet schlicht, fast unscheinbar aus. Man hat sich irgendwie etwas Imposanteres als Eingangspforte erwartet. Auf einem verspiegelten Podest steht eine schwarze Puppe mit einer kurzen Abendrobe aus weisser Faille-Seide, opulent bestickt mit schwarzen Ranken.

Sie stammt von Christian Dior, einem der berühmtesten Pariser Modeschöpfer aller Zeiten. Es ist vor allem der Name dieses Entwurfs aus der Haute-Couture-Kollektion für Frühling/Sommer 1949, der ihn dann doch zum idealen «opening look» macht, wurde er von Dior doch tatsächlich «Musée du Louvre» getauft.

Weiter geht es im Besuchergetümmel durch die Ausstellungsräume, auf der Suche nach weiteren Mode-Highlights. Mit einer pechschwarzen Robe mit wallendem Krinolinenrock (Herbst/Winter 2015/16) kontrastiert Yohji Yamamotos coole, minimalistische Ästhetik mit der ausladenden, mit Pomp dekorierten Wohnung, die 1861 für den damaligen Staatsminister von Napoleon III. eingerichtet wurde.

Ein paar Räume weiter zieht John Gallianos «Kaiserin Sissi»-Robe aus der Dior-Haute-Couture-Kollektion für Frühling 2005 alle Blicke auf sich.

Die karmesinrote Farbe, der Hermelinpelz am Saum korrespondieren stilistisch mit dem Prachtsinterieur des Zweiten Kaiserreichs, während das hautfarbene, freigelegte Bustier zunächst verwirrt. Man erfährt im kurzen Begleittext, dass Galliano die kaiserliche Vision mit «Pin-up-Glamour» wie auch Anspielungen auf persische und osmanische Keramikmotive in Form von blauen Stickereien vermischt.

Jede der Modekreationen ist für sich bereits eindrücklich und sehenswert. Doch in der Fülle dieser mit verschnörkelten Boiserien verzierten Interieurs und der mäandernden Abfolge von Räumen und Korridoren muss man sich schon sehr viel Zeit nehmen und ziemlich bei der Sache bleiben, um einen Blick auf alle modischen Exponate zu erhaschen: 99 Ausstellungsobjekte sind im Ausstellungsprospekt und im Plan verzeichnet, beginnend mit Looks von Dior, Versace, Chanel und Dolce & Gabbana bis hin zu Jacquemus, Iris van Herpen und Yohji Yamamoto.

Irgendwann kapituliert man – dieses erschlagende Gefühl, es gehört wohl zu einem Besuch im riesigen Louvre ebenso wie die Besuchermassen vor der «Mona Lisa».

Wie ein grosses, schönes Coffee-Table-Book

Auf den ersten Blick wirkt es, als wären die Exponate willkürlich zusammengestellt. Irgendwann wird klar: Diese Sammlung von Kleidern ist wie ein Moodboard einer Modekollektion wahrzunehmen. Der rote Faden, der sich durch die Sammlung zieht, ist die fotogene Inszenierung der Kleider mit der jeweiligen historischen Umgebung. Mal sind die stilistischen Referenzen expliziter, während andere Entwürfe eine bestimmte Atmosphäre oder auch einfach eine gewisse Technik erforschen.

Abgesehen vom überwältigenden, unglaublichen Reichtum an visuellen Impressionen ist diese Ausstellung inhaltlich insgesamt eher leichte Kost. Didaktisches oder Wissenschaftliches wird in kleinen Häppchen auf Informationstafeln vermittelt.

Ähnlich wie ein grosses, schönes Coffee-Table-Buch, in dem man blättert und schmökert, ist diese Schau: Man muss sie nicht zwingend von Anfang bis zum Ende durchpauken, sondern führt sie sich im besten Falle einige weitere Male wieder zu Gemüte. Sie ist ein wunderbarer Augenschmaus.

Es gilt, sich treiben zu lassen, an den Sälen vorbeizuflanieren, um da und dort vor einem Schaukasten oder prächtigen Gobelins zu verweilen. Hier kann man sich verlieren und den verbissenen Anspruch auf Vollständigkeit beiseitelassen – das ist die beste Strategie für einen Louvre-Besuch im Generellen und nun also auch für die «Louvre Couture»-Ausstellung.

«Louvre Couture. Art and fashion: statement pieces.», Louvre, Paris; bis 21. Juli 2025.

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