Freitag, Januar 31

Nach der Aufregung um die «Sugus»-Häuser stehen private Investoren wegen Leerkündigungen am Pranger, gemeinnützige nicht. Die FDP fordert Antworten vom Zürcher Stadtrat.

Die Leerkündigungen in den «Sugus»-Häusern haben viele Mieterinnen und Mieter in der Stadt Zürich aufgeschreckt: Sie befürchten, von gewinnorientierten Vermietern auf die Strasse gestellt zu werden, sobald Sanierungen anstehen. Diese sind oft mit einer Mietzinserhöhung verbunden. Wer hingegen eine Wohnung ergattert, die einer Genossenschaft, einer städtischen Stiftung oder der Stadt selbst gehört, hat das grosse Los gezogen. So zumindest lautet die Theorie.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Doch auch die Stadt und ihre Stiftungen müssen ihre in die Jahre gekommenen Liegenschaften erneuern. Das zeigt das Beispiel der Birmensdorferstrasse 191 im Kreis 3. Die Liegenschaft wurde 1953 erbaut. Die letzten Sanierungen liegen weit zurück. Ende der 1980er Jahre wurden Fenster und Bäder sowie einzelne Küchen erneuert. Seit 2018 gehört das Gebäude der Stiftung Einfach Wohnen.

Ein Jahr Vorlauf

Ende Januar hat die Stiftung die Mieterinnen und Mieter der sechzehn Wohnungen und zwei Praxen informiert, dass sie per Ende März 2026 ausziehen müssten. Grund für die Leerkündigung ist ein Sanierungsprojekt. Von den Leitungen über die Heizung bis hin zu Küchen, Bädern und Fassaden will die Eigentümerin alles erneuern. Kostenpunkt: 8 Millionen Franken.

Als letzten Dezember die Mieterinnen und Mieter von drei «Sugus»-Häusern die Kündigung erhielten, versuchte Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) höchstpersönlich mit der Besitzerin in Kontakt zu treten. Offizielles Ziel der Übung: die Gründe für das gewählte Vorgehen erfahren und versuchen, die Situation der Mieterschaft zu verbessern.

Die Leerkündigungen an der Birmensdorferstrasse haben nun die FDP auf den Plan gerufen. Drei Stadtparlamentarier haben dazu einen Vorstoss eingereicht. Sie sehen Parallelen zwischen Kündigungen in den «Sugus»-Häusern und denen an der Birmensdorferstrasse. Wie die drei FDP-Politiker in ihrer Anfrage schreiben, sei das Einladungsschreiben für die Informationsveranstaltung im Januar kurz vor der Adventszeit bei den Mietern eingetroffen, wenige Tage nach Bekanntwerden der «Sugus»-Kündigungen.

Der Brief der Stiftung Einfach Wohnen habe grosse Unsicherheit bei den betroffenen Mieterinnen und Mietern zur Folge gehabt, heisst es weiter in dem Vorstoss. Dies nicht zuletzt, weil die Stiftung die Mieter im Vorjahr informiert hatte, dass sie das Haus sanieren wolle. Zu den Folgen für die Mieterschaft schrieb die Stiftung Einfach Wohnen damals, es sei noch zu früh, um das Ausmass und den Zeitpunkt der Sanierung zu kennen.

Jetzt ist klar: Alle müssen raus.

Die FDP will nun vom Stadtrat wissen, wie die Stadt die Situation der betroffenen Mietparteien verbessern könne und ob eine Sanierung in bewohntem Zustand geprüft worden sei. Zudem erschliesst sich den Freisinnigen nicht, wie sich eine Sanierung für 8 Millionen Franken mit dem Vorsatz der Stiftung vereinbaren lässt, einfache Ausbaustandards zur Verfügung zu stellen.

«Stadt muss eigenem Anspruch gerecht werden»

Die am Informationsanlass gezeigte Präsentation liegt der NZZ vor. Für Bewohner mit unbefristeten Mietverhältnissen hat die Stiftung Unterstützungsangebote bereitgestellt. So will sie Mietern unter anderem Vorrang gewähren bei freien Wohnungen in ihren Liegenschaften. Das würde allerdings einen Wegzug aus dem Quartier bedeuten.

Gemäss der Website verfügt die Stiftung derzeit nur in Zürich Affoltern und Zürich Schwamendingen über freie Wohnungen. Jene im letztgenannten Stadtquartier werden befristet bis September 2025 angeboten.

Die Stiftung will auch für eine allfällige Rückkehr in die sanierte Liegenschaft Hand bieten. Voraussichtlich im April 2027 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Die Mieten würden dann aber 20 bis 30 Prozent höher sein als heute.

Auch mit Kontakten zu anderen gemeinnützigen Stiftungen will die Stiftung Einfach Wohnen den gekündigten Mietern unter die Arme greifen.

Jehuda Spielman ist einer der Autoren der FDP-Anfrage. Für ihn steht fest, dass die Unterstützungsangebote der Stiftung nicht darüber hinwegtäuschen könnten, dass langjährige Bewohner einer Liegenschaft einer städtischen Stiftung ihr Zuhause verlören. «Wenn die Stadt Zürich gegenüber privaten Eigentümern als moralisch überlegen gelten möchte, muss sie diesem Anspruch auch gerecht werden.»

Wie viele der betroffenen Mietparteien einen unbefristeten Mietvertrag haben und somit überhaupt für die Unterstützungsangebote der Stiftung infrage kommen, gibt die Stiftung nicht bekannt. Die Stiftungspräsidentin Mira Porstmann verweist darauf, dass der Stadtrat bis am 7. Mai Zeit habe, die Anfrage der FDP zu beantworten. Erst danach stehe die Stiftung für allfällige weitere Fragen zur Verfügung.

Um Immobilienbesitzer für sozialverträgliches Sanieren zu sensibilisieren, hat die Stadt einen Leitfaden verfasst. Eine Empfehlung lautet, dass die Mieterinnen und Mieter zwei Jahre vor der Vertragsauflösung informiert werden sollten. Das ist im Fall der Liegenschaft im Kreis 3 nicht geschehen.

Dass sich private Investoren durchaus damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen Sanierungs- und Neubauprojekte auf ihre Mieterschaft haben, zeigt sich zum Beispiel bei der UBS-Pensionskasse, die in Altstetten eine Siedlung erneuern und verdichten will. In Etappen und mit langer Vorlaufzeit. Vier Jahre bevor 2027 die ersten Kündigungen ausgesprochen werden, hat die Pensionskasse die betroffenen Mieter informiert.

Exit mobile version