Donnerstag, Dezember 26

Die Finanzmarktaufsicht will dem Beispiel Grossbritanniens folgen und ein neues Verantwortlichkeitsregime für hochrangige Bankmanager einführen. Aber gerade das britische Modell hat Tücken.

In den letzten Jahren ihres Bestehens tanzte das Topmanagement der Credit Suisse den Verantwortlichen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) auf der Nase herum. Trotz wiederholten Skandalen mit Milliardenschäden setzten die CS-Verantwortlichen die Vorgaben der Aufseher nur verzögert und minimalistisch um. Am eigenen Risikoverhalten änderten sie wenig, von einer Kultur der Verantwortung war auch auf der höchsten Führungsebene nichts zu spüren.

Legendär ist die Aussage des ehemaligen CS-Verwaltungsrats-Präsidenten Urs Rohner, der 2014 nach einer Milliardenbusse in den Vereinigten Staaten wegen Beihilfe zum Steuerhinterziehung sagte, er persönlich habe eine «weisse Weste». Eine ganz andere Frage sei die nach derjenigen der Bank über die vergangenen Jahrzehnte.

Zu ihrem grossen Frust gelang es den Finma-Aufsehern laut eigenen Angaben oft nicht, einzelnen Managern ein Fehlverhalten direkt zuzuordnen; obwohl sie über viele schlagkräftige Instrumente verfügen, um leitende Bankmanager zum Reden zu bringen, wenn nötig von ihrer Position zu entfernen und vom Finanzplatz zu verbannen. Nur eine Woche nach dem Untergang der Credit Suisse am 19. März 2023 forderte die Finma deshalb neue Aufsichtskompetenzen, darunter ein Senior-Manager-Regime.

Der Druck auf britische Banker ist gestiegen

Der Vorschlag kam in der Schweizer Politik gut an. Er beinhaltet, dass Banken in Zukunft schwarz auf weiss festhalten müssen, welche Führungsexponenten für welche Verantwortungsbereiche zuständig sind. Kein Topmanager soll im Nachhinein behaupten können, er habe nicht gewusst, was unter ihm geschehen sei. Kommt es zu einem fahrlässig verursachten Fehlverhalten bei einer Bank, soll klar sein, wer dafür verantwortlich ist. Die Finma erhofft sich davon eine disziplinierende Wirkung.

Als Beispiel für ein Land, das bereits ein solches System kennt, nennt die Finma in ihrem Bericht zur CS-Krise Grossbritannien. Dort ist das Senior-Manager-Regime, wie es im Aufseherjargon heisst, bereits seit 2016 in Kraft. Die Briten führten dieses ein, nachdem beim Skandal um die Manipulation des Libor zwar hohe Bussen gegen einzelne Banken ausgesprochen worden waren, aber viele der verantwortlichen Banker ungeschoren davongekommen waren.

Heute lässt sich sagen: Das neue Regime hat einen erheblichen Einfluss auf den Arbeitsalltag von britischen Bankern. Ein hochrangiger Manager einer globalen Grossbank in London mit mehreren hundert ihm unterstellten Mitarbeitern sagte der NZZ kürzlich, früher habe er nicht gross darüber nachgedacht, wenn er einen internen Entscheid per Unterschrift habe bewilligen müssen. Heute sei das anders. Wenn er etwas genehmigen müsse, nehme er das Telefon in die Hand und frage bei der verantwortlichen Person nach, was er da genau unterschreiben solle. Denn er wisse: Wenn etwas schieflaufe, bedeute das für ihn eine heftige finanzielle Strafe und schlimmstenfalls das Karriereende.

Allerdings ist noch überhaupt nicht klar, wie ein solches Modell in der Schweiz umgesetzt werden soll. Die Finma erwähnt das Senior-Manager-Regime seit einem Jahr zwar bei jeder Gelegenheit als wichtige Massnahme gegen künftige Bankenskandale. Wie diese konkret aussehen soll – darüber hat die Behörde bis jetzt kaum ein Wort verloren.

Wie bürokratisch darf das neue Regime sein?

Gespräche mit Aufsichtsexperten und Schweizer Finanzplatzvertretern zeigen gleichwohl, dass das von der Finma aufgebrachte britische Modell kaum als Vorbild taugt. Dieses hat auf dem hiesigen Finanzplatz mitunter den Ruf eines bürokratischen Molochs.

In Grossbritannien sind Zehntausende Führungsangestellte bei Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern dem Regime unterstellt, das zwischen dreissig verschiedenen Funktionen unterscheidet.

Kritiker in der Schweiz sagen, das britische Senior-Manager-Regime führe dazu, dass hochrangige Bankangestellte einen erheblichen Teil ihres Arbeitsalltags darauf verwenden müssten, sich auf allen Seiten abzusichern. Wer im Vorfeld einer Rechtsverletzung nicht alle vernünftigerweise erwartbaren Schritte unternommen hat, um diese zu verhindern, ist «guilty of misconduct» – eines Fehlverhaltens schuldig.

Die Rede ist von einer Checklisten-Mentalität und einem bürokratischen Aufwand, der den Nutzen des Regimes nicht rechtfertige. Auch die Zulassung in Senior-Manager-Funktionen ist hürdenreich: Etliche der Betroffenen müssen vor Stellenantritt bei den Aufsichtsbehörden vorsprechen.

Daniel Zuberbühler, ehemaliger Chef der Eidgenössischen Bankenkommission, der Vorgängerbehörde der Finma, sagt: «Das britische Modell ist vor allem eine lukrative Ertragsquelle für Beratungsgesellschaften.» Er plädiert dafür, dass die Schweiz, wenn überhaupt, ein viel schlankeres Modell einführt, das sich auf die UBS und allenfalls die systemrelevanten Inlandbanken ZKB, Postfinance und Raiffeisen beschränkt.

Bankiervereinigung: «Es lässt sich nicht alles wegregulieren»

In eine ähnliche Richtung tendiert die Bankiervereinigung. In einem neuen Positionspapier schreibt sie, sie unterstütze zwar die Einführung eines «angemessenen» Senior-Manager-Regimes. Doch dieses dürfe keine neue Bürokratie verursachen und keine fundamentale Umstellung des Aufsichtsrechts mit sich bringen.

Das neue Regime solle an der heutigen Gewährserfordernis für Geschäftsleitungsmitglieder und Verwaltungsräte anknüpfen; diese Anforderung besagt, dass leitende Bankvertreter fachlich und charakterlich in der Lage sein müssen, die Bank korrekt zu führen. «Ein breitflächiges und bürokratisches Regime wie zum Beispiel dasjenige des Vereinigten Königreichs erscheint nicht sinnvoll», schreibt der Verband.

Diesen Standpunkt vertrat auch Susan Emmenegger, Finma-Verwaltungsrätin und Rechtsprofessorin, im Jahr vor der CS-Krise: «Als schlank wird man den UK-Ansatz auch bei wohlwollender Betrachtung kaum bezeichnen können», hielt sie in einer Analyse des britischen Modells fest. Hier sei im Fall einer schweizerischen Umsetzung ein «Swiss Finish» im positiven Sinne gefragt.

Im Gespräch sagt Oliver Buschan, Geschäftsleitungsmitglied der Bankiervereinigung, eine bessere Variante des Senior-Manager-Regimes sei jenes von Singapur. Dieses sei prinzipienbasierter und schlanker. «Am Schluss kann man noch so viele Regeln aufstellen – es lässt sich nicht alles wegregulieren. Es braucht vor allem Leute, die hinstehen und effektiv Verantwortung übernehmen.»

Exit mobile version