Israel Defense Force/X
Der Angriff auf Israel war erwartet worden. So erreichten nur fünf Raketen ihr Ziel. Weshalb die Abwehr so erfolgreich war, verdeutlicht eine visuelle Aufarbeitung der zahlreichen Verteidigungsmassnahmen.
Zum ersten Mal im lange schwelenden Schattenkrieg zwischen Iran und Israel hat Teheran zu einem direkten Schlag ausgeholt. Laut den israelischen Streitkräften (IDF) feuerten das iranische Regime und seine Verbündeten in der Nacht zum Sonntag über 350 Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper von Positionen in Iran, im Irak, in Syrien und Jemen ab.
Eine Attacke war nach dem mutmasslich israelischen Luftangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus am 1. April, bei dem mehrere Generäle der iranischen Revolutionswächter ums Leben gekommen waren, erwartet worden. Entsprechend hatten Israel und seine Unterstützer Verteidigungsmassnahmen ergriffen, die nacheinander dazu führten, dass der Angriff abgewehrt werden konnte.
Ein Angriff mit Ansage – und bekannten Waffen
Iran griff für die Attacke auf sein umfangreiches Arsenal an Drohnen und Raketen zurück. Laut Schätzungen der USA verfügt das Land über rund 3000 ballistische Raketen verschiedener Reichweiten. Iran produziert auch Marschflugkörper und Drohnen. Dabei profitiert das Land vom technologischen Austausch mit China, Nordkorea und Russland. Es beliefert auch verbündete Milizen in Libanon, Jemen und im Gazastreifen mit den Waffen.
Das Regime in Teheran brüstete sich schon lange vor dem Angriff damit, Raketen zu besitzen, die mühelos die rund 1600 Kilometer Luftlinie zwischen der iranischen Hauptstadt und der israelischen Küstenstadt Tel Aviv überwinden könnten. Dazu gehören ballistische Mittelstreckenraketen vom Typ Emad, Paveh-Marschflugkörper und Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed. Auch die Mittelstreckenraketen des Typs Kheibar Shekan können Israel erreichen. Die iranische Nachrichtenagentur Isna bestätigte den Einsatz dieser Drohnen und Raketen beim Angriff auf Israel.
Am letzten Freitag verdichteten sich die Anzeichen dafür, dass ein iranischer Angriff mit diesen Waffen unmittelbar bevorstand. Amerikanische Quellen warnten vor einem möglichen Angriff. Frankreich riet seinen Bürgern vor Reisen in das Gebiet ab, und die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa stellte Flüge nach Teheran ein.
Gleichzeitig beorderten die Amerikaner mit der USS «Carney» und der USS «Arleigh Burke» zwei Zerstörer ins östliche Mittelmeer. Die Kriegsschiffe, die mit moderner Radartechnolgie und Raketenabwehr ausgestattet sind, waren zuvor schon in der Region unterwegs. Der Flugzeugträger «Dwight D. Eisenhower» patrouilliert mit seinem Verband zudem im Roten Meer.
Die USA sind nicht nur durch ihre Seestreitkräfte präsent, sondern unterhalten auch über ein Dutzend Stützpunkte in der Region. In verschiedenen Ländern wie Saudiarabien, dem Irak und Jordanien sind amerikanische Patriot-Flugabwehrsysteme stationiert. Auch Grossbritannien und Frankreich haben Kampfjets in Zypern und Jordanien stationiert.
Zusätzlich ist seit letztem Jahr das weltraumgestützte Frühwarnsystem Sbirs des amerikanischen Militärs voll einsatzfähig. Das System besteht aus sechs Satelliten in einer Höhe von 36 000 Kilometern, die Wärmestrahlung erkennen, um Raketen zu orten. Das milliardenteure Projekt war auch im Hinblick auf mögliche iranische Attacken mit Langstreckenraketen und Marschflugkörpern entwickelt worden. Die amerikanische Regierung gab jedoch nicht bekannt, ob Sbirs bei der Abwehr der iranischen Attacke am Wochenende im Einsatz war.
Iran warnt, die Luftschlacht beginnt
Die Vorbereitung der Verbündeten war angesichts des Ausmasses der iranischen Attacke nötig. Der Angriff umfasste rund 170 Kamikaze-Drohnen, mehr als 120 ballistische Raketen und etwa 30 Marschflugkörper. Zum Vergleich: Beim stärksten Luftangriff Russlands auf die Ukraine in diesem Jahr wurden an einem Tag rund 150 Geschosse eingesetzt.
Über die Angriffspläne habe Iran aber bereits in den Tagen davor informiert, teilten jordanische, türkische und irakische Vertreter am Montag mit. Amerikanische Regierungsvertreter erklärten dazu lediglich, Iran habe die USA nicht vorab gewarnt. Laut dem «Wall Street Journal» setzten iranische Beamte Saudiarabien und andere Golfstaaten zwei Tage im Voraus über die Grundzüge ihrer Pläne in Kenntnis, damit diese ihren Luftraum sichern konnten. Diese Informationen seien an die USA weitergeleitet worden.
Als die ersten Shahed-Drohnen am Nachthimmel über dem Irak erschienen, waren demnach sowohl Washington als auch Israel bereits gewarnt. Rechtzeitig liessen Amerikaner und Israeli, aber auch Briten und Franzosen Kampfjets aufsteigen. So gelang es, sämtliche Kamikaze-Drohnen vor Erreichen des israelischen Territoriums abzuschiessen, 70 davon durch amerikanische F-15-Kampfflugzeuge, die unter anderem in Jordanien starteten. Die verhältnismässig billig hergestellten iranischen Fluggeräte stellen nur eine begrenzte Bedrohung dar, da sie nur eine Bombe von bis zu 50 Kilogramm tragen können. Die von Iran lancierten Shahed-136-Drohnen benötigten zudem für die Distanz zwischen Israel und Iran etwa sechs Stunden. Ihr Einsatz hatte vor allem den Zweck, die Verteidiger zu beschäftigen.
Die Israeli profitierten entsprechend von ihren Unterstützern. Auch die jordanische Luftwaffe schoss eine unbekannte Anzahl an Drohnen und Raketen ab, die in ihren Luftraum eingedrungen waren. Unterstützt wurde das Land von der französischen Luftwaffe, die ihre in Jordanien stationierten Rafale-Kampfjets aktivierte. Derweil starteten britische Typhoon-Flugzeuge in Zypern und operierten im Gebiet über Syrien und dem Irak. Damit gelang es auch, den Grossteil der abgefeuerten Marschflugkörper frühzeitig unschädlich zu machen. Die israelischen Verteidigungskräfte, die mit F-35-Kampfjets operierten, schossen 25 von etwa 30 iranischen Lenkwaffen ausserhalb der Landesgrenzen ab.
Die grösste Gefahr bestand durch die mehr als 120 ballistischen Raketen, die mehrfache Schallgeschwindigkeit erreichen und die Strecke von Iran nach Israel in weniger als 15 Minuten zurücklegen können. Zwar schossen die amerikanischen Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer vier bis sechs ballistische Raketen ab, und ein weiterer Abschuss erfolgte durch ein Patriot-Flugabwehrsystem, das amerikanische Soldaten im Nordirak bedienten. Dennoch räumte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari ein, dass einige ballistische Raketen in den israelischen Luftraum eingedrungen seien.
Israels Flugabwehrschild bewährt sich
Die verbleibenden Geschosse trafen schliesslich auf den Abwehrschild Israels. Dieser besteht aus mehreren Stufen.
Der sogenannte Aerial Defense Array besteht in einer ersten Stufe aus den Arrow 2- und Arrow-3-Systemen, die ballistische Raketen ausserhalb der Erdatmosphäre abfangen können. Laut israelischen Angaben wurden ein Grossteil der restlichen iranischen Geschosse durch das Arrow-3-System unschädlich gemacht. Als Absicherung gegen ballistische Kurzstreckenraketen und Marschflugkörper fungiert das System David’s Sling, bevor schliesslich das bekannteste der israelischen Systeme zum Zug kommt, der Iron Dome.
Die von Iran angestrebte Überforderung der israelischen Flugabwehr blieb am Wochenende aus. Nur fünf iranische Raketen entgingen laut israelischen Angaben sämtlichen Abwehrmitteln und schlugen ein. Es war das erste Mal, dass der hochmoderne Arrow-Abwehrschild derart gefordert war. Dies, obschon dank frühen Warnungen und der Hilfe diverser Länder in der Luft, zur See und am Boden Schlimmeres verhindert wurde.