Freitag, Oktober 4

Der Kantonsrat spricht sich dafür aus, dass Bezirksbehörden ihre Entscheide öffentlich machen müssen.

Bund – Kanton – Gemeinde: Aus dieser Dreifaltigkeit, das lernt jedes Kind früh schon in der Schule, besteht die politische und administrative Organisation der Schweiz. Doch das ist nicht alles. In gewissen Kantonen, darunter auch Zürich, gibt es noch eine weitere, etwas obskure Ebene: jene der Bezirke.

Ihre Entstehung geht bis auf Napoleon zurück, doch im Alltag der allermeisten Einwohner spielen Bezirke keine Rolle. Sie schicken weder eine Steuerrechnung noch bauen sie Strassen oder sammeln Abfallsäcke ein. Dennoch sind sie wichtig, denn sie sind ein Scharnier zwischen der Kantonsverwaltung und den Zürcher Gemeinden.

Nicht zuletzt sind sie erste Instanz in Rekursen gegen Erlasse der kommunalen Ebene. Wer eine Gebühr seiner Gemeinde als zu hoch erachtet, kann sich genauso an die Bezirksbehörden wenden wie jemand, der mit einem Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) nicht einverstanden ist.

Eine Behörde, die unter dem Radar fliegt

Als besonders transparent gelten die Bezirksbehörden allerdings nicht. Es gibt keine Website, auf der all ihre Entscheide einsehbar sind.

Der Winterthurer GLP-Kantonsrat Urs Glättli will dies ändern. Er hat gemeinsam mit Vertretern der FDP, der Mitte, der SP, der EVP und der AL eine parlamentarische Initiative für mehr Offenheit der Bezirksbehörden eingereicht. Sie wurde am Montag in einer ersten Runde beraten.

Die Initianten forderten, dass die Bezirksbehörden ihre Entscheide und Anordnungen und Empfehlungen künftig koordiniert im Internet veröffentlichen müssen, etwa in einer Datenbank, in der eine Suche nach Gemeinde oder Verhandlungsgegenstand möglich ist.

Obwohl Zürcher Behörden seit 2006 verpflichtet seien, von sich aus über ihre Tätigkeiten zu informieren, sei das auf der Bezirksebene bis heute nicht der Fall, argumentieren die Unterstützer der Initiative. Während der Regierungsrat und kommunale Behörden ihre Entscheide schon längst online stellten, fehle bei den Bezirksbehörden der Überblick.

So würden Einwohner heute unter Umständen nicht einmal erfahren, wenn eine Bezirksbehörde über ihre eigene Wohngemeinde einen Entscheid gefällt habe. Weiter sei es nicht möglich, zu überprüfen, ob die unterschiedlichen Bezirksbehörden in ähnlichen Fällen auch ähnlich urteilen würden. Transparenz sei aber wichtig, um das Vertrauen in das staatliche Handeln zu fördern, sagte der Erstunterzeichner Urs Glättli.

«Die Bezirksbehörden fliegen häufig unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung», ergänzte Mario Senn (FDP, Adliswil). Er sprach sich für eine kostengünstige Lösung aus, um Beschlüsse der Bezirksbehörden öffentlich zugänglich zu machen – der Kanton und die Gemeinden verfügten bereits über entsprechende technische Möglichkeiten.

Auch auf der linken Ratsseite stiess diese Idee auf Zuspruch. So sagte Stefan Feldmann (SP, Uster) , eine Entscheiddatenbank sei für die Gemeindebehörden ebenfalls von grossem Interesse.

Was wäre mit Kesb-Entscheiden?

Die grosse Frage ist, wie weit die Bezirke gehen sollen, um die Entscheide zu veröffentlichen. Die SVP/EDU-Fraktion befürchtete, dass die Bürokratie überborden könnte, weshalb sie die Initiative ablehnte. Christian Pfaller (SVP, Bassersdorf) führte aus, dass es pro Jahr fast 3000 Rekurse und Beschwerden gebe. «Würde jeder dieser Entscheide publik gemacht, wäre der Aufwand unverhältnismässig», sagte er. Denn mit der Veröffentlichung seien weitere Arbeiten verbunden, etwa die Anonymisierung von Namen.

Schon heute würden Leitentscheide der Bezirksebene, welche eine Praxisänderung bedingten, über die Staatskanzlei veröffentlicht. Mehr brauche es nicht.

Sein Parteikollege René Isler (Winterthur) brachte einen weiteren Aspekt ein. Er sei privater Beistand und aus eigener Erfahrung wisse er, dass es in Rekursen gegen Massnahmen der KESB es in der Regel um ganz persönliche Schicksale gehe. «Solche Fälle zu veröffentlichen, auch anonymisiert, dünkt mich schräg.»

Dass es auf die eine oder andere Art eine Beschränkung braucht, sahen andere durchaus auch so. Es gehe nicht darum, alle Entscheide zu veröffentlichen, sagte etwa Benjamin Krähenmann (Grüne, Zürich), sondern nur die wesentlichen. Dazu zählte er unter anderem Rekursentscheide in Stimmrechtssachen oder Aufsichtsbeschwerden, aus denen eine Anordnung oder Empfehlung erwachse.

Mit dieser Argumentationslinie konnte sich die grosse Mehrheit des Kantonsparlaments anfreunden. In der Abstimmung im Rat erhielt die parlamentarische Initiative 124 Stimmen und damit mehr als doppelt so viele, wie es für eine vorläufige Unterstützung gebraucht hätte. Die Forderung geht nun in eine Kommission, welche die Details ausarbeitet.

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