Sonntag, Oktober 6

Der Medienmann Tyler Brûlé hat die Villa renoviert und mit Stilgefühl eingerichtet. Jetzt gehört sie den Inhabern des Miramonti-Hotels, Carmen und Klaus Alber. Am Meraner Haus haben sie nichts verändert – zur Freude der Gäste aus aller Welt.

Wer das Glück hat, einige Tage in der Villa Fluggi verbringen zu dürfen, wird gleich mehrfach belohnt. Es ist eine Zeitreise in die Architektur und das Design der 1960er Jahre und bietet die Chance, am kongenialen Zusammenspiel des Weltbürgers, Entrepreneurs und «Monocle»-Herausgebers Tyler Brûlé und des Meraner Designers Harry Thaler teilzuhaben. Man begibt sich nicht nur auf eine Zeitreise, sondern erlebt diese Epoche mit der kuratierten Kunst-, Plakat- und Fotosammlung, den Möbeln, Vasen, Kissen und Plaids, die der Unternehmer und sein Partner Mats Klingberg für dieses Haus auf der ganzen Welt zusammengetragen haben.

Man hat das Gefühl, dass beide noch hier sitzen, ihr Medien- und Lifestyle-Imperium mit Handys und Laptops von hier aus leiten, abends auf der Terrasse einen Drink nehmen und Tyler Brûlés Mutter Virge, eine kanadische Künstlerin, die eine oder andere Rose im Garten schneidet und in eine der zahlreichen Vasen steckt. Auch sie lebte hier mehrere Jahre. Es ist wie ein Haus von guten Freunden, die mal kurz vereist sind und einen Einblick in ihr Privatleben gewähren.

Mehrfach hatte der gebürtige Kanadier Ferien in der Südtiroler Kurstadt verbracht. Sie gefiel ihm so gut, dass er hier nach einem Zweitwohnsitz Ausschau hielt. Inmitten prächtiger Jugendstilvillen im ruhig gelegenen Stadtteil Obermais fand er die Villa Fluggi. Vier Jahre, von 2015 bis 2019, lebte der Medienmann in dieser Idylle, bis er das Domizil an Carmen und Klaus Alber, die beiden Inhaber des renommierten Boutique-Hotels Miramonti in Hafling, verkaufte, welche die Leidenschaft für das Schöne teilen und jetzt als Gastgeber fungieren.

Für das Paar war es ausschlaggebend, dass alles so belassen wurde, wie es bei der Besichtigung war. In dieser Zeit eröffnete Brûlé auch den ersten Monocle-Store in Meran. «Heute ist er neben Tokio, Hongkong, Los Angeles, Toronto, London und Zürich einer der sieben offiziellen Monocle-Shops weltweit», erzählt der neue Besitzer Klaus Alber.

Relikte aus den 1960er Jahren, wie die Travertinplatten

Aussen ist die Villa Fluggi ein wunderschönes Haus aus den 1960er Jahren mit einem herrlichen Garten. Innen haben die Vorbesitzer einiges verändert, sie liessen mehrere vertäfelte Stuben im Tiroler Stil einbauen, selbst die Fenster wurden zum Teil vertäfelt. Als Brûlé und Thaler das Haus zum ersten Mal sahen, war beiden klar, dass sie das versteckte Juwel im ruhig gelegenen Meraner Viertel Obermais zurückbauen mussten, damit die Architektur der 1960er Jahre wieder aussen und innen sichtbar wird.

Vor über fünfzig Jahren entwarf der renommierte Meraner Architekt und Künstler Leo Valtingojer das Gebäude. Er konzipierte auch die Steinfassade aus rosabraunen Marmorstäben, die vertikal montiert wurden, und liess auf dem Boden Travertinplatten verlegen. Die Kreativen wollten den Originalzustand wiederaufleben lassen. Mausgraue Kunststofffenster mit einem energetisch korrekten U-Wert wird man hier dankenswerterweise vergeblich suchen. Die identitätsstiftenden Doppelglasfenster aus weisslackiertem Holz mit Aluminium-Fensterbeschlägen, die typischen Kunststoffrollläden, die noch mit einem Gurt betrieben werden, und die Travertin-Fensterbänke blieben erhalten.

Ein Relikt aus den 1960er Jahren sind auch die Travertinplatten

Wer die Villa betritt, wird erst einmal freudig empfangen: Auf den Fensterbänken und Tischen gedeihen im kühlen Treppenhaus Schefflera, Efeutute oder Fensterblatt, das Klima an der Nordostseite ist für die Topfpflanzen ideal. Das Geländer wurde hier nicht durch ein neues mit steriler Glasbrüstung oder Holzlattung ersetzt, sondern belassen. Die Metallstäbe bieten Sicherheit, der leicht verzierte Handlauf behielt seinen typischen Kunststoffüberzug. Die Setzstufen liess Valtingojer mit Marmor verkleiden, die Trittstufen sind ebenfalls aus Travertin. Sanft flutet das Licht durch die blickdichten Glasscheiben, die durch Holzstreben gegliedert werden.

Die 270 Quadratmeter grosse Wohnfläche verteilt sich auf drei Ebenen. Sie beherbergen fünf Schlafzimmer, drei Bäder, zwei Wohnbereiche, ein Kinder- und ein Arbeitszimmer. Für das Erdgeschoss kaufte der Unternehmer ein kapitoniertes Sofa mit passenden Ottomanen, die die renommierte amerikanische Designerin und Architektin Florence Knoll 1954 entwarf. Mid-Century-Glastische mit Chromfüssen flankieren die Couch. Die beiden kubischen Sessel liessen die neuen Bewohner mit einem Lodenstoff beziehen. Die schwedischen Leinenkissen von Svenskt Tenn in dem typischen Format 40×40 cm wurden angefertigt. Ein Wollteppich von Kasthall, ebenfalls aus Schweden, zoniert das perfekt komponierte Retro-Ensemble. Auf dem von Dieter Rams konstruierten Regalsystem 606 sorgen LP auf dem Vintage-Plattenspieler von Braun für einen relaxten Sound. Der finnische Designer und Architekt Alvar Aalto entwarf die formschöne Sitzbank daneben aus massivem Birkenholz.

Durch das ganze Haus zieht sich ein leichter Olivton. Gelbe Farben sorgen für das südliche Flair wie bei den Kissen oder Keramikvasen oder beim Porträt einer Avanti-Tankstelle des Wiener Fotografen Stefan Oláh im Flur. Auch Orange, unverkennbar eine Modefarbe der Sixties, taucht immer mal wieder auf. Trotzdem strahlt alles Ruhe aus, die Möblierung versprüht eine gewisse Eleganz, ohne steif zu wirken. Es ist dieses authentische Wohngefühl der sechziger Jahre, das den Aufenthalt in der Villa zu einem besonderen Erlebnis für designaffine Feriengäste macht und das dieses Haus so einzigartig macht.

Über dem Esstisch hängt Kunst von Brûlés Mutter

Für den Esstisch wählte der Gründer und ehemalige Chefredakteur von «Wallpaper» bequeme Bugholzsessel und -stühle mit Flechtmuster von Thonet. Ein antiker Kristalllüster aus Österreich erhellt die Tafel am Abend stilvoll. Gläser und Geschirr sind in einem skandinavischen Vintage-Sideboard aus Teak verstaut – das dunkelbraune Tropenholz war der Favorit der skandinavischen Möbeldesigner in dieser Epoche. An der Wand darüber hängen zwei Arbeiten von Brûlés Mutter Virge. Das Foto an der Stirnseite ist eine Arbeit des Hamburger Fotografen David Willen. Grosse Keramikvasen mit massgefertigten Schirmleuchten sorgen überall für stimmungsvolles und indirektes Licht.

Im Obergeschoss liegen ein Kinderzimmer, das Bad, zwei Schlafzimmer und ein zweites Wohnzimmer mit anschliessendem Lesezimmer, das sich durch eine furnierte Schiebetüre abtrennen lässt. Auch hier wurde wieder Fischgrätparkett verlegt, viel Holz, Lodenstoffe und Wollteppiche sorgen für ein Ambiente zum Wohlfühlen. Downlights wird man im Haus vergeblich suchen. Die beiden kreativen Bewohner behielten die meisten mittig angelegten Deckenauslässe und suchten dafür Mid-Century-Modern-Leuchten.

In den Bädern liess Brûlé die typischen Fliesen im Format 10×10 cm verlegen. Unter dem Dach befinden sich noch zwei Schlafzimmer und ein kleiner Rückzugsort zum Schmökern. Blautöne auf den Kissen und dem Plaid sorgen hier für mediterrane Leichtigkeit. Dieser Raum ist auch ein Synonym für das italienische Lebensgefühl des Dolcefarniente. «Fluggi» bedeutet Leichtigkeit, erklärt Klaus Alber. So heisst auch die Gasse, in der die Villa liegt. Von diesem kleinen Rückzugsort geht es direkt auf die kleine Loggia, den Logenplatz mit Blick auf die Berge, Palmwedel und die Dächer der benachbarten Villen.

Ausserdem öffnen zwei Terrassen und Balkone das Haus in den mediterranen Garten. Grossgewachsene Palmen, Zypressen und Olivenbäume beschatten die Villa. Vor dem Wohnbereich in der Eingangsetage blühen alte Strauchrosen. Auf der Terrasse neben der Küche können die Gäste auf feuerverzinkten René-Bättig-Stühlen mit gelben Kunststofflatten – und mit einem Glas Lagrein oder Sauvignon blanc aus dem Weinkeller – auf das gepflegte Grün schauen.

Auch das pulsierende Leben Merans ist nicht weit

Die Villa Fluggi ermöglicht einen ganz privaten Ferienaufenthalt. Bei Bedarf kümmert sich ein Koch um kulinarische Wünsche der Gäste, der Barschrank ist gut gefüllt. Das Frühstück wird täglich «leise» zubereitet. Das köstliche Müsli wird übrigens aus fast zwanzig Ingredienzien selbst gemacht. Man kann den Tag ganz in Ruhe verbringen, das Umland geniessen – selbstverständlich wurde auch an Fahrräder gedacht – oder auch in den Pool im Spa des fünfzehn Minuten entfernten, in Hafling gelegenen Hotels Miramonti eintauchen. Der Garten der Villa beherbergt ausserdem eine von Henry Thaler gestaltete finnische Aussensauna sowie Obst- und Gemüsebeete mit Kräutern. Ernten und Giessen sind erlaubt.

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