Mittwoch, März 12

Nach stundenlangen Verhandlungen in Saudiarabien haben sich die Ukrainer und die Amerikaner geeinigt: Kiew will einen 30-tägigen Waffenstillstand akzeptieren, Washington nimmt die Waffenhilfe wieder auf. Nun liegt der Ball beim Kremlchef Wladimir Putin.

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Knapp zwei Wochen nach dem Streit im Oval Office führten die USA und die Ukraine erneut direkte Gespräche. Dieses Mal trafen sich die beiden Delegationen indes in der saudiarabischen Küstenstadt Jidda und führten ihre Diskussionen ausschliesslich hinter geschlossenen Türen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski reiste zwar auch nach Saudiarabien, führte aber lediglich bilaterale Gespräche am Montag mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Aussenminister Marco Rubio und der Berater für nationale Sicherheit Mike Waltz führten die amerikanische Delegation an. Auf ukrainischer Seite sassen Aussenminister Andri Sibiha, der Leiter der Präsidialverwaltung Andri Jermak sowie Verteidigungsminister Rustem Umerow am Verhandlungstisch. Einfach schienen die Gespräche im Hotel Ritz-Carlton aber auch dieses Mal nicht zu verlaufen. Nach dreieinhalb Stunden legten die Delegationen eine erste Pause ein, um dann während weiterer fünf Stunden zu verhandeln. Schliesslich aber kamen die beiden Seiten zu einem substanziellen Ergebnis.

Kiew erreicht «einen Wandel der Dynamik»

Gemäss einer gemeinsamen Erklärung stimmte Kiew dem amerikanischen Vorschlag für eine «sofortige, temporäre 30-tägige Waffenruhe» zu. Deren Umsetzung hänge nun von einer russischen Zustimmung ab, heisst es in dem Dokument. Sollten beide Konfliktparteien bereit sein, lässt sich der Waffenstillstand danach verlängern. Im Gegenzug nimmt Washington die Lieferung von Waffen und Geheimdienstinformationen an Kiew wieder vollumfänglich auf.

Kiew habe durch die Einigung «einen Wandel der Dynamik» erreicht, erklärte der amerikanische Politikwissenschafter Ian Bremmer am Dienstag gegenüber CNN. Nun liege der Ball beim Kremlchef Wladimir Putin. Im Oval Office vor zwei Wochen bestand Selenski immer wieder darauf, dass die Ukraine amerikanische Sicherheitsgarantien brauche, um eine stabile Waffenruhe und einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Damit verärgerte er den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Dieser warf Selenski vor, im Grunde das grössere Hindernis für einen Frieden zu sein als Putin. Nun gibt der ukrainische Präsident womöglich in der Hoffnung nach, dass er Trump doch noch von seinen Argumenten überzeugen kann, sollte Putin nun nicht auf seinen Plan eingehen.

Die USA und die Ukraine einigten sich zudem darauf, «so bald wie möglich» ein «umfangreiches» Rohstoffabkommen auszuarbeiten. Dieses soll die ukrainische Wirtschaft stärken, bisherige amerikanische Militärhilfe entgelten und die langfristige Sicherheit der Ukraine garantieren.

Kiew geht mit seinen Konzessionen jedoch auch ein Risiko ein. Selenski und seine Regierung betonten in den vergangenen Wochen immer wieder, dass ein dauerhafter Frieden nur mit westlichen Sicherheitsgarantien möglich sei. Denn die Ukrainer befürchten, dass eine überhastete und bedingungslose Waffenruhe vor allem Putin in die Hände spielt. Dieser könnte die Zeit nutzen, um weiter aufzurüsten und bald wieder anzugreifen.

Noch am Dienstag steckte Jermak in einem Kommentar für den «Guardian» den Rahmen für eine langfristige Waffenruhe ganz klar ab: Erstens brauche die Ukraine dafür Sicherheitsgarantien, die Moskau glaubhaft abschreckten. Zweitens müsse Europa seine Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland verschärfen. Und drittens sollte Europa eingefrorene russische Vermögenswerte benutzen, um Kiew weiterhin zu unterstützen.

Mit einem massiven Drohnenangriff auf Moskau und andere Ziele in Russland signalisierte Kiew in der Nacht auf Dienstag zudem, dass es nicht einfach zu einer Kapitulation bereit ist. Insgesamt soll die russische Flugabwehr 343 Drohnen abgeschossen haben – davon 91 in der Region Moskau. Die Angriffe töteten drei Mitarbeiter eines Lagerhauses und verletzten 17 weitere Personen. Dabei wurden angeblich sowohl Wohnhäuser als auch militärische Ziele und kritische Infrastruktur der Erdölwirtschaft getroffen. Unter anderem wurden dadurch die Erdölexporte über die Druschba-Pipeline nach Ungarn zeitweise unterbrochen.

Kiew geht ein Risiko ein

Ukrainische Konzessionen seien «der einzige Weg», um den Krieg zu beenden, erklärte hingegen Rubio im Vorfeld des Treffens. Er wolle aus Jidda mit dem Gefühl abreisen, dass Kiew bereit sei, «schwierige Dinge» für einen Frieden zu tun. Auch die Russen müssten dafür letztlich Konzessionen machen. Bis jetzt hat Washington jedoch nur von der Ukraine konkrete Konzessionen gefordert. Dazu gehört erstens die Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens mit den USA, um bisherige Hilfeleistungen abzugelten. Zweitens erwartet die Trump-Regierung, dass die Ukraine auf einen Teil ihres Territoriums verzichtet. Und drittens schliesst Washington einen Nato-Beitritt und bis anhin auch anderweitige Sicherheitsgarantien aus.

Nach den Gesprächen mit den Ukrainern würden sie definieren, wie weit Kiews Position von den Vorstellungen des Kremls entfernt sei, meinte Rubio. Der amerikanische Aussenminister behauptete dabei, dass noch nicht klar sei, was Moskau wolle. Doch in diesem Punkt scheint Rubio nicht ganz ehrlich zu sein. Er führte bereits direkte Gespräche in Riad mit dem russischen Aussenminister Sergei Lawrow und sollte ziemlich genau wissen, was der Kremlchef Wladimir Putin will: die Unterwerfung der ganzen Ukraine und ein Ende der liberalen Weltordnung.

Selenski und die Ukrainer sind zu einem Frieden bereit. Aber sie wollen dafür von den Amerikanern und den Europäern letztlich eine Sicherheitsgarantie. Die Europäer sind dazu bereit, eigene Friedenssoldaten in der Ukraine zu stationieren, verlangen dafür aber eine ausreichende «Rückversicherung» und Unterstützung durch Washington, um Russland abzuschrecken. Doch Moskau lehnt solche europäischen Friedenssoldaten bis jetzt kategorisch ab. Und gleichzeitig will Trump die Sicherheit der Ukraine am liebsten ganz den Europäern überlassen. Immerhin muss nun aber zunächst Putin den Amerikanern beweisen, wie ernst es ihm mit dem Frieden ist.

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