Donnerstag, Oktober 3

Die eidgenössischen und kantonalen Denkmalschutz-Kommissionen lehnen die Umbaupläne ab.

Es schien, als sei das Vorhaben auf Kurs. 2025 und 2026 sollte das Zürcher Rathaus umfassend saniert werden. Die Haustechnik ist marode, der Platz knapp. Im April 2022 hatte das Parlament die Umbaupläne der Regierung mit einer deutlichen Mehrheit genehmigt.

Die wichtigste Änderung: Der Ratssaal, der zwei Geschosse einnimmt, soll in den zweiten Stock verlegt werden. Zwischen dem ersten und dem zweiten Geschoss wird eine Decke eingezogen und dafür der Raum darüber bis unter das Dach genutzt. Auf diese Weise gewinnt man mehr Fläche für die Ratsmitglieder.

Das erachten Fachleute nun aber als Eingriff in den Bau aus den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts, der zu weit gehe. Wie der Regierungsrat am Mittwoch mitgeteilt hat, hegen sowohl die Kantonale Denkmalpflegekommission (KDK) als auch ihr eidgenössisches Pendant (EKD) Bedenken gegen die Verlegung des Ratssaales.

Baudenkmal des modernen Zürich

Die KDK geht in ihrem Gutachten vom Februar 2023 ausführlich auf die historische Bedeutung dieses öffentlichen Profanbaus aus der frühen Neuzeit ein. Er sei in der Schweiz einzigartig und stehe in einer Reihe mit ähnlichen Bauten in Augsburg, Nürnberg und Amsterdam. Das Rathaus repräsentiere wie kein anderes Gebäude sowohl den Stadtstaat Zürich als auch den späteren Kanton.

Und hier erhält nun der Ratssaal für die Denkmalpflege eine besondere Bedeutung. Während des Ancien Régime tagte im ersten Stock der Grosse Rat. Nach der liberalen Revolution entfernte man die Decke zum zweiten Stock. Mit dem freien Wahlrecht und der repräsentativen Vertretung der Landschaft wurde 1833 die Ratsstube zum Parlamentssaal mit Zuschauertribüne erweitert.

Diese Raumschöpfung war Ausdruck der modernen demokratischen Verfassung und Geburtsstunde des Kantons Zürich in seiner bis heute gültigen Ordnung. Die KDK beurteilt deshalb die Pläne des Kantons nicht als Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Sondern als schwere Beeinträchtigung des Baudenkmals. Die «Zerstörung des Ratssaales» sei ein Eingriff in die Zeugnishaftigkeit des Rathauses.

Die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege schloss sich in ihrem Gutachten von Ende April dieses Jahres dieser Einschätzung vollumfänglich an. Damit ist zumindest klar, dass sich die Sanierung des Rathauses und damit auch die Rückkehr der Parlamente von Kanton und Stadt Zürich wie auch der Landeskirchen verzögern. Diese tagten seit Beginn der Pandemie im Frühling 2020 zuerst im Messezentrum Oerlikon, seit Anfang 2o23 in der Bullingerkirche in Aussersihl.

Die Baudirektion hat entschieden, nicht den normalen Weg zu gehen und ein Baugesuch einzureichen, dessen Schicksal in einem Rechtsstreit sehr ungewiss wäre. Sie will vielmehr den Schutzumfang des Gebäudes frühzeitig festsetzen und ihn gegebenenfalls gerichtlich überprüfen lassen. Auf diesem Weg Rechtssicherheit zu schaffen, benötigt mehr Zeit.

Konkret will der Baudirektor Martin Neukom (Grüne) eine Schutzverfügung für das Rathaus erlassen, die insofern eingeschränkt ist, als sie die Verlegung des Ratssaals in den zweiten Stock ermöglichen würde. Gegen diese Verfügung können dann Rechtsmittel ergriffen werden – zum Beispiel durch den Heimatschutz, der eine private Vereinigung ist.

Spannend werde die juristische Abwägung, sagt Neukom gegenüber der NZZ: «Was ist wichtiger: Dass das Rathaus im Zustand ab 1833 erhalten bleibt, in dem sich der moderne Kanton Zürich spiegelt? Oder dass das Parlament an den Ort zurückkehren kann, wo in Zürich seit über 300 Jahren Politik gemacht wird?»

Kehrt das Parlament überhaupt zurück?

Doch warum ist es so weit gekommen? In der Machbarkeitsstudie von Anfang 2022 heisst es, die Massnahmen seien in enger Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege ermittelt worden. Als Abteilung der Baudirektion habe sich die Denkmalpflege bei der Abwägung zwischen Schutzinteresse und Nutzungsinteresse pragmatischer gezeigt, antwortet Neukom. Die beiden externen Gutachten wurden aber von externen, verwaltungsunabhängigen Kommissionen verfasst.

Martin Neukom geht davon aus, dass das Parlament, falls der geplante Umbau scheitert, möglicherweise nicht mehr in das Rathaus zurückkehren will. Der Kanton arbeitete seinerzeit zwar eine Variante unter Beibehaltung des bestehenden Ratssaals aus. Der grosse Nachteil wäre jedoch, dass die Platzverhältnisse für die Ratsmitglieder fast gleich eng blieben wie in der Vergangenheit. Der Kantonsrat verwarf dieses Szenario.

Kommt man nun allenfalls doch darauf zurück? Möglich sei alles, sagt der Baudirektor. Aber dann benötige er einen neuen Auftrag des Kantonsrats. Die Sanierung fällt eigentlich in die abschliessende Kompetenz der Regierung. Diese ermöglichte aber 2023 einen Entscheid des Kantonsrats. Es sei undenkbar, den Tagungsort des Parlaments umzubauen, ohne dieses darüber entscheiden zu lassen, sagt Neukom.

Kein Problem ist, dass sich das Exil der Zürcher Parlamente in der Bullingerkirche in Aussersihl verlängert. Sie könnten über die vereinbarten fünf Jahre sicher weitere fünf Jahre bleiben, sagt Moritz von Wyss, Generalsekretär des Kantonsrats. Aber er gibt auch zu bedenken, dass die Ausstrahlung des historischen Rathauses nicht ersetzbar sei.

Ursprünglich war vorgesehen, die Sanierung des Rathauses mit dem ebenso geplanten Neubau der Gemüsebrücke zu koordinieren. Das ist nun nicht mehr möglich, bietet aber ebenso keine Schwierigkeiten. Ein Parlamentsbetrieb, während draussen Baumaschinen lärmen, wäre unzumutbar gewesen. Umgekehrt ist es für die neue Brücke egal, wann das Rathaus erneuert wird.

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