Montag, September 30

Der frühere Hedge-Fonds-Manager, welcher der Credit Suisse und anderen Banken einen Milliardenverlust eingebrockt hatte, muss für seine waghalsigen Wetten büssen.

Der «Archegos» führt an und ist anderen dabei ein Vorbild – so zumindest war das in der Antike gedacht. Im modernen Investment Banking gingen die begrifflichen Feinheiten aus dem Altgriechischen verloren: Wer 2021 dem Ruf von Archegos Capital Management folgte, dem Finanzvehikel von Bill Hwang, wurde nicht ins Licht geführt, sondern ins Verderben.

Nun hat eine New Yorker Jury Hwang wegen Betrugs und Marktmanipulation schuldig gesprochen. Einer der grössten Finanzskandale der letzten 15 Jahre hat ein Etappenziel erreicht, wenn auch noch nicht sein Ende gefunden.

Der Todesengel der Credit Suisse

Der frühere Wall-Street-Händler Bill Hwang wettete bis im Frühjahr 2021 mit enormen Summen, die er sich von Banken geliehen hatte, auf ein paar Aktien, deren Preis er in die Höhe trieb. Innert weniger Monate konnte er seinen Einsatz vervielfachen und in schwindelerregende Höhen treiben. Als der Wert von Schlüssel-Aktien, auf die Hwang setzte, im März 2021 einbrach, fiel auch Archegos in sich zusammen. Die Pleite des Family Office sorgte für mehr als 10 Milliarden Dollar an Verlusten bei den beteiligten Investmentbanken und sandte kurzzeitig Schockwellen durchs Finanzsystem.

Am schlimmsten traf es die Credit Suisse, die wegen Archegos 5,5 Milliarden Dollar verlor; dieser riesige Ausfall beschleunigte den Vertrauensverlust der CS-Kunden und folglich den Niedergang der Bank ungemein. Aber auch die UBS verlor rund 800 Millionen Dollar in ihren Geschäften mit Archegos.

Die Jury in New York hat den 60-Jährigen schuldig gesprochen, weil er diese zwei und andere Banken betrogen und Aktienpreise manipuliert hatte, wie Medien übereinstimmend berichten. Die Geschworenen folgten damit in weiten Teilen den Argumenten der Bundesstaatsanwaltschaft. Ebenfalls verurteilt worden ist Patrick Halligan, der frühere Finanzchef von Archegos.

Das Strafmass von Hwang soll am 28. Oktober verkündet werden, bis dahin bleibt er gegen Kaution auf freiem Fuss. Das Urteil kann angefochten werden. Die Anwältin von Halligan erklärte gegenüber dem «Wall Street Journal» bereits, in Berufung gehen zu wollen.

Einer täuschte…

Der Prozess gegen Hwang erregte auch deshalb Aufsehen, weil Archegos das Risikomanagement zahlreicher Grossbanken ausgespielt hatte, um seine Milliardenwetten zu finanzieren. Einige Banken, darunter auch die Credit Suisse, passten ihre Abläufe im Risikomanagement im Anschluss an das Debakel an. Dennoch blieb die Frage im Raum: Wie schaffte es Hwang, einige der vermeintlich besten Banker der Welt an der Nase herumzuführen?

Für die New Yorker Bundesstaatsanwaltschaft war die Antwort klar: Indem er sie nach Strich und Faden belogen hatte. Hwang habe mit einer Reihe von Banken zusammengearbeitet; und keine wusste, wie viel Kredit Hwang bei den anderen Banken offen hatte.

Die Archegos-Vertreter verschwiegen zudem, dass sie die ausgeliehenen Milliarden für sehr konzentrierte Wetten einsetzten, was das Ausfallrisiko deutlich erhöhte und von den Banken als Warnsignal hätte interpretiert werden können. Hwang investierte zudem über Aktienswaps in seine ausgesuchten Titel. Mit diesen Finanzkontrakten konnte er seine Handschrift im Markt und gegenüber dem Regulator verbergen.

…andere liessen sich täuschen

Hwangs Verteidiger argumentierte dagegen, dass der evangelikale Christ und frühere Wall-Street-Händler einfach vom Potenzial der Aktien sehr überzeugt war, in die er investierte. Hwang selbst habe die Banken zudem nie belogen, das hätten seine Mitarbeiter getan. Zudem warf der Verteidiger den Staatsanwälten vor, nicht plausibel erklären zu können, wie Hwang denn von den riesigen Positionen hätte profitieren sollen, die er sich mit dem ausgeliehenen Geld aufbaute.

Tatsächlich war vielen Beobachtern nicht klar, wie Hwang sich den Ausstieg aus seinen Positionen genau vorgestellt hatte. Denn sobald er mit dem Abbau begonnen hätte, wären die Aktienpreise ins Wanken geraten und das Kartenhaus wäre wohl in sich zusammengefallen.

Die Anklage konnte aber zwei wichtige Zeugen vorführen, den ehemaligen Risikochef und den früheren Chefhändler von Archegos. Beide hatten sich zuvor schon schuldig bekannt, kooperierten mit den Bundesstaatsanwälten und erklärten im Detail, wie das System Archegos funktioniert hatte.

So kam es, dass die Verteidigung mit ihren Argumenten bei den Geschworenen nicht durchdringen konnte. Ihr Vorwurf, dass die Banken sich Hwang aus eigenen Stücken an den Hals geworfen hatten, um von dessen goldenen Wetten zu profitieren, stimmte die Jury zwar nicht um.

Aber einigen Bankmanagern, die den Prozess verfolgten, dürfte dennoch unwohl gewesen sein. Denn sie wissen: Ohne die leichtgläubigen Banken hätte der damals bereits vorbestrafte Hwang sein Kartenhaus gar nie errichten können.

Der «Archegos» hat sie nicht zum Reichtum geführt – aber vielleicht zu einer wertvollen Erkenntnis für ihr weiteres Berufsleben.

Exit mobile version