Montag, Oktober 7


Garten

Wo für andere nichts war als verseuchte Böden und rostiges Metall, sah der Landschaftsarchitekt Peter Latz Potenzial. 30 Jahre später ist der Landschaftspark Duisburg-Nord zu einem Symbol für eine neuartige, post-industrielle Form von Natur geworden.

Wer den Schildern in den Landschaftspark Duisburg-Nord folgt, der steht irgendwann ganz verunsichert zwischen kolossalen Metallstelzen und undefinierbaren Apparaturen, aus denen gewaltige Rohre hängen. Rostige Geländer sind von Kletterpflanzen überzogen. Durch vergitterte Öffnungen sieht man in geflutete Kellergewölbe, an deren Wänden Farne wachsen. Ein Schmetterlingsflieder hat es geschafft, im Riss eines massiven Betonblocks zu wurzeln, und zu blühen. Bahnschienen enden im Nichts, dazwischen Unkraut. Ist das der Park? Ja.

Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist ein früheres Eisenhüttenwerk, das nach seiner Schliessung umgestaltet und 1994 als Park eröffnet wurde. Das Konzept des Landschaftsarchitekten und Stadtplaners Peter Latz für die 180 Hektar war revolutionär. Ganz bewusst wurden die Anlagen nicht abgerissen, das Gelände nicht klassisch renaturiert. Heisst: Es wurde nicht versucht, alles möglichst genau in einen vor-industriellen Zustand zurückzuversetzen, nicht zuletzt, weil dies unmöglich ist. Peter Latz überzeugte den Stadtrat stattdessen, nach vorne zu blicken und den Status quo als Startpunkt für Neues wahrzunehmen. Er war einer der ersten, für die Unkraut, oder besser gesagt Spontanvegetation, post-industrielle Natur ist.

Biodiversität in Industriebrachen

Bereits zu Beginn des Projektes hatte sich eine Vielzahl von Pflanzenarten auf dem Gelände angesiedelt. Ökologisch ist das wenig verwunderlich, denn Industriebrachen wie diese bieten unterschiedlichste Lebensräume. Biodiversität war also hier schon Programm Jahrzehnte bevor der Begriff modern wurde. Lange Zeit blieb das Vegetationskonzept des Parks jedoch kontrovers. Schliesslich war ungewiss, wie es sich entwickeln würde.

Gefälliger waren die wenigen Zonen, die konventionell bepflanzt und gegärtnert wurden. Von einer langgezogenen Stahlempore blickt man in frühere Eisenerzbunker und sieht überraschend klassisch anmutende Gartenräume. Inspiriert ist die Pflanzenauswahl von den exotischen Samen, die als blinde Passagiere mit dem Erz kamen und sich auch anderswo auf dem Gelände finden.

Ein Stück weiter werden Lagerbunker ganz anders genutzt. An ihren haushohen Betonwänden befindet sich Deutschlands grösste Outdoor-Kletteranlage. Sie ist Beispiel dafür, wie man hier existierende Gebäude und Strukturen möglichst organisch umfunktionierte. So wurde der gigantische Zylinder eines Gasometers zum grössten Indoor-Tauchgewässer Europas. Das Hüttenwerk mit all seinen Bestandteilen blieb dabei als Industriedenkmal erhalten. Spuren der Zeit, des Verfalls, von Pflanzen und Tieren, alle werden hier als Teil von Geschichte verstanden. Eingegriffen wird nur, wo die Sicherheit der Besucher es erfordert.

Eine Stahltreppe führt auf einen der Hochöfen. Entlang der Route erklären Schilder den Produktionsvorgang der Roheisenherstellung. In 70 Metern Höhe angekommen bietet sich ein hochinteressanter Blick auf das Ruhrgebiet. Wo einst das industrielle Herz der westdeutschen Wirtschaft schlug, sind heute nur noch wenige Schlote und dafür viel Grün zu sehen. Der Landschaftspark wirkt dann plötzlich wie ein Mikrokosmos der Region, die sich nach dem Niedergang der Montanindustrie neu erfinden musste.

Mit viel Mut vertrauten die Verantwortlichen dieses Parks auf ökologische Prozesse und wurden belohnt. Die auf dem Gelände ansässige Biostation bescheinigt heute eine aussergewöhnlich grosse Artenvielfalt. Wenige hatten einen so überwältigenden Erfolg erwartet. Nun kommen Fachleute von weit her und das Konzept des Parks inspiriert ähnliche Projekte weltweit.

Als Besucher, vor allem wenn man sich für Gärten interessiert, verlässt man den Landschaftspark Nord mit geschärftem Blick für ein zeitgemässes Naturverständnis. Unvermittelt entdeckt man diese so radikal andere Ästhetik, die man hier erlebt hat, auch anderswo. Der Landschaftspark Duisburg-Nord erscheint einem dann wie ein Ort der Hoffnung, ein Park voller Leben genau dort, wo einst schwerste Umweltzerstörung stattfand.

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