Freitag, Oktober 18

Die Bomberjacke wurde für amerikanische Kampfpiloten entwickelt. Später stritten sich Neonazis und Punks darum, wer die olivgrüne Nylonjacke tragen darf. Was ihr stets anhaftet: der Geruch des Untergrunds.

Wer in diesen Tagen durch die Luxuskaufhäuser dieser Welt schlendert, etwa durch den neu eröffneten Dover Street Market im Pariser Marais-Viertel, der kommt um sie nicht herum: Die Bomberjacke, einst Symbol der Ultrarechten, ist heute ein «Fashion Piece» ersten Ranges.

Das ist erstaunlich, denn noch vor nicht allzu langer Zeit dachten besorgte Politiker sogar über ein Verbot dieses proletarisch-provokativen Jackentyps nach. 2001 machte sich die damalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) Sorgen um den Frieden auf deutschen Schulhöfen und regte allen Ernstes an, die Bomberjacke zu verbieten, «wegen der Gesinnung, die dahintersteckt».

Diese Zeiten sind vorbei. Jede ambitionierte Marke hat die wuchtig-wattierte Jacke inzwischen im Programm, sie ist auch auf den Strassen unserer Städte omnipräsent. Bei den günstigen Ketten kostet der Nachbau einer solchen Nylon-Fliegerjacke etwas mehr als hundert Franken, das Original namens MA-1 von Alpha Industries kostet rund das Doppelte, bei mancher Marke kann man aber auch das Acht- bis Zwanzigfache dafür ausgeben – etwa bei Saint Laurent oder Balenciaga.

Steve McQueen als Stilvorbild

Aussehen tun die Bomberjacken alle etwa gleich: olivgrün, kurz, aus Nylon gefertigt, mit einem frontalen Reissverschluss, Bündchen und einem leuchtenden Innenfutter. Letzteres sorgte einst dafür, dass abgestürzte Piloten die Jacke nach einer Bruchlandung umdrehen konnten. So waren sie für Rettungsdienste leichter zu erkennen.

Entwickelt wurde die Bomberjacke ab 1958 von der amerikanischen Luftwaffe. Diese wollte ihre bis dahin gebräuchlichen ledernen Pilotenjacken durch leichtere, wärmere und praktischere Jacken ersetzen. Das neue Modell, hergestellt unter anderem von Alpha Industries, funktionierte – weit über den ihr ursprünglich zugedachten Einsatzbereich im Cockpit von Kampfjets hinaus. Die MA-1 fand ihren Weg ins zivile Leben, nicht zuletzt dank Stilvorbildern wie Steve McQueen, der die Pilotenjacke 1979 in «The Hunter» trug.

Gleichzeitig eigneten sich in englischen Arbeiterstädten die ersten Skinheads, also «Glatzköpfe», die Bomberjacke an. Die Glatzköpfe waren keineswegs alles Rechtsradikale. Erst zu Beginn der 1980er Jahre spaltete sich die Skinhead-Szene in Neonazis und Redskins beziehungsweise Punks auf, die einander politisch diametral gegenüberstanden. Beide trugen Bomberjacken, enge Jeans und Fallschirmspringer-Stiefel. Man musste bei einer Konfrontation zwischen den beiden Gruppen schon sehr genau hinschauen, um die Fraktionen auseinanderzuhalten.

In der Folge reklamierten die Neonazis die Jacke für sich. Nicht nur wegen ihres maskulinen Looks, sondern auch, weil das Logo des Herstellers Alpha Industries verblüffend dem Abzeichen der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) ähnelt, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin in einem Leitfaden zum Thema «Rechtsextreme Dresscodes» schreibt.

Provozieren tut sie nicht mehr

Radikalisierung, Antibürgerlichkeit, Jugendkultur, Gewalt und Provokation – damit assoziiert man die MA-1 Bomberjacke seither. Es ist der Geruch des Untergrunds, der sie stets begleitet und periodisch wieder an die Oberfläche spült.

Eine leichtere Variante davon trug Ewan McGregor als Renton 1996 in Danny Boyles «Trainspotting». 2001 brachte der belgische Designer Raf Simons die Bomberjacke auf den Laufsteg – seine «Riot»-Jacken von damals erzielen heute im Wiederverkauf fünfstellige Preise. Über die Pop-Kultur – LL Cool J, Drake, Kanye West, Rihanna – ist die Bomberjacke inzwischen zu einem Standard der modernen Streetwear geworden, analog der Jeansjacke oder dem Hoodie.

Eine der originellsten Varianten der Bomberjacke schuf der japanische Designer Junya Watanabe 2006 in einer Kollektion, die sich ganz der Neuinterpretation von abgelegter Militärkleidung widmete. Er drehte die Bomberjacke auf den Kopf, so dass der Taillenbund den Kragen bildete – die Bewegungsfreiheit war dadurch zwar leicht eingeschränkt, aber der Look unerwartet elegant. Es war ein passendes Sinnbild für die Karriere dieser Jacke, die von ganz (rechts) unten gekommen und nun auf dem Laufsteg in Paris angekommen war.

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