Freitag, Januar 10

Albert Popov hat in Madonna di Campiglio sensationell den Nachtslalom gewonnen. Der Bulgare ist nicht der einzige Exot im Ski-Zirkus, dem Erstaunliches gelungen ist.

«Es ist ein Genuss, ihm zuzuschauen», sagt der Moderator am Mittwochabend im Schweizer Fernsehen (SRF), als Albert Popov im Flutlicht an den verschneiten Tannen vorbeirast und die Slalomstangen in Schräglage umkurvt, so dass er mit dem Körper fast den Boden berührt. «Das ist so blitzgescheit», pflichtet ihm ein Kollege bei, während die Experten im Bayerischen Rundfunk werweissen, wer früher einknickt, Popovs Hüfte oder die Stange. Dem Bulgaren fehlen nur noch wenige Meter, auf dem rechten Ski schlingert er schliesslich über die Ziellinie.

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Kurze Zeit später, es liegt schon Nebel über der Piste Canalone Miramonti im Trentino, fädelt der Norweger Atle Lie McGrath ein und scheidet aus – womit Popov sein erstes Weltcup-Rennen gewonnen hat.

Damit ist ihm in Madonna di Campiglio Historisches geglückt. Denn Popov, 27 Jahre alt, ist erst der zweite Sieger aus Bulgarien in einem Weltcup-Rennen. Auf den Tag genau vor 45 Jahren war Petar Popangelov in Lenggries in Deutschland ebenfalls im Slalom auf den ersten Platz gefahren.

Er ist klein, wendig – und schnell

Popov ist der kleinste Athlet im Weltcup: Er ist nur 1 Meter 64 gross, was ihm in technischen Disziplinen gewisse Vorteile verschafft. Das sagte der Schweizer Skirennfahrer Ramon Zenhäusern einst, als er auf seine Körpergrösse – der Walliser ist über zwei Meter gross – angesprochen wurde: «Wenn ich im Flachen schnell bin, dann wird das auf die Grösse geschoben. Wenn aber Popov aufgrund seiner Körpergrösse in steilem Gelände dank seiner Wendigkeit sehr schnell ist, bezeichnet das niemand als Wettbewerbsvorteil.»

Die französische Sportzeitung «L’Équipe» nannte Popov einmal «la petite bombe bulgare» – «die kleine bulgarische Bombe». Insbesondere in den Slaloms von Kitzbühel und Schladming im Jahr 2019 hatte er auf sich aufmerksam gemacht. In Kitzbühel etwa preschte er mit Startnummer 71 auf Rang fünf nach dem ersten Lauf vor und landete letztlich auf dem neunten Platz. In Schladming klassierte er sich mit Startnummer 46 im seechsten Rang. Seither schaffte es Popov noch drei weitere Male in die Top Ten. Im Februar 2023 stand er in Palisades Tahoe in den USA als Dritter auf dem Podest.

In der Heimat würden jeweils über eine Million Menschen ihre Fernseher einschalten, um dabei zu sein, wenn Popov «mitten in die Weltspitze fährt, kompakt, mit kurzen Schwüngen, leichten Auf- und Abbewegungen, einem Gummiball gleich», hiess es vor einem Jahr im Tages-Anzeiger.

Sein Trainer starb bei einem schweren Autounfall

Im November 2015 überlebte Popov wie durch ein Wunder einen schweren Autounfall. Der damals 18-Jährige war gemeinsam mit seinem Trainer Drago Grubelnik und dem Co-Trainer Mitko Ristov unterwegs zum Training auf dem Rettenbach-Gletscher oberhalb von Sölden, als das Auto von der Strasse abkam und rund 250 Meter in die Tiefe stürzte.

Grubelnik, einst selbst Slalom-Fahrer im Weltcup, starb kurz danach im Spital, Ristov wurde schwer verletzt. Popov hingegen kam mit einem gebrochenen Sprunggelenk und einer leichten Gesichtsverletzung davon. Und kämpfte sich zurück: Ein Jahr startete er erstmals wieder im Weltcup – ausgerechnet im Riesenslalom auf dem Rettenbach-Gletscher.

Auch Griechen, Japaner und eine Iranerin gelangen Exploits

Im Skisport gibt es zwei unterschiedliche Arten von Exoten. Da sind Typen wie Hubertus von Hohenlohe, der für Mexiko an mehreren Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilnahm – er landete jeweils abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Und dann gibt es solche wie Popov, der sich nun Weltcup-Sieger nennen darf. Er ist nicht der einzige Skifahrer, dem scheinbar aus dem Nichts ein Exploit gelungen ist. Alexander John «AJ» Ginnis etwa gewann im Jahr 2023 in Chamonix als erster Grieche eine WM-Silbermedaille im Slalom. Überraschend aufs Podest fuhr auch Naoki Yuasa. Im Jahr 2012 schob sich der Japaner beim Nachtslalom von Madonna di Campiglio im zweiten Lauf von Platz 26 auf den dritten Rang vor.

Als bisher einzige Athletin von der südlichen Hemisphäre gewann Zali Steggall im WM-Slalom 1999 in Beaver Creek eine Goldmedaille für den australischen Skiverband. Bereits ein Jahr zuvor hatte sie an den Olympischen Spielen in Nagano in der gleichen Disziplin Bronze geholt. Steggall ist mittlerweile Mitglied in Australiens Repräsentantenhaus.

Nach Steggalls Exploits verschwand Ozeanien allerdings lange Zeit vom Weltcup-Podest. Bis zum Riesenslalom in Sölden 2019. Damals triumphierte Alice Robinson – als 17-Jährige. Mittlerweile stehen zwei weitere Weltcup-Siege in ihrem Palmarès.

In der Abfahrt von Cortina im Dezember 1976 verhinderte die Iranerin Elena Matous mit Rang 2 einen Dreifach-Erfolg für Österreich. Aufgrund der politischen Lage in ihrem Heimatland startete Matous später für Italien, San Marino und Luxemburg.

Der nächste Slalom findet bereits am Samstag statt

Albert Popov sagte nach dem Coup im Interview mit SRF, er habe schon nach dem ersten Lauf gespürt: «Dieser Steilhang ist für mich.» Nach dem ersten Durchgang hatte er noch auf Position 8 gelegen. Nun hat er es endlich ganz an die Spitze geschafft.

Auch der Schweizer Loïc Meillard landete am Mittwoch im Nachtslalom auf dem Podest – zum vierten Mal im fünften Slalom des Winters. Er büsste 0,44 Sekunden auf Popov ein und wurde Zweiter. Die nächste Gelegenheit für einen Podestplatz bietet sich Meillard bereits am Samstag. Aufgrund der Wetterprognosen in Adelboden haben die Organisatoren den Slalom vorgezogen. Der Riesenslalom mit dem Favoriten Marco Odermatt findet am Sonntag statt.

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