Donnerstag, Mai 15

14 Prozent der in Deutschland aktiven Startup-Gründer sind im Ausland geboren. Nun könnte die Bundesrepublik von den Entwicklungen in den USA profitieren – wenn sie bestehende Standortschwächen ausmerzt.

Rhea Machado und Javier Silva Mora schalten sich für das Teams-Gespräch mit der NZZ aus dem Napoleon-Komplex zu, einer Berliner Veranstaltungsstätte. Auf der Suche nach Investoren für ihr Startup Porelio nehmen sie dort an der Deep Tech Momentum teil, einer Messe, die Kapitalgeber und Unternehmenskunden mit Startups aus dem Bereich Deep Tech zusammenbringt.

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Auch das ist Migration

Als Deep Tech werden Firmen bezeichnet, die sich herausfordernden technischen oder wissenschaftlichen Problemen widmen mit dem Ziel, marktfähige Produkte zu entwickeln. Porelio entwickle Hochleistungsmaterialien zur Entfernung kurzkettiger «Ewigkeitschemikalien» (PFAS) aus Trinkwasser und industriellen Abwässern, erklärt Machado, Verfahrenstechnikerin und CEO des Startups. Mit herkömmlichen Methoden sei das nicht oder nur sehr kostspielig möglich.

Porelio, eine Ausgründung der Technischen Universität Berlin, wurde in den letzten dreieinhalb Jahren mit 2,5 Millionen Euro an öffentlichen Geldern gefördert. Die Förderung läuft bis Ende Januar 2026, nun suchen die Gründer eine Anschlussfinanzierung.

Was sie neben der Leidenschaft für «grüne Chemie» teilen: Beide haben eine Einwanderungsgeschichte. Rhea Machado ist in Deutschland geboren, doch ihr Vater ist als Kind mit seinen Eltern aus Griechenland nach Deutschland emigriert. Der Chemiker Silva Mora ist Mexikaner und kam über Zwischenstationen in Finnland und Frankreich für das Doktorat nach Berlin. Dritte im Porelio-Bunde ist die Zypriotin Nikol Michailidou.

Solche Karrieren sind nicht unüblich. 14 Prozent aller Startup-Gründer in Deutschland seien im Ausland geboren, heisst es im am Mittwoch veröffentlichten «Migrant Founders Report 2025» des deutschen Startup-Verbands und der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Bei den Gründern sogenannter Einhörner – Startups mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde Euro – liegt dieser Anteil sogar bei 23 Prozent.

Stärken der Zuwanderer

Damit sind die Eingewanderten (erste Generation) gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 19 Prozent bei den Startup-Gründern insgesamt unter-, bei den Einhörnern hingegen überrepräsentiert. Für Sophie Chung, Gründerin und CEO der in Berlin ansässigen Digital-Health-Plattform Qunomedical, ist das keine Überraschung: Menschen mit Migrationshintergrund stiessen beim Zugang zum Startup-Ökosystem wie in vielen anderen Bereichen des Lebens auf Eintrittsbarrieren. Wenn sie es aber geschafft hätten, seien sie überdurchschnittlich erfolgreich, erklärte sie bei der Präsentation der Studie.

Warum das so sei, könne wohl jeder nachvollziehen, der in einem Haushalt mit zugewanderten Eltern aufgewachsen sei: «Liebes Kind, du musst härter arbeiten als deine deutschen Freunde und Schulkollegen», werde einem da immer gesagt, fast egal, woher die Eltern stammten. Chung ist in Österreich geboren, ihre Eltern waren aus Kambodscha geflüchtet. 2016 hat die Ärztin Qunomedical gegründet.

Einwanderungserfahrungen könnten bei der Gründung helfen, sagen auch die Porelio-Vertreter. Mit einem Migrationshintergrund habe man es in der DNA, neue Wege zu gehen, meint Machado. «Meine Grosseltern und mein Vater haben aus politischen Gründen ihr Land verlassen und mussten sich an etwas komplett Neues anpassen, ohne die Sprache zu sprechen.» Mexiko zu verlassen, sei mit Risiken verbunden gewesen, ergänzt Silva Mora. Das habe ihn vorbereitet, auch Gründer müssten bereit sein, Risiken einzugehen.

Auf dieselben Zusammenhänge deutet eine Umfrage hin, an der 1828 Gründerinnen und Gründer mit und ohne Migrationshintergrund teilgenommen haben und die die Basis bildet für den «Migrant Founders Monitor». Nach ihrer Selbsteinschätzung sehen die im Ausland geborenen Gründer vor allem Resilienz, Vision und Risikobereitschaft als ihre Stärken, sie nennen die drei Faktoren häufiger als andere Gründer.

Und sie bringen Wissen ein: 91 Prozent der im Ausland geborenen Gründer haben einen Hochschulabschluss, bei 56 Prozent ist dieser im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Beide Werte liegen höher als bei deutschen Startups insgesamt.

Als Standort mittelprächtig

Wolle Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen, müsse es für die talentiertesten Startup-Gründer weltweit noch attraktiver werden, kommentierte der aus Bulgarien stammende Ökonom Stefan Kolev, Mitglied des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung. Es gehe um die Schnittstelle zwischen den zwei Themen Unternehmertum und Migration, mit denen sich Deutschland seit vielen Jahren schwertue und die beide für die Zukunft der Wirtschaft zentral seien.

Bis jetzt schliesst der Standort in der Bewertung durch alle befragten Gründer mittelprächtig ab. Positiv bewerten sie laut der Umfrage die Faktoren Lebensqualität sowie Sicherheit und Stabilität. Schlechte Noten erhalten die Rahmenbedingungen für die Fachkräfteeinwanderung sowie die hohen Steuern und Abgaben. Zwar habe sich auf der rechtlichen Ebene in der letzten Legislaturperiode einiges getan, doch in der Praxis dauere es dann doch recht lange, bis im Ausland rekrutierte Kräfte in Deutschland einsatzfähig seien, sagte Vanusch Walk vom Startup-Verband.

Eher als Hindernis gelten zudem die sprachlichen Anforderungen. Deshalb fordert der Startup-Verband mehrsprachige Angebote. Allerdings ist das ein zweischneidiges Schwert: Gerade die Berliner Startup-Szene ist sehr international geprägt und weitgehend englischsprachig. Das erleichtert die Arbeit, erschwert aber das Erlernen der Landessprache, wie der Porelio-Co-Gründer Javier Silva Mora einräumt.

Trump als Chance?

Zwei Drittel der in Deutschland befragten Gründer (mit und ohne Zuwanderungsgeschichte) erklärten zudem, dass die USA als Standort attraktiver seien als Deutschland. Die grosse Mehrheit würde erneut ein Unternehmen aufbauen, aber 27 Prozent würden das nächste Startup eher im Ausland ansiedeln, genannt wurden neben den USA auch Grossbritannien, Singapur und Estland.

Allerdings fand die Befragung Mitte 2024 und damit vor der Präsidentschaft Trump statt. Seither seien viel Unsicherheit und viel Bewegung hinzugekommen, sagte Walk. Das aktuelle politische Umfeld in den USA kann aus Sicht seines Verbands eine Verschiebung bedeuten, die Deutschland und die EU nutzen sollten, um sich als attraktiver Standort zu positionieren.

Wenig Offenheit im Osten

Ein wichtiger Standortfaktor für das Anziehen von Startups, die Rekrutierung von Mitarbeitern und das Halten von Talenten, die für ein Studium zugewandert sind, ist laut Walk gesellschaftliche Offenheit. Deutschland insgesamt schliesst hier weder besonders positiv noch besonders negativ ab: 55 Prozent der Gründer bewerten die gesellschaftliche Offenheit positiv.

Gross sind indessen die regionalen Unterschiede. Während Grossstädte wie Köln und Berlin in der Bewertung der Offenheit positiv herausstechen, liegen die ostdeutschen Bundesländer klar zurück. Doch auch dort gibt es Unterschiede: Das ostdeutsche Leipzig wird ähnlich gut beurteilt wie das süddeutsche München.

Um die Gründungsbedingungen auf internationale Spitzenplätze zu bringen, brauche es neben Offenheit auch einen besseren Zugang zu Finanzierungen, eine «schnelle, leistungsfähige und digitale Verwaltung» sowie mehr Tempo und Digitalisierung bei der Visa-Vergabe, so die Zusammenfassung des Startup-Verbandes.

Sie können dem Berliner Wirtschaftskorrespondenten René Höltschi auf den Plattformen X und Linkedin folgen.

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