Montag, September 30

Ab 2040 soll das Busnetz CO2-frei betrieben werden. Bis dahin sind noch einige Hürden zu nehmen, etwa im Oberland und am See.

Der brandneue elektrische Gelenkbus von Mercedes ist die jüngste Anschaffung der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO). Er steht gerade in der Service- und Waschanlage in Grüningen. Im Innern sind noch Vorrichtungen für Reklameschilder anzubringen.

Im Führerstand erinnert sicherheitshalber ein Schild daran, mit dem Bus auf keinen Fall in das Depot nebenan zu fahren. Es würde beim Versuch bleiben. Warum, zeigt ein Blick in die Halle mit 40 Abstellplätzen am Hauptsitz der VZO: Die parkierten Dieselbusse reichen fast bis an die Installationen unter dem Dach. Der E-Bus mit Batterie über der Passagierkabine ist 30 bis 35 Zentimeter höher und passt nicht durch das Tor.

Das ist nur ein Problem, das der öffentliche Verkehr lösen muss, wenn er von fossilen Treibstoffen wegkommen will. Der Kanton Zürich verankerte in der Strategie des ZVV, dass der Busbetrieb ab 2040 weitgehend CO2-frei erfolgen soll. Zwar gehen gemessen am Gesamtverkehr nur 3,2 Prozent des Klimagases auf den öV zurück. Diesen geringen Anteil verursachen aber zu etwa 90 Prozent die Dieselbusse.

Den Wert auf null zu drücken, ist ehrgeizig und aufwendig, aber möglich. Der ZVV schätzt die Investitionen für die Elektrifizierung in den Jahren 2025 bis 2029 auf 440 Millionen Franken, nur für die Beschaffung der E-Busse und Ladestationen. Dazu müssen die Busunternehmen die Depots anpassen, was zusätzlich Kosten verursacht.

Auf der anderen Seite bietet der Bund ab 2025 aufgrund des CO2-Gesetzes finanzielle Unterstützung für die Anschaffung der teureren E-Busse. Zudem ist in den kürzlich veröffentlichten Agglomerationsprogrammen verschiedentlich der Ausbau der Infrastruktur für die Elektrifizierung des Busnetzes aufgeführt. Auch auf dieser Basis kann der Bund Beiträge leisten.

Reichweite noch ungenügend

Der ZVV setzt neben mehr Trolleybus-Linien in den grossen Städten auf Batteriebusse, die im Depot geladen werden. Allerdings nur, wo der technische Entwicklungsstand den Ersatz von Dieselbussen mit vertretbarem Aufwand zulässt. Das ist einfacher in urbanen Gebieten. Je ländlicher eine Region ist, desto schwieriger wird es.

Die VZO betreiben zwischen der Goldküste und dem Zürcher Berggebiet mit 350 Mitarbeitenden 64 Linien mit 451 Haltestellen. Sie transportieren über 25 Millionen Passagiere im Jahr, vor allem als Zubringer zur S-Bahn. An einem Werktag bringen sie etwa 61 000 Fahrgäste zu den Bahnhöfen und wieder zurück.

Von den gut hundert Bussen der VZO sind erst drei elektrisch. Sie werden derzeit auf kurzen Linien eingesetzt und nur in den Hauptverkehrszeiten, am Morgen und Abend je etwa drei Stunden lang. Dazwischen müssen sie geladen werden.

«Mit unseren Dieselbussen haben wir eigentlich ein Rundum-sorglos-Paket», sagt Joe Schmid, seit letztem November Direktor der VZO. Diese fahren vollgetankt gut 400 Kilometer weit, vom Morgen früh bis spät abends. Ein Elektrobus hat heute erst eine Reichweite von knapp 200 Kilometern, und das Aufladen dauert 4 bis 5 Stunden.

Schmid lässt gegenüber der NZZ indes keinen Zweifel aufkommen, dass er die Dekarbonisierung unterstützt. Die Ökologie gehöre zur DNA der VZO, sagt er. Schon lange hat das Unternehmen auf seinen Dachflächen Solaranlagen installiert. Mit dem eigenen Strom werden auch die E-Smart geladen, mit denen die Chauffeure jeweils zur Dienstablösung auf dem Streckennetz fahren. Der Zweck, wenige Leerfahrten und kurze Standzeiten, hat neben der ökologischen eine ökonomische Seite: die Busse möglichst intensiv zu nutzen.

«Wäre die Reichweite der E-Busse 300 Kilometer, könnten wir nahezu 80 Prozent unseres Netzes mit ihnen bedienen, aber so weit sind wir noch lange nicht», sagt Schmid. Er gehört jedoch zu den Menschen, die keine Probleme sehen, sondern Aufgaben und Herausforderungen. Und die VZO gehen pragmatisch vor. Ein Dieselbus wird erst ersetzt, wenn er das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat.

Um die mangelnde Reichweite auszugleichen, wäre es an sich denkbar, für einen Dieselbus zwei Elektrobusse anzuschaffen. Da setze er betriebswirtschaftlich und ökologisch grosse Fragezeichen, sagt Schmid. Zudem fehle ohnehin der Platz. Primär in den Depots, aber nicht nur. Es gibt auf dem Netz der VZO Stellen, wie die einzige Bahnunterführung in Uster, die für die heutigen Elektrobusse zu niedrig sind.

Busbetrieb muss Strom kaufen

Dennoch streben die VZO das sehr ambitionierte Ziel an, bis 2035 vom Diesel wegzukommen. Um das zu erreichen, muss eine grundsätzliche Herausforderung gemeistert werden: die Energieversorgung der Busgaragen. Mit den heutigen drei Elektrofahrzeugen sei das kein Problem, sagt Schmid. Damit weitere Elektrobusse geladen werden können, reicht die Stromleistung nicht. Wenn man in Grüningen einmal vierzig Busse gleichzeitig laden wolle, entspreche dies dem Stromleistungsbedarf eines kleinen Dorfes. Anders gesagt: Das lokale E-Werk Grüningen müsste seine heutige Spitzenleistung verdoppeln.

«Die Elektrobusse führen uns in eine neue Welt», sagt Joe Schmid. Die VZO, ein reines Busunternehmen, müssen plötzlich Trafostationen bauen und unterhalten. Sie werden neu zum Mittelspannung-Strom-Bezüger. Für Verkehrsbetriebe mit Tram- und Trolleybusbetrieb wie zum Beispiel in Zürich ist der Stromeinkauf alltäglich, für die VZO dagegen völliges Neuland.

Diesel sei kurzfristig immer gleich teuer, führt Schmid aus. Neu werde jedoch das Lademanagement entscheidend: Um welche Uhrzeit bezieht man den Strom am besten? Wiederum anders als ein städtischer Verkehrsbetrieb haben es die VZO dabei nicht mit einem einzigen Stromanbieter zu tun. Sondern mit den vier Elektrizitätswerken an den Standorten ihrer Busdepots in Grüningen, Wetzikon, Rüti und Meilen.

Aber, eben, Probleme sind dazu da, um gelöst zu werden. Das Depot in Wetzikon, das 2020 in Betrieb ging, ist zwar genug hoch für Elektrobusse. Bis 2026 wird es nun etappenweise mit den ersten Ladestationen ausgerüstet. Als die 140 auf 40 Meter grosse Halle beim Bahnhof vor etwa zehn Jahren geplant wurde, war von Elektrobussen nämlich noch keine Rede. Deshalb wird man in der Tiefgarage einige Parkplätze für die Angestellten opfern, um Platz für die Trafostationen zu schaffen.

Der Augenschein in Wetzikon zeigt einen weiteren Punkt: Während im älteren Depot Grüningen die Busse über Nacht Stossstange an Stossstange abgestellt werden, haben sie in Wetzikon weit mehr Raum um die Abstellplätze herum. Der Grund sind Sicherheitsauflagen für den Bau neuer Busgaragen. Dafür fanden die VZO hier eine für das Unternehmen finanziell interessante Doppelnutzung. Über der Einstellhalle befinden sich eine Berufsschule mit 40 Klassen- und Lehrerzimmern sowie zwei Turnhallen.

Wohin mit einem Busdepot?

Unabhängig von der Elektrifizierung der Busflotte ist die Suche nach zusätzlichen Abstellflächen schwierig. Die VZO rechnen in nächster Zeit aufgrund des steigenden Fahrplanangebots mit jährlich drei zusätzlichen Fahrzeugen. Die Reserve beträgt noch etwa 15 Plätze. Im nächsten Jahrzehnt braucht das Unternehmen deshalb mindestens 30 zusätzliche Busabstellplätze. Das entspricht einer Fläche von 7000 bis 10 000 Quadratmetern, etwa eineinhalb Fussballfeldern.

Neben dem Ausbau der bestehenden Depots ziehen die VZO auch einen fünften Standort in Betracht. Wo soll ein neues Depot hinkommen, möglichst zentral gelegen und gut erschlossen? Da wird selbst der auskunftsfreudige Joe Schmid einsilbig. Doch eine Busgarage will nicht nur im Zürcher Oberland kaum jemand in der Nachbarschaft. «Für eine grüne Wiese wird uns nicht der rote Teppich ausgerollt», stellt der Direktor fest.

Man kenne geeignete Grundstücke, sagt er. Und mit deren Eigentümern seien vielversprechende Verhandlungen im Gange. An der Generalversammlung im Frühling kündigte er an, im nächsten Jahr einen möglichen Standort nennen zu können. Ziel ist, spätestens 2030 mit den Bauarbeiten zu beginnen.

Dekarbonisierung durch Elektrifizierung ist im Übrigen nur ein möglicher Weg. Offen ist, ob dereinst gerade auf Buslinien über Land ein Antrieb mit synthetischem Treibstoff sinnvoller ist. Aber auch das braucht seine Zeit.

Zuerst stehen die Hersteller der Elektrobusse in der Pflicht. Die gängigen Anbieter haben, weil es schnell gehen musste, in ihren Modellen einfach den Dieselmotor mit einem Elektroantrieb ersetzt und, weil sonst nirgends Platz war, die Batterie auf das Dach gesetzt. Die höheren Fahrzeuge sind nicht nur im Kanton Zürich, sondern international ein Problem.

Inzwischen gebe es erste neu entwickelte Busse, deren Akku sich wie bei einem Elektroauto im Chassis befinde und die kaum höher als Dieselbusse seien, sagt Schmid. In nächster Zeit elektrifizieren die VZO auch ihr Depot in Grüningen. Zuerst war vorgesehen, das Dach anzuheben, doch nun wird darauf verzichtet. Schmid setzt darauf, dass in wenigen Jahren genug Elektrobusse mit der bisherigen Normhöhe auf den Markt kommen.

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