Samstag, März 15


Kunst und Kulinarik

Das 5-Sterne-Haus verfügt über die grösste private Sammlung südafrikanischer Kunst, aber es verbergen sich auch besondere Schätze im (Schaum-)Weinkeller.

Wir stehen vor einem alten Industriegebäude im Stadtteil Observatory. «Bijou» prangt in roten Lettern an der Fassade. Ein «Juwel» ist das Art-déco-Gebäude aber beim besten Willen nicht – jedenfalls nicht von aussen. Die «Bijou-Qualitäten» zeigen sich erst beim Betreten. Sie verbergen sich im Innern und manifestieren sich im Kreativen. Denn das ehemalige Kino, das im Laufe der Jahre einem Feuer zum Opfer gefallen ist, beherbergt heute Ateliers für Künstler. Seit Neustem auch eine Plattform für zeitgenössische, südafrikanische Kunstschaffende, die hier Workshops veranstalten oder Werke ausstellen.

Geführt wird dieses Projekt – es ist noch so neu, dass alles ein wenig improvisiert wirkt – von der Kunstvermittlerin Talita Swarts. Sie ist so etwas wie die graue Eminenz im Yves-Klein-blauen Kleid der lokalen Kunstszene. Sie kennt hier jeden. Und jeder kennt sie. Auch wir werden sie bald besser kennenlernen im Rahmen unserer Kunsttour, die uns vom Iziko Museums of South Africa ins neue Zeitz Museum MOCAA und weiter durch die altehrwürdigen Räume des Hotels Ellerman House führen wird.

Dass ein Hotel Bestandteil einer Kunsttour ist und in einem Atemzug mit renommierten Museen genannt wird, hat seine Berechtigung: Das «Ellerman House» verfügt über die grösste private Sammlung südafrikanischer Kunst.

Ein weiterer Superlativ: Der Weinkeller ist nicht nur mit der grössten Dom-Pérignon-Kollektion des Landes bestückt, sondern auch mit einer umfassenden Sammlung hochkarätiger Weine aus aller Welt.

Vollgestopft von oben bis unten

Im hinteren Teil des «Bijou» ist in einer riesigen Halle die Atelierwerkstatt des Bildhauers und Kunstschmieds Conrad Hicks untergebracht. Angefangen hat der Südafrikaner mit der rotblonden Strubbelfrisur mit der handwerklichen Herstellung von Werkzeugen. Dieses Handwerk fasziniere ihn deshalb so sehr, weil es die Menschen seit der Steinzeit weitergebracht habe, erzählt der Künstler.

Das Auge kann sich in diesem von oben bis unten mit Werkzeugen, Altschrott, nostalgischen Maschinen, Antiquitäten, Kunst und geschmiedeten Alltagsobjekten vollgestopften Kuriositätenkabinett kaum sattsehen. Gerade ist Hicks damit beschäftigt, ein Stück Eisen in die lodernden Flammen zu halten, um es danach mit Hilfe einer riesigen Hammerschmiede platt zu schlagen.

Anschliessend wird er mit voller Wucht auf das Metall einhämmern und dabei einen ohrenbetäubenden Lärm verursachen. Für seine Skulpturen ist Conrad Hicks international bekannt. Er fertigt indes nicht nur Kunstobjekte an, sondern auch Gebrauchsgegenstände. Besteck und Bratpfannen zum Beispiel. Oder Treppen, wie etwa die schwingende Treppe, die in den Dom-Pérignon-Keller des «Ellerman House» führt. Auch die Kupfertöpfe im Restaurant Fyn stammen aus seiner Schmiede.

Das «Fyn» gehört zu den angesagtesten gastronomischen Adressen Kapstadts. Starkoch Peter Tempelhoff zelebriert hier ein experimentelles Fine-Dining-Abenteuer, das eine interessante und für den europäischen Gaumen ungewohnte Fusion-Küche auf die Teller und in die Schüsselchen bringt. Die Geschmäcker Asiens verbinden sich mit traditionellen südafrikanischen Gerichten wie Kingklip oder Springbok. Die Duftnote: Krabbe aus Mozambique mit Algensalat, Lambert’s Bay Abalone oder Cape Wagyu. Es folgen immer noch mehr Gänge mit den dazu passenden Weinen.

So wie Hicks mit voller Kraft sein Metall bearbeitet hat, so wacker kämpfen wir uns durch das ambitionierte «Experience Menu» – und werden am Ende des Abends in den Genuss einer vollendeten Kochkunst gekommen sein. Im «Fyn» einzukehren, sollte zum Pflichtprogramm eines Kapstadt-Trips gehören, und man tut gut daran, sich frühzeitig um eine Tischreservation zu kümmern.

Fiel der Blick von der Galerie des «Fyn» auf ein Meer schimmernder Scheiben, die wie kleine Ufos in senkrechten Reihen von der hohen Decke hängend durch den Raum zu schweben scheinen, so schweift das Auge von der Terrasse des «Ellerman House» weit übers Meer. Schliesslich rückt ein gigantisches Kopffragment einer Malay-Frau ins Blickfeld, das im Garten des Hotels steht, das Gesicht dem Meer abgewandt.

Crash-Kurs in Geschichte

Kunst ist im «Ellerman House» allgegenwärtig, drinnen wie draussen. Weil die vielen Werke nicht mehr alle in den Räumen Platz fanden, errichtete der Besitzer Paul Harris im unteren Teil des Gartens eine Galerie, in der ausschliesslich Gegenwartskunst ausgestellt ist. Die gut einstündige Kunstführung unter der fachkundigen Leitung von Talita Swarts bringt einem nicht nur die lokale Kunstszene näher, sondern ist zugleich ein Crash-Kurs in der Landesgeschichte: «Wenn man die Bilder zu lesen versteht, erzählen sie einem viel über die südafrikanische Geschichte», sagt Talita Swarts.

Das macht die Ellerman-House-­Kunstsammlung so einzigartig und interessant. Das zur Vereinigung Relais & Châteaux gehörende Hotel Ellerman House befindet sich in Kapstadts Nobelviertel Bantry Bay. Es wurde um 1900 als Privatresidenz erbaut und ist im Gegensatz zum Industriegebäude im Observatory-Viertel ein gut erhaltenes Bijou aus der Art-déco-Zeit. Paul Harris wohnte damals auf der gegenüberliegenden Strassenseite und hatte die Villa stets im Blickfeld. Als er Mitte der 1980er-Jahre das stattliche Anwesen erwerben konnte, ging für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung.

1992 eröffnete er das «Ellerman House» als kleines, feines Boutiquehotel mit nur sieben Gästezimmern. Später wurde der Ostflügel um zwei Villen ergänzt, sodass den Gästen heute 13 elegante Zimmer zur Verfügung stehen. Eigentlich fühlt man sich hier nicht wie in einem Hotel, sondern wie bei sehr gutbetuchten Bekannten zu Hause. Dieses Gefühl verstärkt sich, wenn man in einer der Villen residiert: Das Zimmer mit begehbarer Ankleide und riesigem Badezimmer ist flächenmässig so gross wie eine Wohnung. Ferner kommt man in den Genuss eines privaten Pools mit Liegedeck und Meeresblick.

Die Villen verfügen auch über ein ausladendes Wohnzimmer, Lesezimmer, Esszimmer sowie eine top ausgestattete Küche. Die Kühlschränke sind stets gut mit alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken gefüllt, die Kaffeemaschinen sind jederzeit einsatzbereit, und auf dem Esstisch liegen Früchte und andere Snacks für den kleinen Hunger zwischendurch. Täglich zaubert der Patissier süsse Backwaren und unverschämte Torten in die Vitrine. Man kann sich von allen Naschereien in flüssiger und fester Form rund um die Uhr frei bedienen.

Kochen mit lokalen Zutaten Das Dinner wird im Salon im Haupthaus serviert. Auch hier fühlt man sich nicht wie in einem Hotelrestaurant, sondern hat den Eindruck, sich in einem privaten Diningroom aufzuhalten. In der Küche wirkt der 40-jährige, aufstrebende Küchenchef Kieran Whyte, die kulinarische Gesamtleitung des «Ellerman House» hat Peter Tempelhoff inne. Die beiden kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit im renommierten «The Greenhouse». Für seine kulinarischen Kreationen lässt sich Kieran Whyte von den Küchen aus aller Welt inspirieren; gekocht wird, wenn immer möglich, mit Zutaten, die aus Kapstadt und der nahen Umgebung stammen.

Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZaS-Verlags-Beilage «Reisen» erschienen.

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