Mittwoch, Dezember 4

Ist dumm, wer heute noch Kampfjets entwickelt? Nein, sagen Experten. Obwohl Drohnen in manchem überlegen sind, werden Piloten auch in Zukunft noch Kampfeinsätze fliegen.

Bald wird Elon Musk unter dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump die Co-Leitung der sogenannten Abteilung für Regierungseffizienz antreten. In dieser Position soll er die Ausgaben der amerikanischen Regierung senken. Schon jetzt denkt Musk auf seiner Plattform X fast täglich über Sparmassnahmen nach und versetzt damit Regierungsbehörden, Militärs und Experten in Aufruhr. Jüngstes Beispiel ist der F-35-Kampfjet.

Der F-35 ist der modernste Kampfjet der Welt. Doch das F-35-Programm ist gleichzeitig eines der teuersten in der Geschichte des amerikanischen Militärs. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Flugzeuge oft gewartet werden müssen und Reparaturen angeblich mindestens doppelt so lange dauern wie geplant. Und die Kanonen der Jets könnten auch 18 Jahre nach dem Erstflug noch nicht geradeaus schiessen, berichtete kürzlich «Bloomberg».

An diese Probleme dürfte Musk gedacht haben, als er kürzlich ein Video eines Drohnenschwarms auf seiner Plattform X postete und dazu schrieb: «Währenddessen bauen einige Idioten immer noch Kampfjets wie den F-35.»

Doch könnten Drohnenschwärme wie jener in Musks Video tatsächlich den F-35-Kampfjet ersetzen? Ist es ein Fehler, heute noch in bemannte Kriegsflugzeuge zu investieren, wie das etwa auch die Schweiz und Deutschland tun?

Ein Vergleich wie zwischen Lastwagen und Velos

Mauro Gilli forscht am Center for Security Studies der ETH zu Militärtechnologie. Er kann dem Vergleich eines F-35-Kampfjets mit dem gezeigten Drohnenschwarm nichts abgewinnen. «Das ist, als würde man sagen: ‹Warum brauchen wir einen Lastwagen, wenn wir auch Velos benutzen können?› Der Lastwagen erledigt Aufgaben, die Velos nicht erledigen können.»

Auch Ulrike Franke, Drohnenexpertin beim European Council on Foreign Relations, findet den Vergleich von Quadrocoptern und bemannten Kampfjets unpassend. Es handle sich um zwei komplett unterschiedliche Systeme, die für unterschiedliche Operationen eingesetzt würden.

Die gezeigten Drohnen haben eine deutlich geringere Reichweite als der F-35. Sie können viel weniger Waffenlast mit sich tragen als ein einziger Kampfjet. Und sie sind viel einfacher und kostengünstiger auszuschalten.

Darüber hinaus zeigt das Video Drohnen namens DJI Maverick, sie stammen von einem chinesischen Hersteller. China hat bei Drohnen, die heutzutage in Schwärmen eingesetzt werden können, quasi ein Monopol. Für das amerikanische Militär käme der Einsatz von chinesischen Drohnen zu Kriegszwecken kaum infrage.

Drohnen sind nicht billiger als Kampfjets

Der Vergleich zwischen einem Kampfflugzeug und den Drohnenschwärmen im Video ergibt also keinen Sinn. Könnte es aber sein, dass Musk trotzdem mit seinem Kommentar, dass dumm sei, wer heute noch in bemannte Jets investiere, recht hat? Schliesslich gibt es ja auch andere Drohnensysteme.

Tatsächlich könnten einige der Argumente zugunsten von Kampfjets bald überholt sein. Etwa, dass sie viel schneller und höher fliegen können als Drohnen. «Es gibt keinen Grund dafür, warum ein Flugzeug, das einen Piloten im Cockpit hat, gewisse Dinge kann und eine Drohne nicht», sagt Franke. Es gebe sie im Moment einfach deshalb nicht, weil niemand es sinnvoll gefunden habe, so etwas zu entwickeln.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens die Kosten. Es ist ein Trugschluss, davon auszugehen, dass ein Drohnensystem automatisch günstiger ist als ein Kampfjet. Der ETH-Forscher Gilli sagt: «In einem Kampfjet steckt zwar einiges an Technologie, um Piloten bei Manövern zu schützen. Doch nicht diese war der Grund für die Mehrkosten und Verspätungen im F-35-Programm, sondern die Software.»

Wollte man die Fähigkeiten eines F-35 durch ein System ohne Piloten ersetzen, wären noch komplexere Software und mehr Sensoren nötig. Gilli schätzt, dass so ein System in Summe teurer wäre als ein Kampfjet.

Tatsächlich gibt es heute bereits Drohnen, die mehr kosten als ein F-35, aber langsamer fliegen, weniger Waffen tragen und nicht über dessen Tarnkappentechnologie verfügen. Zum Beispiel die Global Hawk des amerikanischen Herstellers Northrop Grumman. Solche Hochleistungsdrohnen kosten gemäss Gilli zwischen 120 und 220 Millionen Dollar, während die günstigste F-35-Variante auch schon für 75 Millionen Dollar verkauft wurde.

Im Moment ist allerdings unklar, wie teuer es wäre, eine Drohne mit F-35-Fähigkeiten zu bauen. Denn so ein System existiert im Moment eben nicht. Es wird erst daran geforscht.

Autonome schwerbewaffnete Flugzeuge sind eine schlechte Idee

Und es gibt Gründe, die dagegen sprechen, solche Technologie zu entwickeln. Der erste ist die Frage der Steuerung.

Bereits heute sind Drohnen in Segelflugzeuggrösse im Einsatz, die keinen Menschen an Bord haben und Bomben abwerfen können, beispielsweise Reaper und Predator. Diese sind zwar unbemannt, aber sie haben trotzdem Piloten – sogar ein ganzes Team. Irgendwo auf dem Boden sitzen Piloten, Juristen und Analysten zusammen, treffen gemeinsam Entscheide und steuern die Drohnen aus der Ferne.

Doch in einem Gefecht zwischen Flugzeugen wäre die Fernsteuerung nutzlos. Denn dann geht es um Hundertstel von Sekunden – die Verzögerung, die Fernsteuerung mit sich bringt, würde den Abschuss bedeuten. Dazu kommen noch Störtechniken wie Jamming, mit denen Gegner die Steuersysteme der Drohne stören.

Um im Kampf zu bestehen, müsste so eine Drohne also vollständig autonom sein. Die dafür nötige Software könnte entwickelt werden, steht aber nicht bereit. Und es stelle sich eine grundsätzliche Frage, so Franke: «Wie viel Autonomie will ich denn einem bis an die Zähne bewaffneten multimilliardenteuren Flugzeug geben?»

Erstens ist so ein System, das autonom töten kann, offensichtlich ethisch bedenklich. Dazu kommen aber auch militärische Überlegungen. Franke sagt: «Es stimmt nicht, dass das Militär möglichst autonome Waffensysteme will. Es hat lieber die Kontrolle.»

Die Zukunft sind gemischte Systeme aus Drohnen und Jets

Die Zukunft, da sind sich beide Experten einig, wird ein Miteinander von verschiedenen Systemen sein: ein bemanntes Kampfflugzeug, umgeben von begleitenden Drohnen, vielleicht einem Drohnenschwarm, der vom Flugzeug aus koordiniert wird. Solche gemischten Systeme sind es auch, die jetzt entwickelt werden: von Deutschland, Frankreich und Spanien sowie von England, Italien und Japan. Der F-35 ist ebenfalls für den Flug mit Begleitdrohnen konzipiert.

Zudem zeige die Geschichte des Krieges, dass neue Waffen selten alte ablösten, sagt Franke: «Das Schiesspulver, das Pfeil und Bogen nutzlos gemacht hat, das ist der Ausnahmefall.» Viel öfter werden das Alte und das Neue kombiniert. Das sieht man gerade in der Ukraine. Dort spielen künstliche Intelligenz, Cyberangriffe und Drohnen eine Rolle, zugleich liegen Soldaten in Schützengräben, man kämpft mit Artillerie und baut Panzersperren, wie man sie in Deutschland vom Westwall kennt, also dem Verteidigungssystem, das Hitler in Westeuropa errichten liess.

Der F-35 setzt China und Russland unter Druck

Autonome Drohnen werden den F-35 also nicht vollumfänglich ersetzen können. Und der Kampfjet wird für die USA essenziell bleiben. Schliesslich erfüllt er neben seinem Nutzen im Einsatz einen grundlegenden strategischen Zweck. Der F-35, vor allem seine Tarnkappentechnologie, schreckt die Gegner der USA ab und setzt diese unter Zugzwang.

Die Tarnkappentechnologie des F-35 zwinge die Feinde der USA zu riesigen Investitionen in ihre Abwehrfähigkeiten, sagt der Militärtechnologieexperte Gilli. Denn was passiert, wenn man sich gegen den F-35 nicht verteidigen kann, zeigt der Angriff israelischer F-35 auf iranische Militäranlagen im Oktober. Die Jets konnten stundenlang ungehindert im iranischen Luftraum operieren.

Wollten etwa China oder Russland eine Chance haben, den F-35 erfolgreich zu bekämpfen, müssten sie extrem fortgeschrittene Flugabwehrsysteme entwickeln, sagt Gilli. Das bindet Ressourcen, die die Militärs sonst in offensive Kapazitäten investieren könnten.

Der F-35 bleibt eines der wichtigsten westlichen Waffensysteme

Musk indes doppelte kurz nach seinem Drohnen-Post nach. Er forderte, man solle das F-35-Programm stoppen, denn es weise das schlechteste Kosten-Nutzen-Verhältnis der Geschichte auf. Diese Forderung ist aus mehreren Gründen realitätsfern. Der offensichtlichste davon ist, dass die USA derzeit über keine Alternativen zum F-35 verfügen. Weiter stellt sich die Frage, was es überhaupt hiesse, ein Programm mit einer geplanten Laufzeit bis 2088 einzustampfen.

Im gegenwärtigen geopolitischen Klima ist der F-35 für die USA und ihre Verbündeten unerlässlich. Sei dies für Israels Abschreckungspotenzial im Nahen Osten, sei es für die europäischen Nato-Staaten wie Deutschland im Angesicht der Bedrohung aus Russland. Oder für Japan und die USA selbst im Indopazifik, wo dereinst China Taiwan angreifen könnte.

Der F-35 mag teuer und problembehaftet sein. Doch er wird mittelfristig eines der wichtigsten westlichen Waffensysteme bleiben. Daran wird auch Elon Musk, der baldige «Sparer-in-Chief», nichts ändern.

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