Freitag, Oktober 18

Musk ist ein Visionär. Doch auch hinter seiner Forschung stehen realistische Ziele. Er kommuniziert nur anders als seine Konkurrenten.

Nun soll es also passiert sein: Elon Musk hat dem ersten Menschen ein Hirnimplantat eingepflanzt. Dies berichtete der Tech-Visionär gestern auf der Kurznachrichtenplattform X. Forscher seiner Firma Neuralink haben laut den Angaben erstmals einem Tetraplegiker ein neuartiges Implantat eingesetzt und «vielversprechende» Signale aus dem Hirn lesen können.

Das Tech-affine Publikum jubelt. Zuerst war es der Tesla im All, jetzt das Musksche Implantat im Universum unseres Geistes. Es scheint, als würde Musk als Visionär die Entwicklung von Hirnimplantaten revolutionieren und seine Konkurrenten geradezu vor sich hertreiben.

Doch der Schein trügt. Auch Musks Firma Neuralink kocht nur mit Wasser. Und seine Entwickler arbeiten wie die Kollegen bei der Konkurrenz daran, dass Gelähmte dereinst einfacher kommunizieren und sich selbständiger im Alltag bewegen können.

Die Entwicklung der Hirnimplantate ist vorhersehbar

Noch sind die Hindernisse auf diesem Weg zur Hilfe für Gelähmte vielfältig: Zuerst müssen solche Implantate länger im Gehirn verbleiben können. Zehn Jahre sind die Zielgrösse, die Entwickler gegenwärtig mit Keramikimplantaten verfolgen. Sie sollen kabellos funktionieren, so dass Patienten sich auch ausser Haus bewegen können.

Und sie sollen viele, genügend präzise Daten aus dem Hirn lesen. Denn die Rechenprozesse, um mit der Kraft der Gedanken einen Computer zu steuern, existieren bereits. Es fehlen die Daten, mit denen diese Algorithmen trainiert werden können. Sie sollen mithilfe der neuen Implantate zuverlässig an den Computer weitergeleitet werden.

Konkurrenten verfolgen dasselbe Ziel

Andere Firmen sind mit ihrer Forschung auf dem gleichen Weg, nur kommunizieren sie anders. Nehmen wir das Beispiel der amerikanischen Firma Paradromics mit Sitz in Texas. Ihr Gründer und CEO Matt Angle gibt sich im Gespräch umgänglich und bedacht.

Ein stiller Macher scheint er zu sein. Das liegt vielleicht auch daran, dass Angle nach dem Studium in Deutschland promovierte. Die Allüren des Silicon Valley weiss er, sofern vorhanden, im Gespräch gut zu verstecken. Paradromics hat bisher allerdings noch kein kabelloses Implantat entwickelt.

Ob das Implantat von Neuralink wirklich kabellos ist, weiss niemand. Anders als seine Visionen kommuniziert Musk die Inhalte seiner Entwicklung defensiv. Er gibt keinen Einblick in seine wirkliche Forschungstätigkeit.

Am meisten ist bekannt über die Forschungstätigkeit an Universitäten. So kann ein Patient in Kalifornien, der an Armen und Beinen gelähmt ist, mithilfe eines Hirnimplantates beinahe schneller über einen Computer schreiben, als das uns mit Bleistift und Papier gelingt. 200 Mikroelektroden wurden dazu in die motorischen Hirnareale des Patienten implantiert. Allein, das Implantat muss mit Kabeln am Computer angeschlossen werden. Im Alltag ist das sehr hinderlich.

Hirn-Computer-Schnittstellen könnten die Medizin revolutionieren

Was ist also dran an der Vision, dass Hirnimplantate schon bald weit verbreitet sein und via Mobiltelefon gar direkt twittern oder x-en sollen. Realistisch ist dies in naher Zukunft kaum. Jeder Chirurg verstiesse gegen die ärztliche Ethik, würde er Keramikplättchen in das Gehirn eines Gesunden pflanzen.

Das Potenzial dieser Entwicklungen liegt ganz woanders. Ein Implantat könnte Hirnsignale aufgreifen und basierend darauf Impulse an bestimmte Hirnregionen senden. Solche Hirn-Computer-Schnittstellen könnten damit die Medizin revolutionieren. So könnten schwere epileptische Krämpfe in Zukunft verhindert oder depressive Episoden rechtzeitig abgeschwächt werden.

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