Freitag, November 22

Mit dem Starship zum Mars oder mit der Nasa-Rakete zum Mond? Der ETH-Professor Thomas Zurbuchen erklärt, welchen Einfluss der neue Trump-Intimus Musk auf die amerikanische Raumfahrtpolitik hat.

Herr Zurbuchen, Donald Trump steht gerne im Rampenlicht. Eine Landung von amerikanischen Astronauten auf dem Mond käme ihm sehr entgegen. Wie gut stehen die Chancen, dass das während seiner zweiten Amtszeit klappt?

Es ist möglich, dass das passiert. Aber es müssen Änderungen gemacht werden, ziemlich grosse sogar. Sowohl die Regierungsprogramme als auch die private Weltraumindustrie stehen nicht dort, wo sie stehen müssten, um bis 2028 auf dem Mond zu landen. Es braucht eine Diskussion, die ziemlich hart werden dürfte. Es gibt einfach zu viele Dinge, die nicht funktionieren.

Zum Beispiel?

Bei der unbemannten Artemis-1-Mission wurde der Hitzeschild der Orion-Raumkapsel stärker beschädigt, als man erwartet hatte. Das war vor zwei Jahren. Diese Woche gab es eine mehrstündige Diskussion darüber, was das für die Artemis-2-Mission bedeutet, bei der Astronauten den Mond umrunden sollen. Ein anderes Beispiel: Ich war kürzlich in Florida. Die Startrampe, die beim Start von Artemis 1 beschädigt wurde, ist immer noch angeschwärzt. Man fragt sich, warum das alles so lange dauert. Da ist der Wurm drin.

Zur Person

Keystone

Thomas Zurbuchen, Leiter von ETH Zürich Space

Thomas Zurbuchen ist Professor für Weltraumwissenschaft und -technologie an der ETH Zürich und leitet die Initiative ETH Zürich Space. Der Schweizer Astrophysiker war von 2016 bis 2022 Wissenschaftsdirektor bei der Nasa. Zuvor war er als Professor für Weltraumforschung an der Universität von Michigan tätig.

Mit Elon Musk hat Trump nun einen Einflüsterer an seiner Seite, der erklärtermassen den Mars bevorzugt. Rechnen Sie damit, dass Trump unter seinem Einfluss die amerikanische Raumfahrtpolitik neu ausrichten wird?

Trump wollte schon während seiner ersten Amtszeit lieber zum Mars als zum Mond. Es war sein damaliger Vizepräsident Mike Pence, der ihn davon überzeugt hat, zuerst zum Mond und dann erst zum Mars zu fliegen. Ob sich das Artemis-Programm der Nasa nun ändern wird, weiss ich nicht. Man darf nicht vergessen, dass Elon Musk unglaublich vom Mond profitiert. Seine Firma SpaceX entwickelt im Auftrag der Nasa einen der beiden Lander, die auf dem Mond landen sollen.

Musk sagt aber auch, dass es möglich sei, mit dem von SpaceX entwickelten Starship innerhalb von vier Jahren Astronauten zum Mars zu bringen. Wie realistisch ist das?

Elon Musk hat gesagt, dass er in zwei Jahren mit dem Starship robotische Missionen zum Mars schicken will. Die erste Gelegenheit für eine bemannte Mission wäre 26 Monate später. In diesen vier Jahren muss unheimlich viel passieren. Man muss zeigen, dass das Starship auf dem Mars landen und wieder starten kann. Auch das Betanken des Starships im Weltraum wurde bisher noch nicht demonstriert. Und selbst wenn das alles funktioniert, braucht das Starship noch eine Zulassung für bemannte Flüge. Ich sage nicht, dass das unmöglich ist. Aber dass das in den nächsten vier Jahren passiert, ist nicht sehr realistisch.

Das Starship von SpaceX hat diese Woche seinen sechsten Testflug absolviert. Diese Rakete ist viel günstiger als das Space Launch System (SLS), mit dem die Nasa Astronauten zum Mond bringen will. Wäre es nicht an der Zeit, über ein Ende des Space Launch System nachzudenken?

Nur eine Alternative zum Space Launch System zu haben, genügt nicht. Sonst macht sich die Nasa zu sehr von SpaceX abhängig. Sobald es jedoch zwei oder drei Schwerlastraketen von unterschiedlichen Firmen gibt, muss diese Diskussion geführt werden. Wenn ich zu entscheiden hätte, würde ich klare Kriterien für die Einstellung des SLS-Programms formulieren und diese heute schon kommunizieren. Dann wissen alle, worauf sie sich einzustellen haben.

Rechnen Sie nicht mit heftigem Widerstand?

Derzeit gibt es vor allem zwei Seiten, die vom Space Launch System profitieren: Boeing und der Staat Alabama, wo die Rakete hergestellt wird. Boeing hat auch ohne das SLS genug Probleme. Ich erwarte nicht, dass von dieser Seite viel Widerstand gegen eine Einstellung käme. Und Alabama könnte anders entschädigt werden, zum Beispiel, indem man die Zentrale der zum Verteidigungsministerium gehörenden Space Force nach Alabama verlegte.

Würden Sie die Kommerzialisierung des Weltraums in den USA als Erfolgsgeschichte bezeichnen?

Die Kommerzialisierung des Weltraums ist eine gute Sache, wenn die Preise fallen. Dafür braucht es Konkurrenz und einen wachsenden Markt für kommerzielle Akteure. Konkurrenz haben wir heute zu wenig. SpaceX ist nicht nur weit vorne, sondern auch schneller im Fortschritt als andere. Ich sehe aber eine Chance, dass die Firma Blue Origin von Jeff Bezos den Vorsprung aufholen kann. Blue Origin hat angekündigt, dass ihre neue Schwerlastrakete New Glenn noch in diesem Jahr das erste Mal starten soll.

Lassen Sie uns auf Elon Musk zurückkommen. Er soll das neu geschaffene Department of Government Efficiency leiten. Seine Aufgabe wird darin bestehen, Bürokratie einzudämmen. Sollte er auch bei der Nasa den Hebel ansetzen?

Es ist überall wichtig, Bürokratie einzudämmen, denn die wuchert in jeder grossen Organisation. Jeder Steuerzahler sollte ein Interesse daran haben, dass die Nasa effizienter funktioniert. Aber man muss aufpassen. Was mir in der jetzigen Situation am meisten Sorge bereitet, ist eine Politisierung der Nasa. Die Nasa hat sich in der Vergangenheit weitgehend aus politischen Auseinandersetzungen herausgehalten. Das sollte auch in Zukunft so bleiben.

Was sind denn die Probleme der Nasa, die man angehen sollte?

Die Nasa ist zu gross, insbesondere in einer Zeit, in der private Unternehmen viel mehr beitragen können als früher. Es gibt Tausende von Angestellten, die mit dem Bau von Raketen beschäftigt sind. Oft haben die nicht genug Arbeit. Was passiert? Die Projekte werden teurer, als sie es sein müssten. Das brauchen wir nicht mehr so wie früher. Es genügt, wenn es bei der Nasa Leute gibt, die etwas von Raketen verstehen. Es macht keinen Sinn, gegen die privaten Firmen zu konkurrieren.

Welche Aufgaben bleiben dann noch für die Nasa? Soll sie gar keine Technologien mehr entwickeln?

Ganz im Gegenteil. Anstatt Dinge zu tun, die repetitiv sind, sollte die Nasa Dinge tun, die schwierig sind. Sie sollte zum Beispiel einen nuklearen Antrieb entwickeln, der uns schneller auf den Mars bringt. Und anstatt Satelliten zu bauen, sollte die Nasa neue Technologien entwickeln, zum Beispiel Quantensensoren für Satelliten, die es uns erlauben, die Erde besser zu verstehen. Das sind Dinge, die in der Privatindustrie schwierig anzusiedeln sind.

Eine andere Behörde, die Schwierigkeiten mit Musk bekommen könnte, ist die Federal Aviation Administration (FAA), die Bundesluftfahrtbehörde der USA. Musk hat ihr in der Vergangenheit vorgeworfen, sie verzögere mit unnötigen Auflagen die Entwicklung des Starships. Ist der Vorwurf berechtigt?

Nicht nur Musk beschwert sich über die FAA. Ich habe auch von anderen amerikanischen Raketenfirmen gehört, die FAA sei unheimlich langsam und bürokratisch. Es ist richtig, dass die FAA überprüft, ob Raketenstarts die Umwelt übermässig belasten. Aber das darf nicht zum Hemmnis für die Raketenindustrie werden. Die FAA hat das übrigens erkannt und Veränderungen vorgenommen.

Musk hat sich in der Vergangenheit auch über die Federal Communications Commission (FCC) beschwert. Diese amerikanische Behörde ist unter anderem für die Vergabe von Konzessionen für Starlink und andere Satellitenkonstellationen zuständig.

Die FAA und die FCC sind beide mit dem gleichen Problem konfrontiert: Wie geht man mit dem rasanten Fortschritt im Bereich Weltraum um? Vor zehn Jahren gab es im Durchschnitt einen Raketenstart pro Monat. Heute sind es manchmal bis zu drei an einem Tag. Diese Behörden sind nicht langsam, weil sie zu wenig arbeiten; sie sind langsam, weil die Probleme so anders sind. Wie die Nasa sind diese Behörden aus der Zeit gefallen. Sie entsprechen nicht mehr den heutigen Erfordernissen. Das sorgt für Konflikte.

Gehen Sie davon aus, dass der Weltraum unter Trump und Musk an Bedeutung gewinnen wird?

In der Rede, die Trump nach seinem Wahlsieg gehalten hat, hat er acht Minuten über den Weltraum gesprochen. Acht Minuten! Normalerweise zählt man bei der Nasa die Wörter, die ein Präsident über sie verliert. Die meiste Zeit sprach Trump zwar von SpaceX und Elon Musk. Aber es zeigt trotzdem, dass er vom Weltraum begeistert ist.

Was erwarten Sie von der Regierung Trump?

Für mich wäre es wichtig, dass nicht nur ein Projekt oder eine Firma wie SpaceX unterstützt wird. Die Erkundung des Weltraums ist ein breites Unterfangen der Menschheit, bei dem auch die Wissenschaft und die Erdbeobachtung nicht zu kurz kommen dürfen.

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