Nach Trumps Amtseinführung provozierte Elon Musk mit einem seltsamen Gruss. Seitdem wird über die Geste diskutiert. War das ein Versehen? Ein Hitlergruss? Oder eine Anlehnung an römische Kaiser?
Hat er oder hat er nicht? So viel steht fest: Auf der Party für die Unterstützer von Donald Trump in Washington wandte sich Elon Musk am Montagabend an alle, die sich für den Präsidenten eingesetzt hatten. «Ich möchte euch danken», sagte er, «dass ihr das möglich gemacht habt.» Dann schlug er sich mit der rechten Hand auf die Brust und streckte den erhobenen Arm aus. Zweimal hintereinander.
Kurz darauf ging der Sturm los: «Ein Nazi-Gruss», schrieb die amerikanische Faschismus-Spezialistin Ruth Ben-Ghiat auf X, «und zwar einer, der ziemlich aggressiv war.» Fachkollegen widersprachen. Das sei nur «die ungeschickte Geste eines autistischen Mannes, der der Menge sagt, dass sein Herz für sie schlägt», wandte der Historiker Aaron Astor ein. 2021 hatte Musk öffentlich erklärt, unter dem Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus, zu leiden. Er selbst quittierte die Anschuldigungen mit der Bemerkung, seine Gegner sollten sich «bessere schmutzige Tricks» einfallen lassen. Der Hitlergruss-Vorwurf sei «abgedroschen».
Auch die Anti-Defamation League, die in den USA gegen Antisemitismus kämpft, nahm Musk in Schutz. Andrea Stroppa, ein enger Vertrauter und Sprachrohr Musks in Italien, kommentierte die Geste seines Chefs auf X zunächst mit den Worten: «Das Römische Reich ist zurück, angefangen mit dem römischen Gruss.» In Italien ist die ausgestreckte rechte Hand als «saluto romano» bekannt und verboten: Benito Mussolini hatte sie für seine Bewegung geprägt, bevor Hitler sie übernahm.
Unbedachte Bewegung?
Kurze Zeit später löschte Stroppa den Post und schrieb: «Diese Geste, die manche für einen Nazi-Gruss gehalten haben, ist einfach nur Elon: Er ist Autist und drückt damit das Gefühl aus: Ich möchte dir mein Herz schenken.» Das habe Musk in seiner Rede zum Ausdruck gebracht. Und überhaupt: Musk möge keine Extremisten.
Ob das wirklich stimmt, sei dahingestellt. Was Musk jedenfalls mag, ist Italien. Genauer gesagt, das antike Rom, wo die Grussgeste des ausgestreckten rechten Arms womöglich ihren Ursprung hat. Auf Darstellungen aus der römischen Kaiserzeit begegnet man ihr öfter. Beispielsweise auf der Trajanssäule in Rom, wo Soldaten den rechten Arm auf diese Weise zum Gruss erheben. Allerdings in lockerer Haltung, nicht schneidig ausgestreckt mit durchgedrücktem Ellbogen wie bei den Nazis.
Was nun also: Hitlergruss? Unbedachte Bewegung? Oder eine lockere Anleihe bei römischen Herrschern, die sich, wie Kaiser Augustus, gern mit erhobenem rechtem Arm darstellen liessen? Undenkbar wäre es nicht. Das antike Rom ist in Elon Musks Denken gegenwärtig. Sehr gegenwärtig sogar. Er denke jeden Tag ans römische Reich, erklärte er vor einiger Zeit auf X. Dort zeigte er sich während Trumps Wahlkampf auch einmal in der Rüstung eines römischen Legionärs und erging sich in eigensinnigen Theorien über die Gründe für den Untergang des Imperium Romanum.
Duell im Kolosseum
Amerika bezeichnet Musk gern als das «neue Rom». So, wie Rom seine Macht über den ganzen Mittelmeerraum ausdehnte, soll Amerika seine Kultur und seine Werte verbreiten. Nicht nur auf der Erde, sondern darüber hinaus. Mit seiner Firma SpaceX plant Musk, den Mars zu besiedeln, und hat sich bereits zum «Imperator des Mars» erklärt – in Anlehnung an die Feldherrn der römischen Antike. Vor knapp zwei Jahren forderte er den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zum Duell: im Gladiatorenkampf von Mann zu Mann, am liebsten im Kolosseum in Rom.
Es kam nie so weit. Aber für das historische Setting hätte sein Rivale Zuckerberg Verständnis gehabt. Auch er ist bekennender Antiken-Fan, begeistert sich für römische Herrscher und gibt an Pressekonferenzen gern lateinische Sätze zum Besten. Nach der Hochzeit mit Priscilla Chan verbrachte das Paar die Flitterwochen in Rom, wo sie, laut Priscilla, «immer zu dritt» gewesen seien: sie, Mark und Kaiser Augustus, von dem sich Zuckerbergs Gedanken kaum hätten lösen können.
Auch Elon Musks Begeisterung für das antike Rom geht weit. So weit, dass er sich Anfang Jahr auf X einen neuen Namen zugelegt hat. Einen römischen natürlich: «Kekius Maximus» nennt er sich, was bei seinen Followern einige Verwirrung hervorgerufen hat. Der Name lehnt sich einerseits an Maximus Decimus Meridius an, die Hauptfigur von Ridley Scotts erstem «Gladiator»-Film. Anderseits an die Kryptowährung Kekius Maximus Coin, deren Name sich auf verschlungenen Wegen auf eine Comicfigur bezieht, die in den USA auch als Symbolfigur der Alt-Right-Bewegung gilt.
Ein Schloss in der Toscana
Kekius Maximus gibt auf X Lebensweisheiten von sich, auf Latein natürlich. Zum Beispiel mit einem Seneca-Zitat: «Per aspera ad astra», was bedeutet, dass der Weg zu den Sternen über raue Pfade führt. Oder er schreibt: «Vox populi, vox dei», das Mantra der Populisten, dass sich in der öffentlichen Meinung Gottes Wille manifestiert. Oder er zitiert «Dulce est desipere in loco» – die Aufforderung von Horaz, nicht immer alles so ernst zu nehmen und sich zwischendurch auch manchmal ein bisschen gehen zu lassen.
Ganz so heiter ist Musks Bild der Antike allerdings nicht. Sein Vorbild ist nicht Kaiser Augustus, der sich über einen grausam geführten Bürgerkrieg zum «Friedenskaiser» mauserte. Vor knapp zwei Jahren erklärte Musk in einem Tweet, die USA brauche einen neuen Sulla – und spielte damit auf Lucius Cornelius Sulla an, eine der übelsten Figuren der römischen Geschichte, der 82 v. Chr. zum Diktator ernannt wurde und ein Terrorregime etablierte, in dem Tausende von Menschen brutal hingeschlachtet wurden.
Doch Musk liebt nicht nur das antike Rom. Auch das moderne Italien hat es ihm angetan. Einerseits geschäftlich: Mit Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist er im Gespräch über einen Milliarden-Deal. Die italienische Regierung will bei SpaceX ein Satellitensystem kaufen. Zu Giorgia Meloni, die zu Trumps Amtseinführung eigens nach Washington geflogen ist, pflegt Musk seit längerem freundschaftliche Kontakte. Und er betont immer wieder, wie sehr er Italien liebe.
Anscheinend möchte er dort auch mehr Zeit verbringen und plant, ein Haus zu kaufen. Natürlich nicht irgendeines. Etwas Herrschaftliches. Schon zwei Liegenschaften soll er besichtigt haben, darunter ein Schloss in der Nähe von Siena und ein mittelalterliches Anwesen in der Maremma: 600 Hektaren Land, 50 Hektaren Weinberge. Das Landgut gehörte früher der Familie des Schriftstellers Graham Greene. Vielleicht lässt es sich dort besonders gut von der vergangenen Grösse Roms träumen.