Dienstag, Februar 25

Der Tech-Unternehmer soll im Auftrag von Donald Trump den amerikanischen Staat zusammensparen. Für Musk ist Aufmerksamkeit dabei die wichtigere Währung als Dollars. Eine Übersicht.

«Ist das ein Witz oder ernst gemeint?» Das fragten sich amerikanische Bundesangestellte, als sie am 12. November 2024 nach Donald Trumps Wahlsieg erstmals von «Doge» hörten: Der Tech-Unternehmer Elon Musk solle ein neues «Department of Government Efficiency» führen und die amerikanischen Behörden bis im Juli 2026 effizienter und sparsamer aufstellen. Benannt ist die Organisation nach Musks Lieblings-Kryptowährung Dogecoin.

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Inzwischen ist den Staatsangestellten das Lachen vergangen. Musk meint es ernst. Er hat den Behördenapparat seit Trumps Amtsantritt vor einem Monat in einen permanenten Abnützungskampf verwickelt: Gestritten wird vor den Gerichten, in Amtsstuben und auf der Nachrichtenplattform X, die Musk selbst gehört.

In aller Öffentlichkeit

Musk setzt dabei, wie schon 2022 bei der Übernahme des X-Vorgängers Twitter, auf Schockwirkung und ein enormes Tempo. Damals warf er in ein paar Monaten fast 80 Prozent der Belegschaft auf die Strasse. Während andere Unternehmen versuchen, Streitereien zwischen Führung und Belegschaft intern zu lösen, trug Musk den Kampf gezielt in aller Öffentlichkeit aus.

Ähnlich radikal geht er diesmal vor. Die staatliche Agentur für Entwicklungshilfe, USAID? Sie soll geschlossen und die meisten Mitarbeiter entlassen werden. Die Konsumentenschutzbehörde CFPB, die ein Auge auf das Verhalten von Kreditkartenanbietern und Banken hat? Soll eingestampft werden. Der Direktor wurde entlassen, die meiste Arbeit eingestellt. «CFPB, ruhe in Frieden», kommentierte Musk auf X.

Zehntausende Bundesangestellte sollen zudem, gegen Lohnfortzahlung bis im Herbst, freiwillig ihre Kündigung eingereicht haben. Auch rhetorisch hält sich Musk nicht zurück. Regelmässig wirft er den Behörden grossflächigen Betrug vor, der die Steuerzahler Unsummen koste. Beweise für diese weitreichenden Behauptungen hat er bisher kaum vorgelegt.

Nerds gegen Beamte

Musk stachelt seine Millionen Follower an, uneinsichtigen Beamten ihre Meinung zu sagen, und statuiert an einzelnen Personen ein Exempel. So weigerte sich ein führender Vertreter des Finanzdepartements, Musks Team Zugang zum System zu gewähren, mit dem die Behörden ihre Rechnungen zahlen. Dieser langjährige Beamte wurde erst beurlaubt und trat kurze Zeit später zurück.

Es prallen zwei komplett unterschiedliche Kulturen aufeinander: Das Doge-Team umfasst neben einigen Leutnants aus Musks Unternehmen viele teilweise sehr junge Ingenieure. Sie treffen auf gestandene Staatsangestellte, die Washington am Laufen halten, mit ihrem Wissen aber nicht freiwillig herausrücken, um Doge keine Angriffsfläche zu bieten.

Musks Flut an radikalen Massnahmen und seine Rhetorik dienen dazu, an dieses für die Sparbemühungen entscheidende Wissen zu gelangen. Gleichzeitig will er die traditionell gut organisierten Beamten überrumpeln und vor vollendete Tatsachen stellen, bevor ihr Widerstand zu greifen beginnt.

Der Machtkampf erstreckt sich dabei auch auf scheinbar banale Dinge: Doge forderte rund zwei Millionen zivile Bundesangestellte am Wochenende per Mail auf, fünf Dinge aufzuzählen, die sie in der vergangenen Woche geleistet hätten. Musk selbst goss auf X Öl ins Feuer: «Ein Versäumnis zu antworten wird als Kündigung aufgefasst.»

Die Personalabteilung der Bundesbehörden versandte die Mail am Samstag, die Deadline endet bereits am Montag um Mitternacht. «Eine bedeutende Zahl von Leuten, die für die Regierung arbeiten sollten, erledigen so wenig, dass sie nicht einmal ihre Mails checken!», schrieb Musk dazu.

Gut organisierte Gegner

Doch die amerikanische Bundesverwaltung ist ein anderes Kaliber als die Belegschaft eines Tech-Unternehmens: X zählte vor Musks Übernahme 7500 Mitarbeiter, die USA etwa dreihundertmal mehr. Viele dieser Angestellten sind gewerkschaftlich gut organisiert. Die Gewerkschaften haben sich auf einen zähen Abwehrkampf eingestellt und verfügen über die Ressourcen, um Doge juristisch Paroli zu bieten. Derzeit beschwören sie ihre Mitglieder, nicht auf jede Aufforderung von Musk zu reagieren.

Sogar einige von Trump nominierte Regierungsmitglieder haben ihren Mitarbeitern geraten, die Fragen vom Wochenende vorerst nicht zu beantworten. Dazu gehören Tulsi Gabbard, die umstrittene neue Chefin der Geheimdienste, oder der FBI-Chef Kash Patel, der ebenfalls als loyaler Trumpist gilt.

Ob Musk Erfolg hat oder nicht, werden zu grossen Teilen die Gerichte entscheiden. Gegen die meisten wichtigen Anordnungen haben Arbeitnehmer oder ihre Gewerkschaften Klage eingereicht, und sie konnten Doge zumindest zeitweise aufhalten. Bis jetzt zeigt sich ein durchmischtes Bild: Manche Doge-Massnahmen werden von Bundesrichtern nicht gestoppt, am vergangenen Freitag etwa die Entscheidung, Tausende Mitarbeiter von USAID von Projekten auf der ganzen Welt abzuziehen. In anderen Fällen haben die Richter die Massnahmen aber ausgesetzt, bis sie sich ein genaueres Bild machen konnten.

Es geht um Dollars und Aufmerksamkeit

Musk weiss jedoch, dass seine PR-Blitzkampagne auch ausserhalb der Gerichtssäle Wirkung erzielen kann: Die Öffentlichkeit erhält von Doge täglich Erfolgsgeschichten von der Sparfront serviert, natürlich vor allem über X. Vor einer Woche hat das Doge-Team auf seiner Website die «Wall of Receipts» aufgeschaltet, eine digitale Pinnwand voller «Quittungen»: Sie enthält Angaben zu über 1100 Verträgen, die Doge gekündigt haben will. Doge stipuliert, dass diese Verträge rund einen Fünftel der 55 Milliarden Dollar an Einsparungen einbringen, die man bereits erzielt habe.

Der Rest setze sich zusammen aus entdecktem und verhindertem Betrug, Entlassungen oder dem Verkauf von Vermögenswerten. Wie die Zahl zustande gekommen ist, lässt sich von aussen nicht nachvollziehen.

Die Liste enthält eine sehr bunte Mischung an aufgekündigten Verträgen. Gestrichen worden seien etwa «Financial Times»-Abonnements des Landwirtschaftsdepartements (Einsparung: 264 448 Dollar). Das Bildungsdepartement löste einen Vertrag mit dem IT-Supporter Sanametrix auf (17 188 194 Dollar), während die Behörde für Nahrungsmittelsicherheit auf ein Führungs-Coaching von Eagle Hill Consulting verzichtet (458 880 Dollar).

Zahlreiche amerikanische Medien haben nachgerechnet und kommen auf viel tiefere Werte. So habe Doge auch mehrjährige Verträge aufgelistet, die bald erfüllt sind und bei denen entsprechend nur mehr sehr wenig eingespart werden kann. Am meisten sei bei Forschungsprojekten gekürzt worden, rechnete das «Wall Street Journal» vor. Das Doge-Team hat die ausgewiesenen Zahlen zum Teil angepasst und verspricht, bald noch mehr Transparenz walten zu lassen.

Die Show muss weitergehen

Mit seinem radikalen Vorgehen könnte Musk die Administration durchaus wachrütteln und nachhaltig verändern, wie sich neben seinen Fans auch Konservative erhoffen, die seit Jahrzehnten gegen die wachsende Bürokratie ankämpfen.

Das ursprüngliche Hauptziel von Doge geht hinter der PR-Schlacht aber etwas vergessen. Egal, welche Zählweise man anwendet: Die bisherigen Einsparungen reichen nie und nimmer, um das enorme Budgetdefizit der USA signifikant zu verkleinern. Das Land hat im vergangenen Steuerjahr 6,75 Billionen Dollar ausgegeben, aber bloss 4,92 Billionen eingenommen.

Ursprünglich gab Musk das Ziel aus, mit Doge 2 Billionen Dollar einzusparen, korrigierte seine Ambition Anfang 2025 aber nach unten: Indem man auf 2 Billionen ziele, schaffe man vielleicht die Hälfte, sagte er. Präsident Donald Trump will bei den grössten, politisch heiklen Ausgabeposten nicht sparen: Die Renten und die Leistungen von Medicare, der Krankenversicherung für ältere Amerikaner, sollen nicht gekürzt werden. Sie machen zusammen bereits mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben aus. Weitere 27 Prozent entfallen auf Militärausgaben und Zinszahlungen, welche die USA auf ihren Staatsschulden zu entrichten haben und die grösstenteils auch ausserhalb der Reichweite von Doge liegen.

Seinen wichtigsten Unterstützer weiss der Tech-Unternehmer immer noch hinter sich. Elon mache einen grossartigen Job, schrieb Donald Trump am Samstag auf seiner eigenen Nachrichtenplattform Truth Social, wie üblich in Grossbuchstaben: «Aber ich möchte sehen, dass er aggressiver wird.»

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