Freitag, April 25

In Sydney wurde ein Priester während einer Messe, die live im Internet übertragen wurde, mit einem Messer attackiert. Die australischen Behörden wollen das Video weltweit löschen lassen, doch die Plattform X wehrt sich dagegen.

Elon Musk streitet gegenwärtig mit den Behörden in Australien über die Forderung, das Video einer Messerattacke in Sydney ganz von seiner Plattform X (vormals Twitter) zu löschen. Bis anhin ist es nur für australische Nutzer nicht mehr abrufbar. Musk argumentiert, dass kein Land «das ganze Internet» kontrollieren dürfe. Für die australischen Behörden geht eine lokal begrenzte Sperrung zu wenig weit, da der Inhalt so über Umwege auch in Australien auffindbar bleibe.

Hintergrund ist ein Vorfall, der sich vor knapp zehn Tagen ereignete. Am 15. April griff ein 16-Jähriger während eines Gottesdienstes einen assyrischen Bischof mit einem Messer an. Vor dem Gotteshaus kam es kurz nach der Tat zu Ausschreitungen. Einsatzkräfte von Polizei und Sanität mussten sich in der Kirche vor der aufgebrachten Menschenmenge verschanzen, Dutzende Beamte wurden verletzt. Der 16-jährige mutmassliche Täter wurde wegen Terrorismus angeklagt.

Da der Gottesdienst live im Internet übertragen wurde, kursierte nach der Tat eine Aufnahme davon in den sozialen Netzwerken. Darin sieht man, wie eine Person auf den Bischof zuläuft und mehrmals auf ihn einsticht, auch ins Gesicht. Die australischen Behörden verlangten von den sozialen Netzwerken, das Video sowie Links zum Video zu entfernen.

Meta, der Konzern hinter Facebook und Instagram, fügte sich der Aufforderung. Auch andere Plattformen wie Snapchat oder Tiktok kamen der Aufforderung zur Zufriedenheit der Behörden nach.

X sperrt Video nur in Australien

X weigert sich jedoch, der Aufforderung vollumfänglich nachzukommen. Man sei lediglich bereit, den Zugang zum Video in Australien zu blockieren. Das war Julie Inman Grant, der australischen Kommissarin für Online-Sicherheit, zu wenig. Denn mit einem VPN, einem Dienst zur Verschleierung des eigenen Standortes im Internet, kann das Video auf X auch in Australien weiterhin gefunden werden.

Kommissarin Grant kann die Entfernung von Inhalten laut Gesetz anordnen, wenn sie «gewalttätiges Verhalten wie Entführung, Vergewaltigung, Folter, Mord, Mordversuche und Terroranschläge fördern, anstiften, dazu anleiten oder darstellen» und wenn sie «viral gehen und der australischen Gesellschaft erheblichen Schaden zufügen könnten». Da das Video laut den Behörden Nachahmungstäter animieren könnte, seien die Voraussetzungen dafür erfüllt.

Trotz mehrmaligen Aufforderungen, den Zugang zum Video zu unterbinden, lenkte X nicht ein. Die Plattform teilte mit, man habe das Video in Australien blockiert, obwohl es nicht gegen die Richtlinien von X verstosse. Inhalte, die die Tat verherrlichen würden, würden gelöscht. Den Zugang weltweit zu blockieren, komme nicht infrage. «Globale Löschbefehle verstossen gegen die Grundprinzipien eines freien und offenen Internets und bedrohen die freie Meinungsäusserung überall», schrieb X.

Daraufhin reichte die Behörde am Montag, 22. April, eine Klage vor einem australischen Bundesgericht ein, um die Entfernung des Videos zu erzwingen. Das Gericht ordnete an, das Video zu verbergen, während der Fall verhandelt wird. Die Massnahme gilt bis zum 10. Mai.

Der Premierminister bezeichnete Musk als «arroganten Milliardär»

Elon Musk äusserte sich mehrmals auf X zu dem Streit und beschuldigte die australischen Behörden, die freie Meinungsäusserung weltweit limitieren zu wollen. Er fragte rhetorisch: «Sollte die Kommissarin für Online-Sicherheit (eine nicht gewählte Beamtin) in Australien die Hoheit über alle Inhalte auf der Welt haben?» In einem weiteren Beitrag bezeichnete er Kommissarin Grant als «Zensur-Kommissarin».

Anthony Albanese, der australische Premierminister, sagte dem Fernsehsender ABC News, man werde alles Notwendige tun, um «diesem arroganten Milliardär», der denke, er stehe über dem Gesetz, beizukommen. Dass er vor Gericht für das Recht kämpfe, gewaltträchtige Inhalte auf seiner Plattform zu veröffentlichen, zeige, wie realitätsfremd Musk sei. «Zu einem sozialen Netzwerk gehört auch soziale Verantwortung», sagte Albanese. «Mr. Musk zeigt davon nichts.»

Am Donnerstag doppelte X nach und erklärte, dass man glaube, der Aufforderung der Behörden nachgekommen zu sein. Der Zugang zum Video sei in Australien blockiert worden. X respektiere das Recht eines Landes, in seinem Hoheitsgebiet Gesetze durchzusetzen. Doch keine Regierung solle zensieren können, was Bürger anderer Länder online zu sehen bekommen. «Wir glauben, diese Prinzipien sind es wert, verteidigt zu werden, und wir werden das weiterhin tun», schrieb X in einem Beitrag.

Auch aus Australien selbst erfährt Musk Unterstützung für seine Position. Der Oppositionsführer Peter Dutton bezeichnete die Forderung der Online-Kommissarin als «dumm». Australien könne nicht die Internet-Polizei für die Welt sein, sagte er in einem Radiointerview.

Kämpfer für Meinungsfreiheit mit Einschränkung

Australien ist nicht das einzige Land, mit dem sich Elon Musk in diesem Monat angelegt hat. In Brasilien hatte sich X einer Anordnung des höchsten Gerichts widersetzt, einige Nutzer-Accounts auf der Plattform zu blockieren. Daraufhin untersuchten die brasilianischen Behörden, ob sich Musk der Behinderung der Justiz schuldig gemacht habe. Inzwischen hat X das brasilianische Gericht jedoch informiert, dass man dessen Anordnung einhalten werde.

Musk bezeichnet sich selbst gerne als Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Angeblich kaufte er 2022 die Plattform Twitter, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Nur wenn ein Inhalt tatsächlich gegen ein Gesetz verstosse, will Musk laut eigenen Aussagen handeln. Laut einer Datenanalyse des Nachrichtenmagazins «Rest of the World» aus dem vergangenen Jahr hat X unter Musk in 80 Prozent der Fälle der Löschanfrage einer Regierung oder eines Gerichts entsprochen. Vor der Übernahme lag dieser Wert bei 50 Prozent. Der Grossteil dieser Anfragen komme dabei aus Indien und der Türkei.

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