Amerikas Technologie-Mekka gilt als Hochburg der Demokraten. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass viele Tech-Unternehmer Donald Trump unterstützen. Das hat verschiedene Gründe.
Begeistert springt und tanzt Elon Musk über die Bühne in Pennsylvania, wirft die Arme in die Höhe. Der reichste Mann der Welt wirkt wie ein Hofnarr, der unterhält, während Donald Trump zu seinen Anhängern spricht. Mit Musk bekommt der republikanische Präsidentschaftskandidat nun eine prominente Unterstützung im Endspurt des Wahlkampfs. Denn der CEO von Tesla, Starlink und X ist «all in on Trump», online wie offline.
Musk ist nicht der einzige Tech-Unternehmer, der sich offen hinter Trump stellt; Trumps Fanliste im Silicon Valley ist lang: die Palantir-Mitgründer Peter Thiel und Joe Lonsdale; die Brüder Winklevoss, die einst Facebook mitgegründet hatten; der Private-Equity-Mogul Antonio Gracias, der früher im Aufsichtsrat von Musks Firma Tesla sass; Palmer Luckey, Gründer der Virtual-Reality-Firma Oculus. Luckey organisierte jüngst auch ein Fundraising-Essen für Trump im südkalifornischen Newport Beach. Kosten pro Teilnehmer: bis zu 100 000 Dollar, Selfie mit Trump inklusive.
Auch der Wagniskapitalgeber und Milliardär David Sacks lud Trump vor wenigen Monaten in sein Haus nach San Francisco ein und organisierte ein Abendessen zum Spendensammeln. Sogar Metas CEO Mark Zuckerberg sagte jüngst in einem Interview, dass Trumps Verhalten nach dem Anschlagsversuch eines der krassesten Dinge gewesen sei, die er in seinem Leben gesehen habe. Die Begeisterung sah man ihm an, als er vor laufender Kamera nachspielte, wie Trump die Faust in die Höhe gereckt hatte.
Trumps Vize-Kandidat J. D. Vance ist selbst ein Gewächs des Silicon Valley: Jahrelang arbeitete er dort für den Investor Peter Thiel – auch wenn er vor Trump-Wählern lieber seine Wurzeln als Hillbilly aus Ohio betont. Ebenso ist Trumps Schwiegersohn Jared Kushner bestens in der Tech-Szene vernetzt: Sein Bruder Joshua Kushner gründete die Risikokapitalfirma Thrive Capital, die gerade 1,2 Milliarde Dollar in Open AI gesteckt hat.
Was ist passiert, mag man sich fragen: Ist das Silicon Valley nicht als linke Hochburg verschrien? Hat im Technologie-Mekka ein Gesinnungswandel stattgefunden?
Laurene Powell Jobs ist Harris’ Geheimwaffe
Tatsächlich tickt das Silicon Valley politisch keinesfalls so uniform, wie es bisweilen dargestellt wird. Ja, die Heimat der Tech-Konzerne, das Santa Clara County, schickt seit Jahren zuverlässig demokratische Kandidaten nach Washington, sei es für den Kongress oder das Weisse Haus. Auch 2020 stimmten hier drei Viertel der Wähler für Biden und ein Viertel für Trump. Doch politisch sind viele Firmen eher libertär eingestellt und wehren sich eifrig gegen eine übergreifende Regulierung.
Bei genauem Hinschauen stehen auch zahlreiche Silicon-Valley-Grössen hinter Kamala Harris: Der Netflix-Mitgründer Reed Hastings spendete 7 Millionen Dollar für ihren Wahlkampf. Auch der Linkedin-Mitgründer Reid Hoffman findet, Harris sei «die richtige Person zur richtigen Zeit».
Hunderte von Wagniskapitalgebern («venture capitalists» oder auch VC) haben einen offenen Brief «VCs for Kamala» unterzeichnet, unter ihnen bekannte Silicon-Valley-Investoren wie Vinod Khosla und Mark Cuban. «Wir sind pro Firmen, pro Unternehmer, aber wir glauben auch an Demokratie als das Rückgrat unserer Demokratie. Wir sind vereint in der Unterstützung für Kamala Harris», heisst es darin.
Harris kann dabei von jahrzehntelangen Verbindungen profitieren, weil sie ihre politische Karriere in der Bay Area begann. Der Salesforce-CEO Marc Benioff unterstützte Harris bereits, als sie für das Amt der Justizministerin Kaliforniens kandidierte – ebenso taten das damals der jahrelange Apple-Designer Jony Ive und die frühere Facebook-Managerin Sheryl Sandberg. «Ich bin ganz aus dem Häuschen, dass ich sie wieder unterstützen kann», schrieb Sandberg auf Instagram über Harris. Gerade die Beziehung mit Sandberg kann man jedoch kritisch sehen: So machte Harris etwa 2013 Werbung für Sandbergs Buch «Lean In», während sie gleichzeitig in ihrer Funktion als Generalstaatsanwältin für die Aufsicht über Facebook zuständig war. Harris sei zu freundlich zu Big Tech gewesen, bemängeln Kritiker.
Auch hat Harris, ähnlich wie Trump über seinen Schwiegersohn Jared Kushner, familiäre Beziehungen in die Tech-Szene. Ihr Schwager Tony West leitet seit Jahren die Rechtsabteilung bei Uber. Nachdem Harris zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gekürt worden war, hat er sich eine Auszeit von Uber genommen, um den Wahlkampf seiner Schwägerin zu beraten.
Das Elon-Musk-Äquivalent in der Harris-Welt ist die wohlhabendste Frau im Silicon Valley: Laurene Powell Jobs, die Witwe des Apple-Gründers Steve Jobs. Die medienscheue Milliardärin hatte bereits im Jahr 2000 an Harris’ Wahlkampf zur Bezirksstaatsanwältin Geld gespendet. Die beiden verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Auch in diesem Jahr hat «LPJ», wie sie bei Harris’ Mitarbeitern nur heisst, bereits Millionen von Dollar an Harris’ Wahlkampf gespendet.
Laut der «New York Times» spielte Powell Jobs auch eine wichtige Rolle darin, den öffentlichen Druck auf Joe Biden zu erhöhen, seine Kandidatur zurückzuziehen.
Tech-Firmen befürchten zu viel Regulierung – und weniger Green Cards
Aus unternehmerischer Sicht zeichnet sich ein gemischtes Bild, welchen der beiden Kandidaten die Tech-Firmen eher unterstützen.
Wettbewerbspolitik: Seit Joe Bidens Amtsantritt haben die Wettbewerbsbehörde FTC, die Börsenaufsicht SEC und das Justizministerium Klagen gegen Big Tech erhoben – darunter gegen Google, Apple, Meta, Tesla und Amazon. Die Ermittlungen begannen zwar vielfach schon während Trumps Präsidentschaft. Dennoch gilt Biden vielen als zu kritisch gegenüber Big Tech. Vor allem die von ihm ernannte FTC-Vorsitzende Lina Khan halten manche für eine Hardlinerin. Reid Hoffman sagte gegenüber CNN, dass eine Präsidentin Harris doch bitte Khan an der Spitze der FTC auswechseln sollte.
Künstliche Intelligenz: Harris hat sich als Vizepräsidentin intensiv mit der Schlüsseltechnologie beschäftigt und sich mit den Chefs wichtiger Firmen wie Open AI, Anthropic und Google getroffen, um Sicherheitsfragen zu diskutieren. Generell gilt sie punkto KI als kritisch und hat sich mehrfach für Datenschutz und Regulierungen von KI ausgesprochen. So erklärt sich auch, dass die Gründer der bekannten Wagniskapitalfirma a16z hinter Trump stehen und ihn mit «grossen Beträgen» unterstützen wollen. «Die Zukunft unseres Unternehmens, neuer Technologien und Amerikas steht buchstäblich auf dem Spiel», sagte einer der Gründer, Ben Horowitz.
Krypto: Die Regierung Biden ist als Kritikerin von Kryptowährungen bekannt, Trump präsentiert sich als deren Unterstützer. Jüngst hat er eine eigene Krypto-Firma gegründet, im Juli trat er an einer grossen Bitcoin-Messe als Redner auf. Die Besucher pries er als «Genies». Er hat sogar die Idee ins Spiel gebracht, nationale Geldreserven in Bitcoin anzulegen. Die Gebrüder Winkelvoss, die nach Facebook nun auf Krypto setzen, spendeten 1 Million Dollar an Trumps Wahlkampf – in Bitcoin. Sie sind in guter Gesellschaft: Zahlreiche Tech-Firmen wie Coinbase und a16z haben Hunderte Millionen in ein Political Action Committee (Super PAC) gesteckt, um krypto-freundliche Kongresskandidaten in diesem Wahljahr zu unterstützen beziehungsweise kritische Anwärter zu schassen.
Zuwanderung: Das Silicon Valley ist das Tech-Mekka der Welt – hier arbeiten die klügsten Köpfe aus zahlreichen Ländern. Die Tech-Firmen fragen deswegen sehr viele Zuwanderervisa nach. Als Trump kurz nach seinem Amtsantritt 2017 ein Einreiseverbot für Muslime verhängte, traf das auch Tech-Konzerne schwer. Die Befürchtung ist, dass unter einer Regierung Trump Arbeitsbewilligungen für Ausländer schwerer erhältlich sein könnten.
Tech-Angestellte sind wichtige Geldgeber
Die Unterstützung durch die Techies ist für Trump und Harris einerseits wichtig, weil Spitzenunternehmer für viele Amerikaner eine Vorbildrolle einnehmen – speziell Elon Musk, dem auf X mehr als 200 Millionen Menschen folgen. Vor allem aber ist das Technologie-Mekka für die Kandidaten ein wichtiger Ort, um Geld einzunehmen.
So kam J. D. Vance gerade zum mindestens dritten Mal ins Silicon Valley, um mit einem Fundraiser für Trump-Vance Geld einzusammeln. Harris war zuletzt im April in San Francisco für ein Fundraising (damals noch für Bidens Wahlkampf).
Die Rolle von Geld im amerikanischen Wahlkampf kann man kaum genug betonen: «Geld erhöht auf jeden Fall die Siegeschancen», sagte Richard Lau, Professor für Politologie an der Rutgers University, der NZZ im Gespräch. Die Kandidaten müssen Fernseh-, Digital- und Printwerbung in allen fünfzig Gliedstaaten schalten, die besten Köpfe für ihren Wahlkampf anwerben, ständig durch das Land reisen.
Schaut man sich an, wer für Trump und Harris spendet, zeigt sich eine klare Präferenz: Mehr Tech-Angestellte spenden an die Demokratin als an den Republikaner.
Mit Stand 31. August, mit den jüngsten verfügbaren Daten der Plattform Open Secrets, hat Harris deutlich mehr Geld zur Verfügung als Trump: Ihr Wahlkampf hatte bis Ende August mehr als 1 Milliarde Dollar eingenommen (wobei sie die Wahlkampfgelder von Biden übernehmen konnte), davon hatte sie rund 360 Millionen Dollar noch nicht ausgegeben.
Trumps Wahlkampfkassen sind deutlich leerer: Er hatte mit Stand Ende August noch 180 Millionen Dollar übrig von den 640 Millionen, die er eingesammelt hatte.
Allerdings muss Trump keineswegs befürchten, im Endspurt des Wahlkampfs ohne Geld dazustehen. Denn neben Wahlkampfauftritten hat Elon Musk ihm auch Hunderte Millionen an Spenden zugesagt. Das dürfte letztlich noch wertvoller sein, als ihn bei Wahlkampfauftritten als Hofnarren an der Seite zu haben.