Italien steht bei den amerikanischen Tech-Giganten hoch im Kurs. Die kurze Geschichte einer fast schon romantischen Beziehung.
Sie verstehen sich blendend. Als Giorgia Meloni letzten September in New York den renommierten Global Citizen Award des Atlantic Council entgegennehmen durfte, hielt Elon Musk auf ihren ausdrücklichen Wunsch die Laudatio. Italiens Regierungschefin sei «von innen sogar noch schöner als von aussen», flötete Musk. Ein Foto zeigte die beiden in trauter Zweisamkeit beim festlichen Dinner und führte zu – später dementierten – Spekulationen über eine amouröse Beziehung.
Am letzten Donnerstag wiederum, zwei Tage nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl, liess die italienische Ministerpräsidentin via X verlauten, sie habe gerade ihren «Amico Musk» angerufen. Dessen Engagement und dessen Visionen seien «eine wichtige Ressource für die USA und Italien». Meloni knüpfte damit an eine lange Reihe von Kontakten an, die sie mit dem Tech-Unternehmer pflegt. Musk ist gerne in Italien und tritt immer wieder an Veranstaltungen von Exponenten der Regierungskoalition auf.
Nelle scorse ore ho sentito l’amico @elonmusk. Sono convinta che il suo impegno e la sua visione potranno rappresentare un’importante risorsa per gli Stati Uniti e per l’Italia, in uno spirito di collaborazione volto ad affrontare le sfide future. pic.twitter.com/sAqHNG1kaG
— Giorgia Meloni (@GiorgiaMeloni) November 7, 2024
Nach der Wahl von Donald Trump hat die Nähe zu Elon Musk für Meloni natürlich eine besondere politische Bedeutung. Dabei wird übersehen, dass Musks Firmen für Italien auch wirtschaftlich von Belang sind.
Starlink für schnelles Internet
Im Oktober hat die Regierung in Rom bestätigt, dass in drei Regionen des Landes Versuche mit Starlink am Laufen seien. Starlink ist ein von Musks SpaceX betriebenes Satellitennetzwerk, das schnellen Internetzugang bietet. Musk hatte den Italienern Starlink schon im letzten Jahr nach der Unwetterkatastrophe in der Emilia-Romagna zur Verfügung gestellt, um die Kommunikation im Krisengebiet aufrechtzuerhalten.
Mit den jetzt laufenden Versuchen soll geprüft werden, ob Starlink geeignet ist, auch abgelegene Gebiete in Italien mit schnellem Internet zu versorgen. Musk würde das Land damit unterstützen, die von der EU im Rahmen des europäischen Wiederaufbaufonds gesetzten Ziele zu erreichen. Diese verlangen, dass Rom bis Mitte 2026 ganz Italien entsprechend versorgt.
Mit dem möglichen Einstieg von Starlink setzt die Regierung Meloni nicht zuletzt die heimischen Anbieter unter Druck. Laut Medienberichten soll auch die italienische Armee Interesse an Starlink bekunden. Das System könnte ihr helfen, die Verbindung auch dort aufrechtzuerhalten, wo dies mitunter schwierig ist, zum Beispiel im Mittelmeer.
Zuckerbergs Visite in Norditalien
Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den USA und Italien reichen weit zurück. Verantwortlich dafür ist zum einen die Emigration von Tausenden Italienern nach Amerika, die schon früh im 20. Jahrhundert einsetzte und solide Brücken über den Atlantik schuf. Zum anderen ist Italien für viele Amerikaner ein Sehnsuchtsland und ein beliebtes Reiseziel.
Schon vor Melonis Amtsantritt haben Tech-Firmen aus den USA ihren Fuss auf den Stiefel gesetzt. Apple zum Beispiel hat 2016 in Neapel in Zusammenarbeit mit der dortigen Universität ein grosses Entwicklerzentrum eröffnet und seither laufend ausgebaut. Amazon wiederum will gemäss der Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» in den nächsten fünf Jahren weitere 1,2 Milliarden Euro in Italien investieren, um den Bau von Rechenzentren voranzutreiben. Andere Investoren aus den USA erfüllen sich derweil eher romantische Träume, etwa als Besitzer von Fussballvereinen wie der AS Roma oder der Fiorentina.
Und schliesslich haben einige Unternehmer ein Auge auf die Stärke der italienischen Markenprodukte geworfen. Zu ihnen gehört der Facebook-Gründer und Meta-Chef Mark Zuckerberg.
Als im Mai 2019 ein Helikopter über der kleinen Gemeinde Agordo in der Provinz Belluno im Veneto kreiste, glaubten die Einwohner zunächst, Cristiano Ronaldo statte dem Hauptsitz des Brillenherstellers Luxottica einen Besuch ab. Mit bekannten Marken wie Ray-Ban oder Oakley war die Firma längst zu einem Faktor im weltweiten Geschäft mit Designerbrillen geworden – man vermutete eine PR-Aktion mit dem Fussballstar.
Doch statt des portugiesischen Fussballers entstieg Mark Zuckerberg dem Fluggerät. Der 2022 verstorbene Patron von Luxottica, Leonardo Del Vecchio, hatte den Tech-Unternehmer eingeladen, seine Firma zu besuchen. Es sollte sich als fruchtbare Begegnung entpuppen. Zuckerberg erkannte sofort das Potenzial des 1961 gegründeten norditalienischen Unternehmens. Man einigte sich auf eine Kooperation, die das Know-how der Italiener und die Anwendungen von Meta zusammenbringen sollte.
Mit der Brille streamen
Die Resultate sind unterdessen sichtbar. Die jüngste Generation von Ray-Ban-Meta-Brillen ermöglicht es den Benutzern zum Beispiel, das, was sie vor sich sehen, direkt auf Facebook oder Instagram zu streamen. Sie können zudem Bilder und Videos aufnehmen, die automatisch auf ihren Handys gespeichert werden.
Der KI-Assistent von Meta soll es ausserdem möglich machen, die Brillenträger mit weiteren Informationen zur Umgebung im Blickfeld zu versorgen. «Diese neuen Technologien werden eines Tages Smartphones ersetzen», gab sich dieser Tage Francesco Milleri, der heutige CEO des Brillenkonzerns, in der «Financial Times» überzeugt.
Milleris Firma ist mittlerweile zum grössten Brillenanbieter der Welt geworden. 2018 fusionierte Luxottica mit der französischen Essilor und entwickelte sich zu einem global tätigen Konzern. Vor allem die intelligenten Brillen mit dem KI-Assistenten haben sich zu einem Wachstumstreiber entwickelt. Die Marktkapitalisierung von Essilor Luxottica bewegt sich heute um die einhundert Milliarden Euro.
Nun soll die Zusammenarbeit mit Meta im Bereich der smarten Brillen noch einmal ausgebaut werden. Gleichzeitig denkt Mark Zuckerberg laut über einen Einstieg nach. Er plane «ein symbolisches Investment», sagte der Meta-Chef im September in einem Interview mit der amerikanischen Technologiezeitschrift «The Verge»: «Ich denke, dass sie sich von der führenden Brillenmarke der Welt zu einem der grössten Technologieunternehmen der Welt entwickeln wird.» Marktbeobachter gehen von einer Meta-Beteiligung in der Höhe von vier bis fünf Prozent aus.
Italien als Schauplatz der Tech-Giganten in Europa? Elon Musk und Mark Zuckerberg scheint diese Idee zu beflügeln – und mitunter zu albernen Gedankenspielen zu verleiten. Als die Italiener letzten Sommer gedanklich schon am Strand lagen und vom Ferragosto träumten, machte die Geschichte die Runde, dass Musk und Zuckerberg im Kolosseum in Rom einen öffentlichen Schaukampf austragen wollten. Die Bewilligung des Kulturministeriums liege schon vor, hiess es im August. Doch dann überlegten es sich die Streithähne anders. Der Kampf wurde abgesagt. Stattdessen spielen sie ihre Kräfte anderswo aus – auf dem Markt.