Frankreich trauert mit den Angehörigen der französischen Opfer vom 7. Oktober und spricht vom «grössten Massaker an den Juden in diesem Jahrhundert». Derweil plant er auch für die Opfer im Gazastreifen eine Gedenkzeit.
Am 7. Oktober tötete die Hamas bei ihrem Terroranschlag in Israel über 1200 Menschen, darunter auch 42 französische Staatsangehörige, sechs Franzosen wurden bei dem Angriff verletzt. Vier französische Geiseln, die in den Gazastreifen verschleppt worden waren, konnten befreit werden, drei Personen werden noch immer vermisst.
Vier Monate nach dem Terrorangriff hat Frankreich am Mittwoch der französischen Opfer des Anschlags gedacht. Nacheinander wurde bei der Gedenkveranstaltung am Invalidendom in Paris von jedem Opfer ein Bild hineingetragen und aufgestellt. Ihre 55 Familien nahmen alle an der Zeremonie teil, einige wurden dafür eigens aus Israel eingeflogen. Für die drei Geiseln blieben symbolisch drei Stühle in der ersten Reihe auf der Ehrentribüne leer.
«Wir kämpfen jeden Tag dafür, dass sie zu uns zurückkehren», versprach Präsident Emmanuel Macron in einer kurzen Ansprache und sagte: «Die Hamas hat im Morgengrauen des 7. Oktobers einen massiven und abscheulichen Angriff lanciert. Es war das grösste antisemitische Massaker unseres Jahrhunderts.»
Angehörige der Opfer prangern Antisemitismus an
Die Gedenkfeier solle auch ein Zeichen gegen den Antisemitismus auf der Welt sein, erklärte der Élysée-Palast im Vorfeld der Veranstaltung. Die Familien der Opfer hatten sich dabei gegen die Teilnahme von Parlamentariern der Linkspopulisten von France insoumise (FI) gewehrt. Vertreter der Partei seien unanständig und respektlos, einige relativierten ihrer Meinung nach den Holocaust. «Sie tragen eine sehr schwere Verantwortung für die Explosion der Judenfeindlichkeit in Frankreich», schrieben die Familien in einem Brief.
Gemäss einem Bericht der Vereinigung jüdischer Institutionen in Frankreich (Crif) hat die Zahl von antisemitischen Vorfällen und Übergriffen seit dem 7. Oktober stark zugenommen. Das Innenministerium bestätigte den Anstieg. Insgesamt wurden in Frankreich im vergangenen Jahr 1676 antisemitische Zwischenfälle registriert. Diese reichen vom Verteilen von Flugblättern über Beleidigungen bis zu Todesdrohungen. Im Vorjahr waren es 436 Vorfälle gewesen.
Emmanuel Macron hatte den Angehörigen der Terroropfer bereits im letzten November versprochen, eine Gedenkfeier zu veranstalten. Danach verstrichen allerdings zwei Monate, bis sich die Pläne konkretisierten. Gleichzeitig enttäuschte der Präsident viele Juden, als er sich im November nicht an einem grossen Marsch gegen Antisemitismus beteiligte.
Macrons Haltung im Krieg wechselt
Frankreichs Präsident steht für seine Haltung im Krieg zwischen Israel und der Hamas regelmässig in der Kritik. Am vergangenen Montag hatte der Élysée-Palast bekanntgegeben, dass es auch für die französischen Opfer des Krieges im Gazastreifen eine Gedenkzeit geben werde. Wann diese angesetzt werden soll, ist allerdings noch unklar.
Die Linkspopulisten von FI begrüssten die Ankündigung. Man müsse aller Kriegsopfer in Nahost gleichermassen gedenken, erklärte Mathilde Panot, die Fraktionschefin von FI. Die Linkspopulisten forderten schon im vergangenen Herbst eine Gedenkfeier für die Opfer der Bombardierungen in Gaza. Die französischen Medien kritisierten allerdings, dass der Präsident es wieder allen Seiten recht machen wolle, ohne eine klare Linie vorzugeben.
Frankreichs Präsident ist um einen Ausgleich zwischen den Seiten bemüht. Zwar verurteilte Macron den Anschlag der Hamas vom 7. Oktober stets. In den vergangenen Monaten fiel Frankreichs Präsident jedoch vor allem durch seine scharfe Kritik am militärischen Vorgehen Israels in Gaza auf.
Im November rief er die israelische Regierung in einem Gespräch mit der BBC dazu auf, die Bombardierung von Babys, Frauen und alten Menschen im Gazastreifen zu stoppen. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, die Zivilisten hätten nichts mit den Terroristen zu tun. Israel regierte empört auf Macrons Aussagen. Dieser erklärte danach, seine Aussagen im Interview seien teilweise missverständlich gewesen.
Wenige Wochen später stellte der französische Staatschef dann öffentlich infrage, ob Israels Kriegsziele in Gaza realistisch seien. «Was bedeutet die vollständige Zerstörung der Hamas, und glaubt jemand, dass das möglich ist? Wenn ja, wird der Krieg zehn Jahre dauern», sagte Macron am Rande der Weltklimakonferenz in Dubai und bat Israel, die Kriegsziele doch genauer zu definieren. Gleichzeitig forderte Macron einen Waffenstillstand in der Kriegsregion.
Emmanuel Macron will den Krieg auch aus innenpolitischen Gründen so schnell wie möglich beendet wissen. Die Spannungen in Nahost sollen sich nicht auf Frankreich übertragen. Das Land hat mit rund
400 000 Juden eine grosse jüdische Gemeinde, und es leben rund 6 Millionen muslimische Menschen in Frankreich. Seit dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober kam es in Frankreich bereits zu zwei islamistisch motivierten Terroranschlägen. Seither gilt die höchste Terrorwarnstufe. Mit den Olympischen Spielen im Sommer steht dem Land zudem ein Grossereignis bevor, bei dem ebenfalls hohe Terrorgefahr droht.