Freitag, Oktober 18

Eine Kampagne der SRG will die Radiohörerschaft in der Schweiz zu einem Umstieg von UKW auf DAB+ bewegen. Dabei kann in Notsituationen nicht auf UKW verzichtet werden.

Die geplante UKW-Abschaltaktion ist um ein Kapitel reicher. Zurzeit läuft auf allen SRG-TV-Kanälen eine penetrante Werbekampagne mit irreführendem Inhalt. So heisst es im vorgelesenen Text: «UKW wird abgeschaltet. Prüfen Sie, ob Ihr Radio DAB+ empfängt. Denn ohne DAB+ . . .» Nach einer kurzen Kunstpause folgt ein hässliches Rauschen, wie man es vom Suchen von Radiosendern kennt.

Diese Botschaft ist pure Angstmacherei. Denn nur die über 2000 (!) Sender der SRG werden Ende Jahr ausgeknipst, nicht aber diejenigen der privaten Schweizer Radios. Diese senden weiterhin auf UKW. Das vorgesehene UKW-Ende dieser Stationen steht erst in zwei Jahren an. Vor allem aus der Westschweiz droht jedoch bereits jetzt heftige Opposition gegen die Zwangsabschaltung, mit der die Schweiz das weltweit einzige Land ohne UKW-Verbreitung würde, ohne dass es für dieses Verbot eine nachvollziehbare Erklärung gibt.

Schwammiger Begriff

Verschämt wird in der Ecke des TV-Werbespots zudem erwähnt: «UKW-Abschaltung ab 31. 12. 24». Was das «ab» bedeutet, wird nicht entschlüsselt. Dieser schwammige Begriff – er bezieht sich allein auf die SRG-Sender – wurde erst nach einer Intervention der Privatradios gewählt. Ursprünglich wollten die Auftraggeber der SRG-Kampagne ein glasklares «am», was komplett faktenfrei gewesen wäre.

Heute haben gegen 50 Prozent aller Schweizer Autos keinen DAB+-Empfang, und dies wird sich in den nächsten Monaten auch mit den in der Kampagne vorgeschlagenen patzigen Behelfsmassnahmen nicht ändern lassen. Bei den vielen ausländischen Fahrzeugen, die in unserem Land unterwegs sind, ist der DAB+-Anteil noch beträchtlich tiefer. Die freigegebenen Frequenzbänder können für keinen anderen Zweck als für UKW genutzt werden und bleiben ungenutzt. Das wird es den ausländischen Stationen in Zukunft ermöglichen, beinahe ungehindert in unser Land einzustrahlen. Mit Sicherheit wird es zu massiven Protesten und zu viel Unverständnis führen, wenn die SRG am letzten Tag des Jahres gleichzeitig überall den Stecker zieht.

Es gibt eine weitere, bisher weithin unbeachtete Komponente: die Alarmierung der Bevölkerung in Notsituationen. Dafür wurde vor Jahrzehnten eine ausgeklügelte UKW-Infrastruktur gebaut. Als «Stimme, die durch Beton geht», wurde diese Technologie für Krisen- und Katastrophensituationen gewählt. Dafür baute man viele starke Notsender an Höhenstandorten und 38 in den Boden eingelassene Sendemasten, die im Ernstfall ausgefahren werden können. Eine vergleichbare Infrastruktur auf der Basis der viel weniger geeigneten DAB+-Technologie gibt es noch nicht. Zurzeit laufen Versuche vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs), die frühestens Ende 2027 zu einer Lösung führen werden.

Ignorierte Probleme

Was aber geschieht, wenn eine Notsituation vorher eintritt? Dann greift man gemäss Auskunft vom Babs notgedrungen zu – UKW! Zuerst sollen die abgeschalteten Sender der SRG wieder in Funktion gesetzt werden. In einer zweiten Phase will man die Notsender an den SRG-Höhenstandorten in Betrieb nehmen. Und in einer dritten Notphase wird man versuchen, die im Boden eingebunkerten UKW-Sender hochzufahren, wobei trotz den jährlich durchgeführten Tests nicht klar ist, ob die Kabel bei allen Masten noch funktionsfähig wären.

Das heisst: In einer Notsituation ist die Schweiz auch Jahre nach der Abschaltung der UKW-Sender auf die UKW-Verbreitung angewiesen. Ob die Bevölkerung dann noch genügend UKW-Radios mit vollgeladenen Batterien zur Hand haben wird, ist alles andere als sicher.

Eine Information der Bevölkerung über diese völlig unbefriedigende Situation fehlt weitgehend. Hingegen wird nun mit manipulativen Werbekampagnen die Angst geschürt, dass man schon sehr bald nur noch Rauschen hört, wenn man einen Schweizer Sender auf UKW hören will. Dies ist so unsinnig wie die UKW-Abschaltungsorgie insgesamt.

Roger Schawinski, promovierter Ökonom, entwickelte beim Schweizer Fernsehen in den 1970er Jahren den «Kassensturz». Später leitete er Sat. 1 und gründete mit Radio 24 und mit Tele Züri das erste Privatradio beziehungsweise das erste Privatfernsehen der Schweiz.

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