Handelskonflikte und unsichere Aussichten zur Wirtschaft sorgen für Unruhe an den Börsen. Umso erstaunlicher ist, wie wacker sich Energieaktien in diesem schwierigen Umfeld schlagen – ein Kaufsignal für Anleger, die nach günstig bewerteten Unternehmen suchen.

Die Situation an den Finanzmärkten bleibt unübersichtlich. An den Leitbörsen in den USA ist der S&P 500 vergangene Woche in die erste 10%-Korrektur seit fast anderthalb Jahren gefallen. Am Freitag folgte zwar eine willkommene Gegenbewegung, doch die chaotische Handelspolitik der neuen US-Regierung und die Abschwächung der Konjunkturdaten dürften Investoren auf absehbare Zeit in Atem halten.

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Dass Sorgen um die Wirtschaft zunehmen, signalisiert der Ölpreis. Die Notierung für ein Fass der europäischen Referenzsorte Brent ist in den vergangenen Tagen temporär unter 70 $ getaucht. Seit Anfang Jahr tendiert sie rund 6% schwächer. Die US-Sorte West Texas Intermediate hat sich in ähnlichem Umfang ermässigt.

Dennoch: In Anbetracht der düsteren Schlagzeilen bleiben die Verluste bisher in Grenzen. Trotz der Ankündigung des Ölkartells Opec+, Produktionskürzungen sukzessive aufzulösen, hält sich der Ölpreis sogar überraschend gut. Stützend wirkt unter anderem die Abwertung des Dollars.

Bemerkenswert ist vor allem die solide Performance von Energieaktien wie ExxonMobil, BP, Chevron, TotalEnergies oder Shell. An den Börsen in New York konnte der Sektor nach einer volatilen Woche ein Plus von 2,7% verzeichnen. Ähnlich gut hielten sich nur defensive Versorgerwerte.

Seit Anfang Jahr schneidet im S&P 500 der Energiesektor mit einer Avance von knapp 5% am zweitbesten nach Aktien von Gesundheitsunternehmen ab.

Diese positive Entwicklung lässt sich besonders gut anhand der relativen Performance erkennen. Verglichen mit dem Gesamtmarkt kämpften Energieaktien seit letztem Frühjahr gegen einen hartnäckigen Abwärtssog an, der sich gegen Ende Jahr verstärkte. Doch seither hat der Trend gedreht. Das überrascht umso mehr, weil der Sektor in der Regel sensitiv auf Veränderungen der Konjunkturaussichten reagiert.

Geopolitik bewegt den Ölpreis

Was könnte es also damit auf sich haben? Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Börsen relativ weit nach vorne blicken. Das trifft auch auf Aktien von Energiekonzernen zu, die dem Ölpreis tendenziell etwas vorauseilen. Für die positive Kursentwicklung der letzten Monate könnten demnach mehrere Erklärungen infrage kommen.

Einerseits präsentiert sich zur globalen Konjunkturlage ein differenziertes Bild. China könnte dieses Jahr endlich wieder etwas Tritt fassen, und in Europa kommt es möglicherweise zu einer markant expansiveren Fiskalpolitik. Negative Auswirkungen auf den Ölpreis bei einer Abkühlung in den USA könnten dadurch etwas abgedämpft werden.

Entscheidend ist ebenso, was beim Angebot passiert. Die Staaten der Opec+ wollen die Förderquote ab April laufend erhöhen. Bis in anderthalb Jahren sollen damit täglich 2,2 Mio. Fass Öl (rund 2% der gegenwärtigen globalen Produktion) mehr auf dem Markt sein als heute. Das weckt ungute Erinnerungen an die Episoden in den Jahren 1998 und 2014, als das Kartell die Nachfrage überschätzte und die Produktion ausweite, worauf die Ölreserven weltweit stiegen und der Preis unter Druck geriet.

«Die aktuelle Situation unterscheidet sich allerdings wesentlich von diesen beiden Beispielen», denkt Randy Ollenberger, Analyst bei der kanadischen Grossbank BMO. Anders als damals habe die Opec zuletzt deutlich unter ihren offiziellen Quoten gefördert und das Angebot freiwillig limitiert, um den Preis zu stützen, erklärt er. «Die Reserven an Öl und Petroleumerzeugnissen liegen heute deshalb weit unter dem normalen Niveau, was Support für den Preis bedeuten sollte.»

Paradebeispiel dafür sind die USA. Ihre strategischen Reserven, der weltgrösste Lagerbestand an Rohöl und Petroleumerzeugnissen, wurden nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine von der Biden-Regierung gezielt eingesetzt, um den Preisschock an den Energiemärkten zu verringern. Nun sollen sie stetig wieder aufgefüllt werden, wie US-Energieminister Chris Wright vergangene Woche bekräftigt hat.

Die Entwicklung in der Ukraine dürfte weiterhin einen massgeblichen Einfluss auf die Energiepreise haben. «Ein Waffenstillstand würde sicherlich eine Aufhebung der Sanktionen gegen russische Energieexporte einschliessen», denkt Jorge Leon vom Beratungsdienst Rystad Energy. Vor allem der Gasmarkt dürfte sich dadurch entspannen. «Beim Öl hingegen könnte der Druck auf den Preis geringer sein», wendet er ein, «denn die russische Ölproduktion wird durch die Quoten der Opec+ begrenzt und weniger durch Sanktionen.»

Ein Ende des Konflikts in der Ukraine und damit eine geringere Risikoprämie im globalen Energiehandel würde den USA zudem mehr Spielraum geben, um den Kurs gegen den Iran zu verschärfen. Im Zug von US-Sanktionen ist die iranische Ölproduktion während Präsident Trumps erster Amtszeit deutlich gesunken. Heizt sich die Konfrontation zwischen Washington und Teheran erneut auf, dürfte dies einer Ausweitung des Angebots durch russische Exporte teilweise entgegenwirken.

Attraktive Ausschüttungen für Aktionäre

Vieles davon hängt natürlich in der Schwebe. Wie sich die Lage auf dem Schachbrett der Geopolitik in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt, bleibt schwierig zu sagen. Tatsache ist, dass es Energiekonzernen im heutigen Umfeld nicht schlecht geht. Ein Ölpreis auf dem gegenwärtigen Niveau zwischen 70 und 80 $ pro Fass würgt die Weltwirtschaft nicht ab und ermöglicht es der Branche, einen robusten Cashflow zu erwirtschaften.

Noch wichtiger: Die meisten Unternehmen verhalten sich in Sachen Investitionen diszipliniert. Wie eine Auswertung mit Hilfe des Finanzdatendiensts S&P Global Market Intelligence zu zehn führenden Energiekonzernen aus den USA, Europa und Lateinamerika ergibt, rechnen Analysten zwar damit, dass die Kapitalausgaben im laufenden und im nächsten Jahr etwas steigen. Von Übertreibungen wie beim grossen Boom in den Jahren 2012 bis 2014 kann hingegen keine Rede sein.

Die vergleichsweise strenge Disziplin bei den Kosten zeigt sich gut bei den Bohrungen in den grossen US-Schiefervorkommen der Bundesstaaten Texas und North Dakota sowie in der Appalachen-Region. Seit dem Covid-Crash im Pandemiejahr 2020 erschliessen primär kleinere Privatunternehmen neue Reserven. Sie sind oft stärker verschuldet und haben eine höhere Gewinnschwelle, womit sie bei einem Rückgang der Energiepreise am verletzlichsten sind.

Die meisten etablierten Unternehmen hingegen halten ihre Aktivitäten mehr oder weniger konstant und konzentrieren sich auf die profitabelsten Ressourcen. Daran dürfte sich auf absehbare Zeit auch kaum viel ändern, wenn die Trump-Administration die regulatorischen Rahmenbedingungen lockert.

Anstatt sich in riskanten Projekten zu engagieren, profilieren sich die meisten Unternehmen mit der Ausschüttungspolitik. Die Aktionärsrendite (ein Aggregat aus Dividenden, Netto-Aktienrückkäufen sowie der Reduktion der Nettoschulden) beträgt bei den US-Branchenriesen ExxonMobil und Chevron rund 8,5%. Bei den europäischen Schwergewichten Shell, BP und TotalEnergies sind es 10 bis 16%, bei Petrobras aus Brasilien mehr als 21% und beim norwegischen Staatskonzern Equinor sogar 27%.

Energie fürs Portfolio

Aus einer Contrarian-Perspektive sprechen somit gute Argumente für Investments. Illusionen sollte man sich zwar nicht machen: Falls sich die Weltwirtschaft markant abschwächt, wird es im Energiesektor zu Turbulenzen kommen. Die stattlichen Ausschüttungen sollten Kursrückschläge aber immerhin etwas abfedern. Auch haben die meisten Konzerne ihre Bilanz in den letzten Jahren saniert und sind für stürmische Zeiten gewappnet.

Eine gewisse Sicherheitsmarge bieten ebenso die Bewertungen. Besonders an den US-Börsen dominiert nach wie vor die Obsession mit Technologieaktien und künstlicher Intelligenz, wogegen sich kaum jemand für Öl- und Gaskonzerne interessiert. Entsprechend gross ist der Abschlag: Auf Basis der Analystenschätzungen für 2025 handeln Unternehmen aus dem US-Energiesektor bloss zum knapp 7-Fachen des Betriebsgewinns auf Stufe Ebitda, was sowohl historisch wie auch verglichen mit dem Gesamtmarkt günstig ist.

Wie eine aktuelle Analyse von The Market zeigt, ist Energie der am attraktivsten bewertete globale Aktiensektor. Wer einen generalistischen Ansatz bevorzugt, setzt am besten auf einen ETF mit einem breiten Korb an Titeln wie den Energy Select Sector SPDR Fund (Börsenkürzel: XLE) oder den SPDR S&P Oil & Gas Exploration & Production ETF (XOP). Eine Auswahl von Fonds, die an europäischen Börsen sowie in der Schweiz kotiert sind, findet sich hier.

Wer lieber auf Einzelwerte setzt, orientiert sich im gegenwärtigen Umfeld am besten an den qualitativ besten Unternehmen. Unter den integrierten Branchenschwergewichten, die von der Förderung über die Raffinierung bis hin zum Vertrieb alle Stufen der Wertschöpfungskette abdecken, fallen Chevron, ConocoPhillips und TotalEnergies in diese Kategorie.

Besonders grosse Kursschwankungen machen Aktien unabhängiger Produzenten mit. Das kann – je nach Entwicklung der Energiepreise – ein Vorteil oder Nachteil sein. Punkto Qualität gehört EOG Resources in diesem Feld zu den besten Namen. Das Gleiche gilt bei den Servicegesellschaften für Schlumberger sowie bei den Raffineriebetreibern für Valero Energy. Bei den Gasproduzenten, die in den letzten Monaten von einem markanten Anstieg der Preise profitiert haben, ist Coterra Energy qualitativ die erste Adresse.

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