Freitag, Oktober 11

Ineos Britannia ist im Flow, das Team New Zealand der langjährige Dominator. Am Samstag beginnt das prestigeträchtigste Segelrennen der Welt – historisch wird es sowieso.

Die Feier von Ineos Britannia dauerte nur kurz: Zuerst versprühten die Teammitglieder Champagner auf ihrem Boot, später noch einmal an Land. «Wir haben einen historischen Sieg gefeiert, doch nun gilt unsere ganze Energie dem Kampf um den America’s Cup.» Das schrieb der Skipper und Steuermann Ben Ainslie in seiner Kolumne für eine britische Tageszeitung am Tag nach dem Gewinn des Challenger-Finals, des Louis Vuitton Cup.

In dieser Vorausscheidung zum America’s Cup schaffte das Team aus England die Voraussetzung dafür, dass es ab diesem Samstag nun den Titelverteidiger Neuseeland im Kampf um den 37. America’s Cup herausfordern darf. 7:4 bezwang Ainslies Crew das italienische Team von Luna Rossa, nachdem das Duell mit 4:4-Siegen einstweilen ausgeglichen gewesen war.

Damit gewann zum ersten Mal eine englische Crew als bester Herausforderer den Challenger-Final. Noch viel geschichtsträchtiger wäre indes, wenn das Team Ineos Britannia den America’s Cup gewinnen würde. Denn das ist in der 173 Jahre alten Geschichte dieses Wettbewerbs noch keiner englischen Mannschaft gelungen. So nah dran wie in diesem Jahr waren die Engländer seit sechzig Jahren nicht mehr: «Sovereign» hiess die Jacht der 12-Meter-Klasse, die 1964 als letzter britischer Challenger in Newport, USA, gegen den amerikanischen Cup-Defender 0:4 verlor.

Die Buchmacher favorisieren die Kiwis

Aber auch das Team New Zealand, der viermalige Cup-Sieger, hat Historisches vor. Es will nach 2017 und 2021 den Hattrick schaffen, was ein Novum in der modernen Cup-Geschichte wäre. Einen Monat lang musste der Defender abseitsstehen und zuschauen, wer von den fünf Challengers sich durchsetzt. Die Neuseeländer durften lediglich in der Vor-Regatta und der ersten Challenger-Serie ausser Konkurrenz mitsegeln. Sie gewannen diese zwei Regatten und gelten daher im Final nun als Favoriten – insbesondere, weil sie die Engländer in den beiden Serien jeweils bezwungen haben.

Das sehen auch die Buchmacher so, mehrere Wettbüros setzen auf einen Sieg der Kiwis. Diese strotzen nur so vor Selbstvertrauen. Auf die Frage eines neuseeländischen Journalisten, ob das Boot «Taihoro» schneller sei als die britische «Rita», antwortete der Steuermann Peter Burling mit einem knappen «Ja».

Unbegründet ist diese Zuversicht keineswegs. Die Neuseeländer sind das erfolgreichste Team in der modernen Cup-Geschichte. Neuseeländische Segler und Ingenieure gelten als die besten der Welt, in Bezug auf Design und Konstruktion sind sie äusserst innovativ. Davon zeugt ihre führende Entwicklung bei den Foils. Und dank der Einführung von Cyclors, also Pedaleuren, zur Energiegewinnung gewannen sie 2017 den America’s Cup. Ihre jahrelangen Erfahrungen zu Land und zu Wasser haben sie in dieser traditionsreichen Regatta, die als Synonym für technologischen Fortschritt gilt, zu einer Grossmacht werden lassen.

Anders als die Buchmacher räumen langjährige Cup-Experten den Briten durchaus Siegchancen ein. Die Engländer haben sich während der Vor-Regatten und in den Challenger-Duellen laufend verbessert; die Neuseeländer hingegen haben eine lange Pause hinter sich.

Dylan Fletcher, der zweite Steuermann auf dem britischen Boot, sagte, es sei ein Segen gewesen, von den Italienern so hart gefordert worden zu sein: «Ich denke, das hat uns gut vorbereitet auf die Kiwis.» Ainslie hatte Fletcher im August überraschend als Ersatz von Giles Scott an Bord geholt. Der Olympiasieger von 2021 bildet offensichtlich die perfekte Ergänzung zu Ainslie, die Kommunikation zwischen ihnen scheint perfekt zu funktionieren. «Ich denke, wir haben noch ein paar Dinge in der Tasche», sagte Fletcher im Hinblick auf das Duell mit dem Team New Zealand.

Die Neuseeländer nutzten den wettkampffreien Monat

Die Engländer hatten nur eine Woche Zeit, um ihr AC75-Boot nach dem gewonnenen Challenger-Final noch schneller zu machen. Die Kiwis hingegen konnten ihr Boot während eines ganzen wettkampffreien Monats auf den Cup-Final vorbereiten. In zahlreichen Ausfahrten testeten sie ihr Boot und simulierten Rennen. Das Boot «Taihoro», was in der Sprache der Maori bedeutet, «sich schnell zu bewegen wie das Meer zwischen Himmel und Erde», wurde mit einem neuen Satz Segel, modifizierten Foils und möglicherweise einem anderen Ruder umgerüstet. Der Defender ist denn auch überzeugt, dass er sich in sämtlichen Bereichen verbessert hat.

Die Stärke der Neuseeländer liegt darin, dass sie sich über all die Jahre hinweg als Team stets optimiert und erneuert haben. Ihr unbestrittener Star ist der Skipper Peter Burling. Er ist erst 33 Jahre alt und war 2017 der jüngste Steuermann, der den America’s Cup gewonnen hat. Zusammen mit dem Trimmer Blair Tuke bildet er das erfolgreichste Segel-Duo Neuseelands. Es wird durch den Co-Skipper Nathan Outteridge ergänzt, einen der besten Foiling-Spezialisten der Welt.

Der America’s Cup verspricht also einen spannenden und ausgeglichenen Final, wobei das Wetter ein entscheidender Faktor sein dürfte: Wer sein Boot am besten auf die unterschiedlichen Bedingungen wie schwachen Wind, stärkere Brisen und Wellengang einzustellen vermag, ist im Vorteil. Das Team, das im Match-Race zuerst sieben Rennen gewinnt, steht als Sieger fest.

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