Donnerstag, Oktober 3

In Gstaad wird Kunst im Menuhin-Zelt verkauft, im Kunsthaus Zürich soll bald schon eine Design-Verkaufsschau stattfinden und in Barcelona eine Messe für Videokunst.

Vor einigen Jahren machte das Wort Messemüdigkeit die Runde. Galeristen, Sammler und Kunstliebhaber stöhnten angesichts der extremen Multiplizierung von Kunstmessen. Dann kam die Pandemie und sorgte für ein Ende des internationalen Kunstrummels. Als dieser 2022 wieder losging, waren alle glücklich. Doch nun schleicht sich zunehmend wieder Überdruss ein. Das glaubt jedenfalls Thomas Hug, der Ex-Direktor der Genfer Kunstmesse Art Genève.

Er hat den Eindruck, «dass die Leute nichts gegen Kunstmessen haben, aber nach etwas Neuem verlangen». Der gebürtige Genfer und ausgebildete Musikwissenschafter stürzt sich gerade optimistisch in neue Abenteuer, um ebendieses Neue zu entwickeln. Der Erfolg der Messen in Genf und auch Monaco, die er initiiert hat, haben ihm in der Galeristenwelt einen Namen verschafft, hinzu kommt sein internationales Netzwerk.

Gegenmodelle zu den traditionellen Plattformen

Hug lancierte einen ersten Überraschungscoup bereits im letzten Februar – direkt nach der Art Genève, die nicht mehr unter seiner Ägide stattfand: und zwar in Gestalt eines Salon d’Art in Gstaad, dem Schweizer Bergort der Reichen und Schönen. Zwanzig international führende Galerien machten spontan mit. Der Erfolg folgte auf dem Fuss, so dass der nächste Kunstsalon in Gstaad im Februar 2025, wiederum in dem 2000 Quadratmeter grossen Zelt des Menuhin-Festivals, bereits feststeht.

Die Kunsthändler geben Hugs neuem Ansatz recht: Zusagen kamen von Blue-Chip-Galerien wie Pace aus New York, Capitain Petzel aus Berlin, White Cube aus London, Perrotin aus Paris oder Continua aus San Gimignano. Das alles ganz ohne Werbung, betont Hug.

Ermutigt vom erfolgreichen Neubeginn und unterstützt von Sponsoren, die seine Expertise schätzen und ihm die Treue halten, darunter etwa die Genfer Luxusuhrenfirma Journe, Chanel-Haute-Joaillerie und das Auktionshaus Phillips, entwickelte Hug ein Konzept für rund zehn neue Messeformate in verschiedenen Städten Europas. Alle, so seine Erklärung, seien prononcierte Gegenmodelle zu den traditionellen Plattformen und keinesfalls vergleichbar mit Parallelmessen wie etwa die Liste oder die Volta während der Art Basel.

Grundprinzip aller Projekte sei «Top-Qualität der Aussteller und ausgefallene Veranstaltungsorte». Gemeinsam ist allen Events die Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema wie zum Beispiel Fotografie, Videokunst oder Design. Hinzu kommt der unbedingte Wille, mit kleinen Formaten möglichst nahe beim Publikum zu sein: Hugs Salons sollen hochkarätig sein, aber von menschlicher Dimension – ein insgesamt wagemutiges und ambitioniertes Programm.

An erster Stelle die Kunst

Nun startet am 11. September in Wien unter dem Titel «Particolare» parallel zur Wiener Kunstmesse Vienna Contemporary im renommierten Kursalon ein kleiner, gediegener Kunstsalon. Das Besondere dieses Neulings in der internationalen Kunstmesselandschaft ist die radikale Umkehr des traditionellen Vorgehens. Normalerweise wählt ein Komitee die ausstellenden Galerien. Hier sucht ein Gremium nach exquisiten Kunstwerken, die gezeigt werden sollen. Erst anschliessend werden die entsprechenden Galerien gefragt, die solche Werke im Programm führen, ob sie ausstellen wollen.

Absagen gab es keine, so dass in Wien nun rund dreissig Arbeiten unter anderen von Mario Merz, Pistoletto, Angela Bulloch, Wim Delvoye, Alicja Kwade oder Tomás Saraceno präsentiert werden. Im Herbst geht es nach Paris, wo Hug früher bereits ein Gastronomie-Festival organisierte, das Küchenchefs und Künstler zusammenbrachte. Geplant ist ein Spezialsalon für lateinamerikanische Kunst in der Maison de l’Amérique Latine. Im November folgt eine Kollaboration mit dem Video-Festival Loop in Barcelona.

Das nächste Jahr beginnt mit Gstaads Kunstsalon. Ebenfalls im Februar wird ein auf Fotografie spezialisierter Salon in St. Moritz stattfinden. Im Juni dann, kurz vor der Art Basel und parallel zum Zürcher Gallery Weekend, soll es ein auf Design spezialisiertes Event sein, für das Hug im Chipperfield-Neubau des Zürcher Kunsthauses Räume reservieren konnte. Für alle Projekte fand Hug begeisterte Mitspieler, die auf sein Know-how als erfolgreicher Messedirektor vertrauen. Für ihn ist dies der Beweis dafür, dass der Kunstmarkt nach attraktiven neuen Konzepten dürstet.

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