Der Mitte-Dissident war einer der populärsten Politiker der Niederlande. Mehrfach musste er aus gesundheitlichen Gründen schon kürzertreten. Die Zukunft seiner Partei ist offener denn je.

Pieter Omtzigt wirkt gefasst, als er vor die Kamera tritt: «Zum ersten Mal» habe er entschieden, seine Familie an erste Stelle zu setzen und sich ernsthaft um seine Gesundheit zu kümmern. «Eine wirkliche Genesung von meinem Burnout ist in der Hektik der aktuellen Politik in Den Haag nicht möglich», sagt der Parteigründer und Vorsitzende des Neuen Gesellschaftsvertrags (NSC) in einem dreiminütigen Video, das er am Freitagabend auf X veröffentlichte. Er kündigt an, sich per sofort aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Sein Entscheid ist ein Paukenschlag für die Niederlande, überrascht jedoch nicht völlig: Verschiedene Male hat sich Omtzigt in den vergangenen Jahren schon gesundheitsbedingte Auszeiten genommen, nur um ein paar Wochen oder Monate später wieder zurückzukehren. Nun scheint der Schritt, der weit über seine Partei hinaus Auswirkungen haben könnte, definitiv. Zahlreiche Regierungs- und Parlamentsmitglieder drückten am Wochenende ihr Bedauern aus und wünschten dem 51-Jährigen gute Genesung.

Partei vor der Auflösung?

Omtzigt ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Politiker der Niederlande. Seit 21 Jahren ist er im Parlament aktiv. Bei der Aufklärung der sogenannten Kindergeldaffäre, die 2021 zum Sturz der damaligen Regierung führte, spielte er eine entscheidende Rolle und erlangte gleichzeitig hohe Popularität in der Zivilgesellschaft.

Im gleichen Jahr überwarf er sich mit seiner damaligen Partei, der christlichdemokratischen CDA, und gründete später den NSC, der ebenfalls in der politischen Mitte angesiedelt ist. Bei den Parlamentswahlen von 2023 erlangte die Partei auf Anhieb 20 Sitze. Sie ist zurzeit Teil der Regierungskoalition unter dem Vorsitz des parteilosen Ministerpräsidenten Dick Schoof, die seit letztem Juli im Amt ist.

Bei den langwierigen Gesprächen zur Regierungsbildung hatten hochrangige NSC-Parteimitglieder Bedenken, mit der islamfeindlichen PVV von Geert Wilders ins Boot zu steigen. Dass sie sich dennoch engagierten, war wesentlich auf die Überzeugungskraft von Omtzigt zurückzuführen. Ohne die Galionsfigur ist die Zukunft der Partei, deren Umfragewerte ohnehin tief sind, ungewisser denn je.

Krisensitzung der Parteispitze

Am Samstag traf sich die NSC-Spitze zu einer Krisensitzung. Den Vorsitz übernimmt bis auf weiteres Nicolien van Vroonhoven, die diese Funktion bereits während Omtzigs früheren Abwesenheiten ausübte. Die Parteileitung will der Koalition weiterhin beiwohnen – und die Regierung damit für den Moment nicht sprengen. Die Mitglieder seien sich bewusst, dass die Partei bei Neuwahlen in die Bedeutungslosigkeit versinken könnte, und wollten nun, solange es gehe, so viel wie möglich herausholen, so der öffentlichrechtliche Sender NOS.

Das jedoch ist eine gewagte Strategie. In der Regierung, die seit Jahrzehnten nicht mehr so weit am rechten Rand gestanden hatte wie jetzt, war der zentristische NSC bisher das wankelmütigste Mitglied. Mehrfach drohten dessen Minister schon mit dem Rückzug – zumeist aufgrund von Querelen mit Wilders, der zwar nicht Kabinettsmitglied ist, aber im Hintergrund die Fäden zieht. Wie stark sich die NSC-Minister ohne ihren Mentor Omtzigt noch mit der Koalition verbunden fühlen, ist eine offene Frage.

Vergangene Woche konnte die niederländische Regierung im sogenannten Frühjahrsmemorandum die Budgetgespräche zwar voranbringen. Entscheidende Fragen der Finanzierung bleiben aber offen, und bereits üben Parteimitglieder von Wilders PVV wegen der geplanten Asyl-Zusatzausgaben scharfe Kritik. Die Zeiten in Den Haag bleiben stürmisch.

Exit mobile version