In einem offenen Brief bemängelt der Bundestagsvizepräsident die geringe Transparenz während der Corona-Pandemie. Er fordert eine umfassende Aufklärung – und legt dem SPD-Gesundheitsminister den Rücktritt nahe.
Der FDP-Vize Wolfgang Kubicki wirft dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach und dem Robert-Koch-Institut (RKI) vor, während der Corona-Pandemie gravierende Fehler gemacht und die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt zu haben.
Grundlage für seine Kritik sind die entschwärzten Protokolle des Krisenstabs des RKI aus dem Zeitraum von 2021 bis zum Frühjahr des Jahres 2022.
In einem Brief, der auf der Website des FDP-Bundestagsabgeordneten veröffentlicht ist, kritisiert Kubicki die unzureichenden und teilweise falschen Informationen, die das RKI und das Gesundheitsministerium sowohl gegenüber dem Bundestag als auch vor dem Bundesverfassungsgericht geliefert hätten.
In dem Schreiben heisst es, Karl Lauterbach habe dem Ansehen der Bundesregierung durch sein unverantwortliches Verhältnis zur Wahrheit schweren Schaden zugefügt und Zweifel an der Lauterkeit staatlichen Handelns genährt. «Er muss persönliche Konsequenzen ziehen», fordert Kubicki.
Inzidenzzahlen, Impfpflicht-Debatte und «mit oder an Corona»
Besonders schwerwiegend seien die Widersprüche bei der Nutzung von Inzidenzzahlen als der Grundlage für massive Grundrechtseinschränkungen, obwohl intern Zweifel an deren Aussagekraft bestanden. Ebenso verurteilt Kubicki die scharfe Verfolgung von Ungeimpften durch das «Team Vorsicht» rund um Lauterbach.
Die Debatte über die allgemeine Impfpflicht werde in der Nachbetrachtung als «eine der verrücktesten gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik» bewertet werden, konstatiert der Liberale.
In seiner Analyse hinterfragt Kubicki ausserdem, ob korrekt zwischen Hospitalisierungen und Todesfällen «mit» oder «an» Corona unterschieden wurde. Dabei geht es um die Frage, ob jemand beispielsweise wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert wurde oder ob er sich bereits aus einem anderen Grund im Krankenhaus befand und zusätzlich positiv auf das Virus getestet wurde.
Durch die durch einen Whistleblower und die Arbeit einer freien Journalistin publik gewordenen Protokolle sei nun bekannt, dass differenzierte Zahlen dem RKI spätestens seit dem Frühjahr 2022 vorgelegen hätten, der Öffentlichkeit aber nicht präsentiert worden seien, hält Kubicki fest.
Kubicki fordert Konsequenzen von Lauterbach
Der FDP-Politiker selbst hat dazu mehrfache parlamentarische Anfragen gestellt. Die Antworten des Lauterbach-Ministeriums seien mindestens irreführend gewesen und dafür trage der Gesundheitsminister die Verantwortung, so der Vorwurf.
Laut Kubicki kann man den RKI-Protokollen ausserdem entnehmen, dass der Anteil der offiziell als Corona-Tote geführten Personen, die lediglich positiv getestet wurden, im Einzelfall über 25 Prozent gelegen habe. Dadurch sei die offizielle Zahl der Corona-Toten immer höher ausgewiesen worden, als es korrekt gewesen wäre. Das Gesundheitsministerium habe offensichtlich auf eine transparente Darstellung verzichtet.
Das von Lauterbach ab Ende 2022 geführte Ministerium habe zudem die Corona-Risikobewertung massiv beeinflusst, was wiederum gerichtliche Entscheidungen zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen beeinflusste. Kubicki betont, dass er einem Minister, der die Wahrheit biege und schwere Grundrechtseingriffe in Kauf nehme, keine parlamentarische Unterstützung mehr geben könne.
Gesundheitsminister Lauterbach hat sich zu dem Schreiben bisher nicht öffentlich geäussert.

