Sonntag, September 29

Der Engländer ist 17-jährig und noch kein Jahr auf der Profitour, und doch reiht er Sieg an Sieg. Nun tritt das Ausnahmetalent in Basel an.

Er wird als Pelé des Darts bezeichnet, weil er mit 16 Jahren schon kurz vor dem WM-Titel stand. Seither reiht Luke Littler einen Turniersieg an den anderen. Jetzt kann das erste professionelle Darts-Turnier der Schweiz mit seinem Namen werben: Littler, inzwischen 17 geworden, tritt dieses Wochenende in Basel an.

Littler ist der Shootingstar in seinem Sport, er zieht gerade mehr Aufmerksamkeit auf sich als die etablierten Elitespieler Raymond van Barneveld, Peter Wright und Luke Humphries, die ebenfalls an der Veranstaltung in der Basler St.-Jakobs-Halle teilnehmen. Die Finalspiele der Swiss Darts Trophy sind für heute Sonntag angesetzt.

Kaum ist er Profi, bestreitet Littler schon den WM-Final

Der pfeilschnelle Aufstieg Littlers in die Weltklasse gleicht der ebenso bemerkenswerten Entwicklung des Darts in den vergangenen Jahren. Unter der Aufsicht der Professional Darts Corporation ist der Sport aus den englischen Kellerkneipen auf die internationalen Showbühnen gestiegen. Seinen Durchbruch schaffte Littler gleich bei der ersten WM-Teilnahme zu Jahresbeginn, bis dahin hatte er gerade einmal vier Matches auf der Profitour bestritten.

Vollkommen unerwartet erreichte der Engländer aus Runcorn bei Liverpool den Final, wo er dem neuen Weltranglistenersten Luke Humphries unterlag. Der erzählte später, er habe wie ein Mantra immer wieder zu sich selbst gesagt: «Hol dir jetzt den Titel!» Er ahnte, dass dies seine letzte Chance sein könnte, weil Littler die Darts-Welt bald dominieren werde.

Englische Medien zogen Parallelen zum Fussballer Pelé und zum Tennisspieler Boris Becker, die ebenfalls in jungem Alter grosses Aufsehen erregten. Tatsächlich steht für die Darts-Konkurrenz zu befürchten, dass es in den kommenden Jahren nicht mehr allzu viele Gelegenheiten geben wird, sich zum Weltmeister zu krönen.

In dieser Saison gewann Littler schon sechs Turniere, darunter die Premier League, eine prestigeträchtige Einladungsserie, die sich von Februar bis Mai erstreckt und für die nur ausgewählte Elitespieler nominiert werden. Littlers Darbietungen erinnern an die Vormachtstellung des Altmeisters Phil Taylor, der die Szene einst derart prägte, dass er von 1995 bis 2002 acht Titel in Serie holte. Eine solche Ära wird auch Littler zugetraut.

LUKE LITTLER HITS A NINE DARTER IN THE PREMIER LEAGUE FINAL!

Die Darts-Fans haben ihn schon zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Karriere als Nachfolger von Taylor auserkoren. Dem Rekordweltmeister hatten die Leute einst wegen seiner Erfolge einen Sprechgesang gedichtet. Zur Melodie des Weihnachtsklassikers «Winter Wonderland» von Michael Bublé grölten sie während der Taylor-Spiele fast durchgehend, es gebe nur einen wie ihn: «There is only one Phil Taylor.»

Nach seinem Rücktritt 2018 rückte das Liedchen zunehmend in den Hintergrund, weil kein zweiter Taylor in Sicht war – bis jetzt Littler auftauchte. Um ihn zu würdigen, wurde der Evergreen neu aufgelegt. Littlers Name fügt sich auf beinahe wundersame Art genauso melodisch ein wie der von Taylor.

Die beiden Namen haben die gleiche Länge und vor allem die gleiche Zahl der Silben: die Vornamen eine, die Nachnamen zwei. So lässt sich häufig kaum heraushören, ob die Leute nun Taylor oder Littler besingen. Beim ersten Mal, als der eigene Name gefallen sei, habe er zunächst gedacht, die Fans hofierten erneut Taylor, erzählt Littler in einem Videogespräch mit der «NZZ am Sonntag».

Auch in anderer Hinsicht ähnelt Littler Taylor, in seiner Spielfreude, der Gestik und Mimik, seiner Präsenz auf der Bühne und seinen kurzen, aber charmanten Antworten. Littler ist in der Lage, jedes Segment auf der Scheibe gleich gut zu bespielen. Immer wieder versucht er sich beim Herunterspielen des Ausgangswertes 501 auf 0 Punkte an ungewöhnlichen Wurfkombinationen.

Kürzlich, berichtet er, habe er bei einem Match den Restwert 50 gehabt, in der Regel wird dieser über Würfe auf die Einfach-10 und die Doppel-20 erledigt. Doch die Leute hätten ihn aufgefordert, das schwierig zu treffende Bullseye anzupeilen – was er ihnen zuliebe dann auch tat. Er geniesse einfach seine Darts und wolle den Leuten, die sich Tickets für die Wettbewerbe kauften, gute Unterhaltung bieten. Bestenfalls ziehe er so auch die Fans auf seine Seite, deren Unterstützung ihm im Match helfen könne, sagt er.

Littler wirkt weit weniger verbissen als die meisten seiner viel erfahreneren Kollegen, er bejubelt seine Satzgewinne nicht inszenierten Gesten wie überschwänglich mit gereckten Fäusten, sondern er wirkt sehr spontan. Trotz seiner geringen Erfahrung versteht es derzeit fast keiner besser als er, mit dem Publikum in der Halle zu interagieren.

Er lässt sich oft Mobiltelefone zuwerfen, um vom Podium aus Selfies mit den Leuten zu machen. Durch das Einbinden der Fans – denen es beim Darts genauso wichtig ist, eine gute Zeit zu verbringen, wie tolle Matches zu erleben – hatte sich Taylor einst eine enorme Beliebtheit gesichert. Er war Attraktion und Liebling zugleich, egal bei welchem Turnier er auch antrat.

Die alte Spielergarde wuchs noch abseits des grossen Publikums in Pubs auf und stand dank TV-Übertragungen fast von einem Tag auf den anderen im Rampenlicht. Deshalb bedienten sie gerne das Klischee, dass es hier jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann. Littler gehört einer neuen Generation an, er trainierte gezielt auf eine Profilaufbahn hin.

Über Littler heisst es, er habe seine ersten Darts schon mit anderthalb Jahren geworfen. Später profitierte er von der Nachwuchsserie des Verbands, die ihn selbst auf die medialen Anforderungen auf der Profitour vorbereitete. Seinen Spitznamen im Darts, «the Nuke», hat er vor Jahren mit seinem Vater entworfen. Gemeinsam haben sie im Pub überlegt, und dann sei «Luke the Nuke» herausgekommen: Luke, die Atombombe.

Über lange Jahre erarbeitete Leichtigkeit

Dennoch versteht es Littler, das Pfeilwerfen wie ein Naturtalent aussehen zu lassen. So, als könnte jeder aus 2,37 Meter Entfernung das Bullseye treffen, dessen Durchmesser nur 12,7 Millimeter beträgt. Im Gespräch sagt er lapidar, dass er jeden Morgen aufs Neue für sich entscheide, ob er heute ans Darts-Board gehe; wenn ja, dauere sein Training etwa eine Stunde, einen Trainer hat er nicht.

Auch ins Gym gehe er nie, er sehe keinen Zweck darin, Gewichte zu stemmen. Am meisten duelliere er sich mit sogenannten künstlichen Darts-Bots, berichtet Littler, deren Schwierigkeitsgrad er selbst einstellen kann. Dazu hört er House-Musik.

In der Heimat wird Littler inzwischen fast überall erkannt. Seine Popularität sei verrückt, sagt er, daran habe er sich erst gewöhnen müssen. Vor einem Jahr sei er einfach Luke Littler gewesen, ein Nobody, witzelt er. Sein Management hat kürzlich seinen Namen unter anderem für Biermarken schützen lassen. Dabei ist es Jugendlichen in England nur erlaubt, Alkohol mit einer Mahlzeit und im Beisein Erwachsener zu konsumieren.

In der Weltrangliste ist Luke Littler schon auf Position 21 vorgerückt, obwohl das Klassement dem eingespielten Preisgeld der vergangenen zwei Jahre entspricht. Taylor glaubt, dass Littler mutmasslich «einer der besten Darts-Spieler aller Zeiten» werde. Dessen Rekorde seien noch weit weg, sagt Littler, aber vielleicht seien sie für ihn in 20 bis 30 Jahren tatsächlich erreichbar. Sollte er so weiterspielen, wird er viele weitere Turniere gewinnen – und wohl noch öfter in die Schweiz kommen.

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