Samstag, September 28

Die beste E-Auto-Batterie sollte wirtschaftlich und nachhaltig sein. Und sie sollte möglichst in Europa produziert werden, damit die Abhängigkeit von China reduziert werden kann. Doch all das zu erfüllen, ist kompliziert.

Moderne Auto-Akkus bieten heute schon eine Kapazität von rund 120 kWh und eine Reichweite von bis zu 800 Kilometern. Und die Entwicklung geht in hohem Tempo weiter: Noch in diesem Jahr soll ein 150-kWh-Akku kommen, der eine Batteriereichweite von bis zu 1000 Kilometern mit einer Ladung hat.

Solche Akkus wiegen allerdings bis zu 800 Kilogramm, nehmen viel Platz im Auto ein – und sie sind sehr, sehr teuer.

Wie lässt sich das ändern? Darüber kann Professor Martin Winter Auskunft geben, einer der erfahrensten Experten für Batterien in Deutschland. Der Wissenschafter leitet das Batterieforschungszentrum der Universität Münster und ist Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Münster für Ionenleiter in der Energiespeicherung.

State of the Art: die Lithiumionenbatterie

Winter sieht mehrere mögliche Verbesserungswege für die Batterieforschung. Beispielsweise können die bewährten Lithiumionen-Akkus weiterentwickelt werden. Sie böten noch Potenzial für Fortschritte, sagt er, man müsse die Technologie aber nachhaltiger gestalten.

Lithiumionen-Akkus (kurz: Li-Ion-Akkus) bestehen, wie alle Batteriesysteme, aus vielen Zellen. Und in jeder Zelle steckt chemisches Material. Eine Zelle besteht aus den beiden Elektroden – der Kathode und der Anode –, dem Separator und dem Elektrolyten. Das ist eine Substanz, die durch entgegengesetzt geladene, bewegliche Ionen elektrisch leitfähig ist. Zusammen speichern sie Energie und können sie wieder abgeben.

Wie eine Lithiumionenbatterie funktioniert

Eine Li-Ion-Batterie nutzen heute viele Autohersteller bei ihren E-Fahrzeugen. Sie setzen bei den meisten Fahrzeugen auf eine Variante, in der neben Lithium auch rund 60 Prozent Nickel enthalten sind – bei einigen Oberklasse-Fahrzeugen sogar 80 Prozent und mehr. Das sorgt für eine noch höhere Energiedichte.

Und genau das suchen Forscher: mehr Energiedichte. Denn damit lässt sich pro Volumen mehr Energie speichern. Das verringert das Gewicht.

Am besten schneiden derzeit Lithiummetallbatterien ab. Ihre Energiedichte ist bis zu 40 Prozent höher als die von Li-Ion-Akkus, deren Lithium nicht metallisch ist. Lithiummetallbatterien gibt es in zwei Varianten: mit einem flüssigen Elektrolyten oder mit einem Elektrolyten aus einem Feststoff.

Mehr Energiedichte in der Feststoffbatterie

Einen Li-Metall-Akku mit einem Feststoffelektrolyten bezeichnen Fachleute auch als Feststoffbatterie. In sie setzen Experten bei der Entwicklung der Elektromobilität besonders grosse Hoffnungen. Bei der Feststoffbatterie besteht der feste Elektrolyt aus Keramik oder Polymer. Der Vorteil dieser Technologie besteht darin, dass sich als Anode metallisches Lithium verwenden lässt, was die Energiedichte um ein Vielfaches steigert.

«Die Festkörperbatterie ist vielversprechend, weil sie sich ohne weiteres in Autos integrieren lässt und weil sie eine um 25 bis 35 Prozent höhere Energiedichte hat», erklärt Simon Lux. Er ist Mitglied der Institutsleitung der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster und Professor für angewandte elektrochemische Energiespeichertechnik.

Ein Problem sind dabei die bis zu 0,01 Millimeter dünnen Spezialplatten als Elektrolyten. Zum Vergleich: Ein Haar misst ungefähr 0,04 bis 0,06 Millimeter im Durchmesser. Die Produktion ist daher aufwendig, teuer und derzeit (noch) nicht kostengünstig genug.

Halbfeste Akkus – das Beste aus zwei Welten?

Um dieses Dilemma zu umgehen, entwickeln Forscher Akkus, bei denen feste und flüssige Elektrolyte kombiniert werden. Sie werden «halbfeste» Akkus genannt. Ihr Elektrolyt besteht zum Teil aus Feststoff und zum Teil aus Flüssigkeit. Der feste Teil grenzt an die negative Li-Metall-Elektrode, der flüssige Teil an die positive Elektrode. Von Vorteil sind die höhere Betriebsfestigkeit, die Sicherheit und die vergleichsweise einfache Produktion.

«Zwar wünschen sich viele Hersteller eine reine Feststoffbatterie, weil sie eine sehr hohe Energiedichte aufweist und nicht brennbar ist. Diese zu produzieren, ist aber sehr aufwendig, kompliziert, langwierig und damit kostenintensiv», erklärt Winter. Ausserdem kann bei Festelektrolyten die chemische Reaktionsfreudigkeit der Elektrolyte beachtlich sein – das ist ein Sicherheitsrisiko.

Simon Lux ist sich aber sicher: In den nächsten fünf Jahren werden einige Machbarkeitsstudien für die Feststoffbatterie auf den Markt kommen. Das Hauptproblem dabei: In die Produktion in Grossserie schaffe es die Technik frühestens in rund zehn Jahren.

Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Akkus für hohe Reichweite

Einige Hersteller, die Wert auf eine hohe Reichweite legen und dennoch kostengünstigere Akkus herstellen wollen, verwenden daher eine andere Zellchemie. Das sind die Hersteller von Oberklasse-Fahrzeugen – sie bleiben vermutlich vorerst bei sogenannten Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Akkus (kurz: Li-NMC). Die Energiedichte einer hochentwickelten Zelle liegt hier bei bis zu 280 Wh pro Kilogramm. Eine Steigerung um 5 bis 10 Prozent sei in den nächsten Jahren möglich, sagt Lux. (Zum Vergleich: Bei einer Li-Ion-Batterie beträgt die Energiedichte zwischen 100 und 180 Wh/kg.)

Natriumionen-Akkus sind günstig

Am Horizont ist jüngst eine neue Batterietechnik aufgetaucht, die zu neuen Hoffnungen bei der Weiterentwicklung der E-Mobilität beiträgt. Eine günstige und sichere Alternative zu Li-Ion-Akkus bieten nämlich Natriumionen-Akkus (sodium-ion battery, kurz SIB). Natrium, das als Natriumchlorid (Kochsalz) oder Natriumcarbonat (Soda) nahezu unbegrenzt und günstig verfügbar ist, ersetzt hierbei Lithium.

Auf Mangan und Kobalt können die Produzenten dabei verzichten. Theoretisch ist die Technik darum auch für Europa interessant, denn Abhängigkeiten von chinesischen und afrikanischen Rohstofflieferanten können so verringert werden. Zudem bieten Natriumbatterien den Vorteil, dass Elektroden und Elektrolyte ähnlich wie bei einer Li-Ion-Batterie gefertigt werden – das ist praktisch für bereits bestehende Batterieproduktionen.

Allerdings haben Natriumbatterien auch einen grossen Nachteil: Die Energiedichte ist fast halb so gering wie bei einer Li-Ion-Batterie. SIB rentieren daher erst, wenn sie nur noch halb so teuer sind wie Li-Ion-Batterien. Das ist derzeit nicht der Fall. Daher hat Natrium gegenwärtig keine Chance in Europa – es sei denn, der Energiegehalt von Natriumbatterien lässt sich weiter steigern.

Hersteller, die aus den genannten Abhängigkeitsgründen ganz auf Metalle wie Kobalt, Mangan oder Nickel verzichten wollen, können auch auf Li-Eisenphosphat-Akkus setzen. Sie sind etwas umweltfreundlicher und dazu rund 20 Prozent günstiger zu produzieren als Li-Ion-Akkus. Doch wie schon bei SIB liegt die Energiedichte deutlich niedriger als bei Li-Ion-Akkus – bis zu einem Drittel. Daher setzen meist nur die Hersteller von Mittelklasse- oder Kompaktfahrzeugen auf diese günstigen Akkus, denn vor allem im Stadtverkehr sind grosse Batteriereichweiten sekundär.

Weitere Akku-Ideen mit Luft, Wasser und Schwefel

Doch damit sind die Batterieforscher mit ihrem Latein noch nicht am Ende. Es gibt in der Forschung auch noch völlig andere Ideen, die eine Chance zu einem Wandel in der Batterietechnik eröffnen. Dazu zählen Akkus, die auf den Kombinationen Lithium-Luft, Lithium-Wasser oder Lithium-Schwefel basieren.

Diese Batterietypen bieten den Vorteil, dass sie leichter sind als andere Zusammensetzungen. Doch ob sie auch bei lang andauerndem Betrieb zuverlässig und sicher sind, ist noch längst nicht erforscht.

Fazit: Die perfekte Akku-Chemie gibt es nicht

Die beiden Wissenschafter Winter und Lux sehen daher die Akku-Zukunft «technologiedivers». Der einzig perfekte Akku für alle E-Autos ist also derzeit nicht in Aussicht. «Die Stärke der Batterietechnologie ist, dass es viele verschiedene Batteriesysteme gibt, die je nach Anwendungssegment ein passendes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten», sagt Winter. Es gebe kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

Zu erwarten ist, dass kleine Elektroautos mit Einstiegspreisen unter 20 000 Euro künftig mit günstigen Li-Eisenphosphat-, Li-Ion- oder mit Natriumionen-Akkus ausgestattet werden. Ein höherer Nickelanteil verspricht dabei eine höhere Energiedichte. Bei hochklassigen Fahrzeugen mit dem Fokus auf einer hohen Reichweite könnten vermehrt halbfeste Akkus, Feststoffbatterien oder Li-Ion-Akkus mit einem sehr hohen Nickel- und Siliziumanteil zum Einsatz kommen.

Und was ist mit den Akkus mit halbfesten Elektrolyten? «Ein Fahrzeug mit einem halbfesten Akku sehen wir mit viel Optimismus vielleicht Ende dieser Dekade auf der Strasse», sagt Winter. Eine reine Feststoffbatterie hält er in den nächsten Jahren wegen der herausfordernden Produktion in Serienfahrzeugen für eher unwahrscheinlich oder maximal für ein teures Nischenprodukt.

Lux rechnet in den nächsten Jahren mit dem höchsten Entwicklungspotenzial bei den Li-Ion-Akkus. «Wenn wir dort wesentlich nachhaltiger produzieren, den Energieverbrauch bei der Produktion senken, die Ausschussrate verbessern, sehe ich für die nächsten Jahre diese Technologie vorne», sagt er.

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