Dienstag, November 5

Wenn Trump die Wahl in den USA gewinnt, will er Elon Musk in die Regierung holen. Mit seinen Firmen mischt dieser längst in der Weltpolitik mit.

Er verkehrt mit Tech-Unternehmern im Silicon Valley, geht mit Supermodels aus und trifft Politikerinnen wie Giorgia Meloni zum Abendessen. Elon Musk hat Freunde auf der ganzen Welt.

Einer seiner guten Bekannten soll der russische Präsident Wladimir Putin sein. Wie das «Wall Street Journal» vergangene Woche unter Berufung auf amerikanische und russische Quellen berichtete, stehen Musk und Putin seit mindestens zwei Jahren in regelmässigem Austausch. In Telefonaten sollen die beiden über alles Mögliche sprechen – von «persönlichen Themen» über Geschäftsbeziehungen bis hin zu internationaler Politik.

Der so kurz vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen veröffentlichte Medienbericht sorgt für Wirbel. Denn Musk unterstützt die Kandidatur von Donald Trump und soll, falls Trump gewinnt, in die Regierung einziehen.

Musks mutmasslicher Kontakt mit Putin ist auch geopolitisch brisant. Längst ist der reichste Mensch der Welt ein Akteur von globaler Bedeutung. Das zeigt ein Blick auf seine bekanntesten Unternehmen: Tesla, SpaceX, Starlink und X. Über sie beeinflusst Musk schon heute die Weltpolitik. Würde er tatsächlich in eine Regierung Trump einziehen, könnte er seinen geopolitischen Einfluss massiv ausbauen.

Musk, Tesla und der Umgang mit China

Viele von Musks Kontakten zu den Staats- und Regierungschefs stammen aus den Anfängen von Tesla. Im Jahr 2012 hatte Tesla mit dem Model S das erste serienmässig produzierte batterieelektrische Auto auf dem Markt. Während Politiker in aller Welt die Energiewende ausrufen, liefert Musk die Autos dazu.

Musk hält bei Tesla die Fäden in der Hand. Erst kürzlich stimmten die Aktionäre einer Bonuszahlung an ihn zu, die sich über zehn Jahre hinweg auf über 50 Milliarden Dollar beläuft. Auch im Verwaltungsrat baut er seine Macht aus.

Musk wird regelmässig von Wirtschaftsministern und Regierungschefs aus aller Welt umworben: Sie hoffen, dass die nächste Tesla-Fabrik in ihrem Land gebaut wird. Seit Sommer 2021 traf sich Musk mindestens 15 Mal mit Staats- und Regierungschefs oder führenden Ministern, um über mögliche Tesla-Fabriken in ihren Ländern zu sprechen. Unter ihnen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Indiens Premierminister Narendra Modi warb auf seinen Wahlkampfveranstaltungen Anfang Jahr mit dem Bau einer neuen Gigafabrik in seinem Land.

Einer, der sich schon früh um Tesla bemühte, ist der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping. Für Xi war Musk ab 2018 Teil seines Plans, China trotz amerikanischen Handelsrestriktionen zu einem führenden E-Auto-Hersteller zu machen. Xi soll in Musk damals einen Technologievisionär ohne politische Agenda gesehen haben.

Xi erlaubte Tesla als erstem ausländischem Autohersteller, die vollständige Kontrolle über seinen chinesischen Ableger zu behalten. 2019 begann Tesla in Schanghai Autos zu bauen.

Fünf Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Xi hat sein Ziel erreicht, China ist bei der Herstellung batterieelektrischer Autos führend. Der chinesische Hersteller BYD dominiert den heimischen Markt mit einem Anteil von über 35 Prozent, weit vor Tesla mit 6 Prozent. Dennoch ist das Land für Tesla der mit Abstand wichtigste Markt nach den USA.

Während China heute seine Führungsposition bei E-Autos auch ohne Musk behaupten könnte, kann Musk nicht ohne China. Ein Grossteil seines Vermögens beruht auf Tesla-Aktien. Musk ist deshalb um gute Beziehungen zu Peking bemüht, besucht immer wieder Regierungsvertreter.

Musk könnte zu Xis Lobbyist werden

Trumps Vorgehen gegenüber China ist da weniger diplomatisch. In seiner Amtszeit als amerikanischer Präsident (2017 bis 2021) begann er den Handelsstreit mit China. Und den will er in einer möglichen zweiten Amtszeit fortführen. Die Importzölle auf chinesische Güter etwa sollen auf 60 Prozent erhöht werden.

Im Falle eines Trump-Siegs könnte Peking darauf hoffen, dass Musk bei Trump für Chinas Interessen lobbyiert; jedenfalls liegt es nahe, dass Musk als allfälliges Regierungsmitglied auch seine eigenen Geschäftsinteressen im Auge behalten würde. Der Politikwissenschafter Ian Bremmer, Gründer der Beratungsfirma Eurasia Group, verweist auf ein Treffen von Musk mit dem chinesischen Regierungschef Li Qiang im April. Später habe Trump am Parteitag der Republikaner davon gesprochen, dass chinesische E-Auto-Hersteller in den USA produzieren könnten.

Weil der chinesische Markt für Tesla essenziell ist, hat Xi Einfluss auf Musk – und dessen andere Unternehmen. Das weiss auch der russische Präsident Putin. Er soll Musk darum gebeten haben, dass dieser sein Satelliteninternet Starlink über Taiwan nicht aktiviert, als Gefallen an Peking.

Musk, Starlink und der Ukraine-Krieg

Starlink wird betrieben von Musks Firma SpaceX, die er im Jahr 2002 gründete. Mit SpaceX hat Musk die Raumfahrt revolutioniert. Die wiederverwendbaren Raketen machen Raketenstarts deutlich günstiger, die Konkurrenz kann mit diesen Preisen nicht mithalten. So auch beim Starship, Musks gegenwärtigem Projekt.

Thomas Zurbuchen, der ehemalige Direktor der Nasa, erklärte kürzlich im Interview mit der NZZ, das Starship verändere die gesamte Raumfahrt. Denn mit der Riesenrakete sinken die Kosten für den Materialtransport in den Weltraum enorm. Das wird die Kommerzialisierung des Weltraums befeuern. Und Musk wird mit dem Starship dereinst auch ganz vorne mitmischen, wenn es darum geht, eine dauerhaft bewohnte Mondbasis zu bauen und eines Tages Menschen zum Mars zu fliegen.

Schon heute dominiert SpaceX die Raumfahrt mit seinen Falcon-9-Raketen. Besonders für die Regierung von Joe Biden ist SpaceX mit den Falcon-9 essenziell. Für das US-Verteidigungsdepartement errichtet das Unternehmen ein Netzwerk von Spionagesatelliten – und baut sogar Satelliten für den Geheimdienst. Insgesamt belaufen sich die Verträge zwischen dem Pentagon und SpaceX auf 3,6 Milliarden Dollar.

Mehrere Pentagon-Beamte äusserten gegenüber der «New York Times» Bedenken, dass SpaceX mithilfe dieser Regierungsaufträge zum Monopolisten werden könnte. Das würde die Abhängigkeit des Militärs und der Geheimdienste von Musk endgültig besiegeln. Die Abhängigkeit von einem Unternehmer, dessen Handeln als erratisch gilt und der für rasch wechselnde Meinungen bekannt ist.

Für die Nasa bringt SpaceX Astronauten zur Internationalen Raumstation und wieder zurück und soll zwei bemannte Mondmissionen durchführen. Insgesamt bestehen zwischen Musk und der Nasa Verträge im Umfang von 11,8 Milliarden Dollar.

Geopolitisch besonders brisant ist der Zugang zu Staatsgeheimnissen, den Musk durch die Zusammenarbeit mit dem Pentagon und der Nasa erhält. Mit Bezug auf die Gespräche zwischen Musk und Putin gebe es bis anhin aber keine Hinweise darauf, dass Musk gegen Sicherheitsbestimmungen verstossen habe, sagte ein amerikanischer Beamter gegenüber dem «Wall Street Journal».

Weitere Kunden von SpaceX sind etwa die europäische Raumfahrtbehörde ESA, der deutsche Auslandnachrichtendienst oder die südkoreanische Armee. «Die ganze westliche Welt hängt von Elon Musks Raketen ab», so fasste der ESA-Chef Josef Aschbacher die Situation gegenüber der NZZ Anfang Jahr zusammen.

Die Ukraine ist Musk ausgeliefert

Die meisten Raketenstarts führt SpaceX jedoch zum Auf- und Ausbau seines Satelliteninternets Starlink durch.

Das Satellitennetz von Starlink zieht sich um den gesamten Planeten. Dank ihm hat theoretisch jeder, der über ein entsprechendes Terminal verfügt, Zugang zum Internet. Faktisch ist es Musk, der entscheidet, wo, für wen und wann die Satelliten Internet freischalten. Er besitzt 42 Prozent aller SpaceX-Aktien, kontrolliert aber 79 Prozent der Aktienstimmrechte.

Am deutlichsten zeigt sich diese Macht im Ukraine-Krieg. Zu Kriegsbeginn war Musk noch ein leidenschaftlicher Unterstützer von Wolodimir Selenski, schickte der ukrainischen Armee Tausende Starlink-Terminals. Starlink ist für die militärische Kommunikation der Ukrainer unentbehrlich geworden.

Laut der Website von SpaceX funktioniert der Dienst weder auf der Krim noch in den teilweise besetzten Regionen Luhansk und Donezk. Musk persönlich entschied im Herbst 2022, dass das Internet über der Krim für die ukrainischen Streitkräfte nicht freigeschaltet wird, und verhinderte so mindestens eine ukrainische Operation in dem Gebiet. Er wolle einen Atomkrieg verhindern, so seine Begründung.

Zwei Jahre später spricht sich Musk offen gegen neue amerikanische Hilfsgelder für Kiew aus. Sein Hauptargument: Putin werde diesen Krieg «in keinem verdammten Fall verlieren». Er hat einen eigenen Friedensplan lanciert, der zahlreiche Forderungen des Kremls enthält.

Auch Trump hat angekündigt, den Ukraine-Krieg zu einem schnellen Ende zu bringen. Falls er wieder zum Präsidenten gewählt werden sollte, könnte ihm Musk dabei helfen, indem er der ukrainischen Armee das Internet abschaltet.

Taiwan kann Musk nicht trauen

Musks politische Kehrtwende in der Ukraine-Frage wurde mit Sicherheit auch in Taiwan registriert – dem Staat, dem Musk auf Putins Bitte hin Starlink gänzlich verwehren soll. Schliesslich beansprucht China Taiwan für sich und behält sich vor, Taiwan gewaltsam zu annektieren.

Was Taiwan ebenso missfallen dürfte: Vergangenes Jahr schien sich Musk, der sich mit Xi Jinping gut stellen will, verständnisvoll in Bezug auf Pekings Position in dem Konflikt zu zeigen. China betrachte die Insel als integralen Bestandteil seines Landes, ähnlich wie die USA es etwa mit Hawaii hielten, so Musk.

Gemäss der «New York Times» haben zu einem früheren Zeitpunkt Verhandlungen zwischen Taiwan und Starlink stattgefunden. Doch mittlerweile hat der Inselstaat damit begonnen, ein eigenes Satelliteninternet zu entwickeln.

Musk, X und politische Desinformation

Mit Tesla und Starlink ist Musk in wirtschafts- und geopolitischen Sphären aktiv. Doch auch im Bereich der politischen Meinungsbildung spielt er eine wichtige Rolle – und zwar durch den Kauf von Twitter im Jahr 2022.

Musk nutzt die Plattform, die er inzwischen in X umbenannt hat, um seine eigenen, teilweise umstrittenen Ansichten zu verbreiten. Sein Kanal hat über 200 Millionen Follower. Zuweilen teilt er auch Beiträge, die direkt aus russischen Propagandafabriken stammen.

Auf X bringt Musk neben seiner Unterstützung für Trump sein Wohlwollen gegenüber Politikern anderer Länder zum Ausdruck, wie dem argentinischen Präsidenten Xavier Milei. Oder er teilt seine Ansichten zur Geopolitik, wie den erwähnten «Friedensplan» für die Ukraine.

Zudem ist X längst zu einer Plattform für die Propaganda ausländischer Despoten und Diktatoren geworden. Forscher und Medien enttarnen immer wieder grosse Bot-Netzwerke, die Falschinformationen verbreiten, etwa zur Wahl in den USA oder zum Ukraine-Krieg. Allein in Deutschland deckte das Auswärtige Amt eine russische Desinformationskampagne auf, die mehr als 50 000 deutschsprachige Nutzerkonten umfasste.

Weil Musk Sicherheitsvorkehrungen und die Moderation der Beiträge deutlich heruntergefahren hat, ist es für Bots einfacher geworden, sich auf der Plattform auszubreiten. Auch das Monetarisierungssystem spielt dabei eine Rolle – und künstliche Intelligenz (KI). Verifizierte Nutzer erhalten einen Teil der Werbeeinnahmen, die durch ihre Beiträge generiert werden. So ist es profitabel, sich ein blaues Verifikationshäkchen zu kaufen und es an ein grosses Sprachmodell anzuhängen, das daraufhin unkontrolliert zu posten beginnt.

Musks KI-Modell liefert problematische Antworten

In der KI-Branche mischt Musk derweil selbst kräftig mit. Zahlende X-Nutzer können Grok nutzen, das Sprachmodell von Musks Firma xAI. Als im August die neueste Version von Grok herauskam, berichteten Nutzer, dass sie ohne Probleme eine Anleitung zum Bombenbau und Nazi-Propaganda hätten generieren können.

Als sich Joe Biden im Juli von der Präsidentschaftskandidatur der Demokraten zurückzog, verbreitete Grok über eine Woche lang die millionenfach geteilte Falschnachricht, Kandidaten dürften so spät im Rennen nicht mehr ausgewechselt werden. xAI greift für sein Training unter anderem auf Daten von X zurück.

Musk will mit seiner KI grosse Player wie Open AI, Meta und Alphabet angreifen. In Memphis hat das Unternehmen laut eigenen Angaben das grösste Datencenter der Welt gebaut. Der CEO des Chipherstellers Nvidia bezeichnete dieses jüngst als «schnellsten Supercomputer des Planeten». Musk greift dafür auch auf Chips zurück, die eigentlich für Tesla gedacht waren.

Auch auf seinen Reisen zu den Staatsoberhäuptern dieser Welt spricht Elon Musk immer wieder über KI, um mögliche Kooperationen auszuloten. So etwa während seines Besuchs bei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni oder beim israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.


Künstliche Intelligenz, Raumfahrt, Satelliteninternet und E-Mobilität –für Musk gibt es zahlreiche Gründe, in der Weltpolitik mitzumischen. Dieses Jahr scheint er zudem erkannt zu haben, welchen Einfluss er, der lange als unpolitisch galt, in seiner Wahlheimat USA haben könnte: Als Leiter der geplanten «Effizienzkommission» könnte Musk in einer möglichen Regierung Trump auch gegen jene Regulierungen vorgehen, die seine eigenen Unternehmen wie Tesla, SpaceX und X betreffen.

Als Berater Trumps könnte Musk geopolitisch eine noch wichtigere Rolle spielen als ohnehin schon. Interessenkonflikte sind dabei unvermeidbar: Innenpolitisch, weil seine Firmen über zahlreiche Verträge direkt vom Staat profitieren. Und aussenpolitisch, weil mit Putin und Xi die zwei grössten Widersacher der USA Einfluss auf ihn ausüben.

Bildquellen: Reuters, Keystone und Imago.

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