Montag, Februar 3

Der 59-jährige Deutsche war in Übersee ein Pionier und eine Ikone. Jetzt muss er das Tessiner Starensemble noch in die Play-offs bringen.

Mit Spitznamen ist es so eine Sache: Sie prägen sich im Laufe der Zeit nachhaltig ein oder verselbständigen sich. Doch ob sich der Betroffene mit dem Etikett identifizieren kann, das ihm umgehängt worden ist, wird in den seltensten Fälle geklärt.

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Uwe Krupp hatte gleich zwei dieser berüchtigten Spitznamen. Die Nordamerikaner nannten den Hünen aus Köln «German King Kong». Zurück in seiner Heimat, machte der Boulevard den «Eishockey-Klinsmann» aus ihm. Abwegig waren beide nicht. Der Vergleich mit dem ehemaligen Spitzenfussballer und Nationaltrainer Jürgen Klinsmann drängte sich fast schon auf. Wie Klinsmann wurde auch er in den Vereinigten Staaten heimisch – bereits im Alter von 18 Jahren verliess er die deutsche Heimat, um seine Karriere in der NHL fortzusetzen. In erster Ehe war er mit einer Amerikanerin verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder.

Zweimal Stanley-Cup-Sieger und noch viel mehr

Den nordamerikanischen Lebensstil hat Uwe Krupp in New York, Quebec, Cleveland, Detroit und Atlanta verinnerlicht, wo er innert 17 Jahren fast 800 NHL-Partien bestritt.

Krupp ist ein Eishockey-Pionier. Er war der erste Deutsche in der NHL, als erster Deutscher durfte er am NHL-Allstar-Game teilnehmen, und vor allem war er auch als erster Deutscher zweimal Stanley-Cup-Sieger. Legendär ist sein erster Titel mit der Colorado Avalanche 1996. Im siebenten und letzten Play-off-Finalspiel gegen die Florida Panthers erzielte er den einzigen Treffer zum 1:0, der die Avalanche zum Stanley-Cup-Sieger machte. Das Tor fiel nach 4:30 Minuten in der dritten Verlängerung.

Uwe Krupp's Stanley Cup winning goal - Colorado Avalanche vs. Florida Panthers (June 10, 1996)

Ein Blick in das damalige Kader Colorados verdeutlicht, auf welchem Niveau Krupp seinerzeit Eishockey spielte. Im Team des späteren ZSC-Coachs Marc Crawford standen Eishockey-Legenden wie der Schwede Peter Forsberg, die Kanadier Joe Sakic und Patrick Roy oder der Russe Waleri Kamenski. Doch Krupp war es, der den einzigen Treffer der Partie erzielte und damit die Meisterschaft entschied.

Heute ist Uwe Krupp weit weg von der NHL. Die Schweiz und ihre Eishockey-Bewegung haben ihn zeit seiner Karriere interessiert. Seit Mitte Januar ist er Coach des HC Lugano und versucht das Team nach der Ablösung von Luca Gianinazzi wieder in die Spur zu bringen. Der damals bloss 30-jährige ehemalige Nachwuchsspieler war am 8. Oktober 2022 überraschend als Nachfolger von Chris McSorley vom U-20-Trainer zum Headcoach befördert worden. Gianinazzi war eine Art Prestigeobjekt des Klubs auf der Suche nach einer neuen Identität. Nachdem das gut besetzte Kader des Klubs in diesem Jahr nicht richtig auf Touren gekommen und monatelang in der Nähe des Ranglistenendes gedümpelt war, zog die Klubleitung die Reissleine und brach das Experiment ab.

Krupp für Gianinazzi? Grösser könnte der Stilbruch nicht sein: Auf den wenig bekannten Nachwuchstrainer folgt ein internationaler Topstar. Doch für den Tessiner Klub ist es auch eine Art Rückkehr zu der Zeit, da im Südtessin nur das Beste und die Besten gut genug waren. Krupp passt fraglos in die Reihe hochdekorierter Trainer, die sich in den Jahren seit dem letzten Meistertitel im Frühjahr 2006 erfolglos an der Aufgabe versucht hatten, das Tessiner Rätsel zu entschlüsseln und den Klub wieder auf Kurs zu bringen. Unterstützung erhält er dabei von Antti Törmänen, der in Lugano als Senior Advisor wirkt.

Ob ein Mann mit Krupps Palmarès überhaupt Rat braucht, ist fraglich. Er hat während seiner langen Karriere in Übersee und zuletzt in Deutschland viel gesehen und erlebt. Geprägt hat ihn in erster Linie Pierre Lacroix, den er während seiner Zeit bei den Quebec Nordiques, dem Vorgängerklub der Colorado Avalanche, kennengelernt hatte. Lacroix, damals General Manager bei den Nordiques, pflegte einen für die NHL atypischen Führungsstil. Er sprach gerne und viel mit seinen Spielern. Krupp sagt: «Es kam vor, dass Pierre mich anrief und ankündigte, er komme in einer halben Stunde auf einen Kaffee vorbei. Das habe ich vorher und nachher nie erlebt. Er hatte eine besondere Hand für die Spieler. Das hat mich sehr geprägt.»

Ein Trainer, der die Spieler versteht

Krupp gilt als Trainer, der sich hervorragend mit seinen Spielern versteht. Sein Palmarès und seine natürliche Autorität helfen ihm, Distanz zu wahren – trotz menschlicher Nähe. Er selbst bezeichnet das als «No bullshit»-Regel. Darunter versteht er, Probleme offen anzusprechen, statt sie auszusitzen oder um sie herumzulavieren.

Ob er mit dieser Ideologie den HC Lugano auf Kurs zurückbringt, wird sich zeigen. Sein Start war nicht schlecht. Doch unter den ersten Resultaten befindet sich neben vier Siegen auch eine 1:2-Derby-Niederlage in Ambri – und die schmerzt in Lugano immer noch sehr. Doch Uwe Krupp kommt aus dem Umfeld der Kölner Haie, eines Klubs, der ein ähnliches Selbstverständnis pflegt wie der HC Lugano. Er war dort seit seiner Rückkehr aus Übersee bereits zweimal als Trainer tätig. Nach einer sportlich enttäuschenden letzten Saison, die im Verpassen der Play-offs gipfelte, hatten sich die Kölner Haie im vergangenen Frühjahr nach vier Jahren von ihrer Klublegende getrennt.

Wie lange Krupp in Lugano arbeiten wird, ist offen. Unterschrieben hat er vorerst einmal bis zum Ende dieser Saison. Er sagt: «Meine Kinder haben ein Alter, in dem sie Stabilität brauchen. Ich konzentriere mich auf die kommenden drei Monate. Was danach passiert, werden wir sehen.»

Vor seiner Verpflichtung kannte er Lugano nur von einer Stippvisite. In seiner ersten Zeit als Headcoach der Kölner Haie war er für ein Testspiel einmal nach Lugano und nach dem Match noch in derselben Nacht wieder zurück in den Westen Deutschlands gefahren. «Es haute mich damals fast um, als ich nach der Ankunft in Lugano aus dem Bus stieg und sah, in was für einer schönen Gegend wir gelandet waren.» Viel Zeit, diese nun zu geniessen, bleibt ihm allerdings nicht. Lugano kämpft weiterhin um die Play-off-Qualifikation.

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