Dienstag, Januar 14

Zoran Milanovic lehnt Militärhilfe für die Ukraine ab und ätzt gegen die proeuropäische Regierung in Zagreb. Das war nicht immer so.

An Selbstbewusstsein mangelt es dem kroatischen Präsidenten nicht. Als Zoran Milanovic in der Kampagne um seine Wiederwahl gefragt wurde, warum er den Debatten mit seinen Herausforderern aus dem Weg gehe, sagte er abschätzig: «Ein Adler jagt keine Mücken.»

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Sein Selbstbewusstsein dürfte nun noch etwas grösser sein. Bei der Stichwahl am Sonntag erhielt der Amtsinhaber Milanovic fast 75 Prozent der Stimmen, dreimal so viel wie sein konservativer Gegenkandidat Dragan Primorac. Ein besseres Resultat hat noch kein kroatisches Staatsoberhaupt erzielt, erst recht kein amtierendes.

Vom linksliberalen Regierungschef zum rechtspopulistischen Präsidenten

Als Milanovic 2016 als Regierungschef abgewählt wurde und einige Monate später auch vom Vorsitz der sozialistischen Partei zurücktrat, deutete wenig auf seine spektakuläre Rückkehr hin. Allerdings hat der Jurist seither auch eine bemerkenswerte Wandlung vollzogen.

Milanovics linksliberale Regierung verfolgte einen EU-freundlichen Kurs, der 2013 in den Beitritt zur Union mündete, und stemmte sich gegen nationalistische Tendenzen im Land. Die Proteste gegen kyrillische Strassenschilder in der Stadt Vukovar, wo eine serbische Minderheit lebt, verurteilte Milanovic damals als «chauvinistische Gewalt».

Seit der Wahl ins Präsidentenamt vor fünf Jahren setzt der streitbare Politiker jedoch andere Akzente. Er kritisiert den konservativen Regierungschef Andrej Plenkovic als «Brüssels Pudel», der die nationalen Interessen aus den Augen verloren habe, und bedient nationalistische Narrative, etwa wenn er sich für die Kroaten in Bosnien-Herzegowina einsetzt.

Von Militärhilfe für die Ukraine will Milanovic als Oberbefehlshaber der Streitkräfte des Nato-Staats nichts wissen. «Wenn Elefanten kämpfen, sollten sich die Mäuse heraushalten», sagte er dazu. Milanovic mag Vergleiche aus dem Tierreich. Die Verfassungsrichter des Landes bezeichnete er einst als Stallfliegen.

«Präsident mit Haltung»

Die diplomatischen Umgangsformen hat der Jurist, der seine Karriere ausgerechnet im diplomatischen Dienst begann, längst abgelegt. Im Wahlkampf warb er als «Präsident mit Haltung» für sich. Vor fünf Jahren lautete der Slogan «ein Präsident mit Charakter». Milanovics wichtigstes Programm ist er selber.

Wegen seines sturen, die Bündnispartner brüskierenden Beharrens auf nationalen Interessen, der Geringschätzung staatlicher Institutionen und der sorgsam gepflegten Unberechenbarkeit bezeichnen ihn manche als «kroatischen Trump». Enge Kontakte pflegt Milanovic zum ungarischen Regierungschef Viktor Orban und zum bosnischen Serbenführer Milorad Dodik.

Eigentlich ist die Westintegration in Kroatien seit der Unabhängigkeit Staatsräson. Der doppelte Integrationssprung vor zwei Jahren, als das Land gleichzeitig dem Schengenraum und der Euro-Zone beitrat, war ein entsprechend wichtiger Meilenstein.

Korrektiv zur Regierung

Ob Milanovics Glanzresultat tatsächlich für den Wunsch einer Abkehr von diesem Kurs steht, ist Gegenstand von Debatten. Das Präsidentenamt ist vor allem repräsentativer Natur. Die Macht liegt beim dezidiert proeuropäischen Regierungschef Andrej Plenkovic, der erst im vergangenen Frühjahr wiedergewählt wurde. Plenkovics konservative Partei HDZ ist, wie die längste Zeit seit der Unabhängigkeit, die stärkste Kraft im Land.

Die Regierung bietet zwar durchaus Angriffsflächen. In Plenkovics Amtszeit sind mehr als dreissig Minister zurückgetreten oder ihres Amtes enthoben worden, fast alle wegen Korruptionsaffären. Zuletzt wurde Mitte November Gesundheitsminister Vili Beros wegen Betrugsverdachts entlassen. Auch die höchste Inflationsrate im Euro-Raum sorgt für Unzufriedenheit.

Doch die Opposition ist zu schwach, um davon zu profitieren. Viele Bürger sehen den polternden Milanovic deshalb auch als Korrektiv zu diesen Machtverhältnissen.

Eigentümliche Kohabitation

Kroatiens eigentümliche Kohabitation zwischen einer proeuropäischen Regierung, die im nationalkonservativen Milieu verwurzelt ist, und einem sozialistisch sozialisierten Präsidenten mit rechtspopulistischen Anwandlungen wird die Politik weiter prägen. Dasselbe gilt für den Dauerkonflikt zwischen den beiden wichtigsten Protagonisten, dem Regierungschef Plenkovic und dem Präsidenten Milanovic.

Die beiden kennen sich aus der gemeinsamen Zeit beim Aussenministerium und sind sich seither in tiefer Abneigung verbunden. Selbstredend hat der Regierungschef dem Präsidenten zur Wiederwahl nicht gratuliert.

Irgendwann könnte es auch zum offenen Machtkampf kommen. Milanovic wollte bereits bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2024 als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten antreten, allerdings ohne von seinem Präsidentenamt zurückzutreten. Das Verfassungsgericht erklärte die Kandidatur deshalb für ungültig.

Viele Beobachter rechnen damit, dass Milanovic nun die Parlamentswahlen 2028 im Blick hat, erst recht nach der überwältigenden Bestätigung vom Sonntag. Zu jenem Zeitpunkt wäre sein Rücktritt als Präsident durchaus denkbar, weil es ohnehin seine letzte Amtszeit ist.

Dann würde sich zeigen, ob sich die Kroatinnen und Kroaten Milanovic auch als Regierungschef vorstellen können – oder nur als «Präsidenten mit Haltung».

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